Photovoltaikmodule aus der Vogelperspektive
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Wirtschaft

Photovoltaik hängt in der Warteschleife

In Niederösterreich soll ein Zonenplan einen Wildwuchs bei Photovoltaikanlagen verhindern. Die PV-Branche sieht dadurch die Energiewende im Bund gefährdet. Bis 2030 will sich Österreich bilanziell zu 100 Prozent mit Erneuerbarer Energie versorgen.

In der kleinen Ortschaft Schützen etwas außerhalb von Kilb (Bezirk Melk) will Johann Janker, Geschäftsführer des Unternehmens ECOwind, eine der größten Photovoltaik-Anlagen Österreichs errichten. Elf Hektar Ackerfläche sollen mit Modulen bestückt werden. Auf einer eigens eingerichteten Website informiert ECOwind über das Vorhaben, inklusive Visualisierungen und Details zum Projekt.

Die Stimmung in Kilb ist aber aufgeladen. Gegenwind kommt etwa von der Bürgerinitiative „Kilb redet“, bestehend aus Anrainern, die die Anlage nicht vor der eigenen Haustür haben möchten und auf ihrer Website argumentieren, dass „fruchtbarer Ackerboden langfristig für die Landwirtschaft verloren“ gehe.

Visualisierung einer geplanten PV-Freiflächenanlage in Schützen bei Kilb
ECOwind
Eine Visualisierung des geplanten PV-Projekts in Kilb, das für Diskussionen sorgt

Die Anlage soll Strom für 2.100 Haushalte produzieren und könnte damit bilanziell gesehen ganz Kilb bzw. 40 Prozent der Haushalte in einer Modellregion mit sechs Gemeinden versorgen. Die Zustimmung der Grundeigentümer liegt vor, der Netzbetreiber hat eingewilligt, dass ECOwind den Strom in das Netz einspeisen darf. „Wir könnten loslegen, müssen aber warten, bis das Land entscheidet“, so Janker.

Keine Genehmigung für Projekte über zwei Hektar

Das Land Niederösterreich will einen Wildwuchs an Photovoltaikanlagen auf „grüner Wiese“ verhindern. Anlagen, die größer als zwei Hektar sind, werden derzeit nicht genehmigt, es gilt ein Baustopp. Nur Widmungen bis zu einer Größe von zwei Hektar sind weiterhin möglich.

Der Zonenplan soll bis Herbst 2022 erarbeitet werden – ähnlich wie bei den Windrädern, wo ebenfalls eine Zonierung stattfand. Darin soll festgelegt werden, wo Photovoltaik-Freiflächenanlagen möglich sind. Vorrang beim PV-Ausbau haben für das Land aber weiterhin Dächer, Deponien und Parkplätze. Erst in einem weiteren Schritt will man auch „minderwertige Böden“ antasten. Große Freiflächenanlagen werden in Niederösterreich laut dem zuständigen Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) aber ohnehin nicht notwendig sein.

„Um die Ziele des Bundes bis 2030 zu erreichen, brauchen wir pro Gemeinde 250 zusätzliche Anlagen auf privaten Häusern, 20 gewerbliche Anlagen bei Betrieben oder in der Landwirtschaft, immer auf Dächern, alle Gemeindegebäude müssen mit Photovoltaik ausgestattet sein, was großteils schon passiert ist. Dann bleiben noch ein paar Parkplätze über und pro Gemeinde maximal ein bis zwei Hektar, wo man in die Fläche gehen muss“, so Pernkopf.

Studie: Freiflächenausbau ist notwendig

Eine Studie der Energieagentur sieht das anders. Um das Ziel – 100 Prozent Strom aus Erneuerbarer Energie – bis 2030 zu erreichen, muss Niederösterreich demnach drei Terawattstunden Photovoltaikleistung installieren. 2018 lag der Bestand bei 0,3 Terawattstunden, 1,4 Terawattstunden sind unter den derzeitigen Bedingungen bis 2030 realisierbar, weitere 1,3 Terawattstunden sind der Studie zufolge nur durch einen PV-Ausbau auf Freiflächen möglich.

Vera Immitzer, Geschäftsführerin Photovoltaic Austria
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Vera Immitzer, Geschäftsführerin von Photovoltaic Austria: „Die Zeit drängt“

„Niederösterreich hat grundsätzlich ein enormes Potenzial für PV-Anlagen“, sagte die Geschäftsführerin der Interessensvertretung Photovoltaic Austria, Vera Immitzer. „Wir haben nur leider das Problem, dass nicht alle Dächer und Gebäude genutzt werden und können – vor allem nicht in der Zeit, die uns noch zur Verfügung steht.“

Der Baustopp für Anlagen über zwei Hektar habe „die Branche vor den Kopf gestoßen“, sagte Immitzer, „weil Projekte im Genehmigungsstatus von einem Tag auf den anderen gestoppt wurden. Das Land nimmt sich zwei Jahre Zeit, die Zonen festzulegen. Erst dann können sich Projektentwickler und -planer an die Arbeit machen. Niederösterreich verliert damit bis zu fünf Jahre Zeit im PV-Ausbau, weil erst dann neue Spielregeln bekannt sind. Bis dahin müssen die Unternehmen ausharren.“

Steiermark: Neue Raumordnung, aber kein Baustopp

Immitzer hielt fest, dass der Verband ebenfalls für einen „geordneten Ausbau der Photovoltaik in der Freifläche“ eintrete. Andere Bundesländer hätten jedoch andere Wege eingeschlagen. Die Steiermark überarbeitet etwa ebenfalls die Raumordnung. Bis das neue Gesetz vorliegt, gibt es aber keinen Baustopp. Im Burgenland wurde angekündigt, rasch einen Zonierungsplan vorzulegen.

„Ich glaube, dass die Steiermark unseren Weg einschlagen wird“, sagte Pernkopf gegenüber noe.ORF.at. „Es muss schließlich auch bürgerverträglich gestaltet sein. Es kann niemand wollen, dass 20 Hektar bestes Ackerland versiegelt ist. Wir haben gerade in der Pandemie gesehen, dass wir das Ackerland zur Essensproduktion brauchen.“

Areal auf dem das PV-Projekt in Kilb geplant ist
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Für das Projekt in Schützen bei Kilb gibt es derzeit keine gesetzliche Grundlage. Es bleibt also vorerst bei grüner Wiese statt blauer Module.

Die Interessensvertreterin der PV-Branche hält dem entgegen: „Eine PV-Anlage in der Freifläche ist keine Verbauung. Die Anlage kann jederzeit entfernt werden. Sie kann mehr als 30 Jahre Strom produzieren, einzelne Module können ausgetauscht werden. Es ist keine Versiegelung oder Verbauung, weil die Fläche auch weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden kann – etwa für Tiere oder für die Futtermittelproduktion“, so Immitzer.

Niederösterreich werde seinen Beitrag zur Energiewende im Bund jedenfalls leisten, sagte Pernkopf. Das Bundesland deckt seinen Strombedarf bereits seit 2015 zumindest bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen. „Österreich hat einen Anteil von 75 Prozent bei den Erneuerbaren, Niederösterreich schon über 100 Prozent. Somit stellt sich die Frage nicht mehr, wer wem nachhinkt“, so Pernkopf. Niederösterreich werde beim Ökostromausbau allerdings „nicht das ersetzen, was andere Bundesländer nicht schaffen.“