Sujet Migranten, anonym, Mann und Frau von hinten auf der Straße
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Coronavirus

CoV-Krise verunsichert Zuwanderer

Menschen mit Migrationshintergrund scheint die Pandemie besonders hart zu treffen. Jobs, die kaum Home-Office ermöglichen, Arbeitslosigkeit, eine Flut an falschen Informationen in den sozialen Netzwerken und Sprachbarrieren sorgen für Verunsicherung.

Im Saal der Begegnung mitten in der St. Pöltner Innenstadt ist es ruhig geworden. Jede Woche haben sich vor der Pandemie im „Diversity Café“ bis zu 100 Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund getroffen, zum Plaudern, aber auch, um Unterstützung zu erhalten. Derzeit finden bestenfalls Einzelgespräche statt. Es zeigt sich, dass die Menschen die Pandemie unterschiedlich erlebt haben.

Nargiza etwa ist Mutter von drei Mädchen und war in ihrer Heimat Kirgistan Lehrerin. In den vergangenen Monaten hat sie eine Ausbildung abgeschlossen und ihre Kinder im Home-Schooling betreut. Einen Job konnte sie in der Krise nicht finden, bedauert sie. Der 22-jährige Jawad aus Afghanistan hingegen ist allein in Österreich. Er besucht eine Fachschule für Sozialberufe. Die Lockdowns belasteten ihn psychisch sehr. „Ich bin allein in Österreich“, erklärte er, „wenn ich meine Freunde nicht treffen kann, dann habe ich niemanden.“ Schlafstörungen waren die Folge, schließlich begann er mit einem Lauftraining. Mozhdeh, eine Modedesignerin aus dem Iran, erinnerte sich hingegen noch an die Angst, die sie vor allem im ersten Lockdown hatte.

Sujet Migranten Social Media, anonym, Finger am Handy
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Viele Migrantinnen und Migranten informieren sich in ihrer Muttersprache über das Coronavirus – die Informationen in Social Media sind aber oft falsch, das sorgt für Verunsicherung

Soziale Netzwerke informieren oft falsch

Denn vor allem die Informationen in ihrer eigenen Muttersprache seien oft nicht korrekt gewesen, so Mozhdeh. „Es gibt persische Informationen auf Instagram, aber die sind immer falsch.“ Jawad spricht und versteht zumindest die deutsche Sprache hervorragend. Wie auch die Übersetzerin Olga informiert er sich regelmäßig in österreichischen Medien über das Geschehen. Dazu reichen bei vielen aber die Deutschkenntnisse nicht.

Deutlich häufiger informieren sich Menschen mit nicht-deutscher Muttersprache nämlich in persönlichen Gesprächen oder in den sozialen Netzwerken. Das hat zuletzt eine Studie der Donau-Universität belegt. Nicht immer sind diese Informationen aber richtig.

In einfacher Sprache das Wesentliche zu erklären, das hat sich der Gründer des Begegnungscafés, Karl Tanzberger, in diesen Tagen zu seiner Aufgabe gemacht. „Wenn ich an mich denke, wer kann mich am besten überzeugen? Der, dem ich vertraue!“ Tanzberger setzt mangels persönlicher Treffen auf eine Whatsapp-Gruppe und auf den Austausch bei zufälligen Begegnungen beim Spazierengehen in der Stadt.

Karl Tanzberger im Gespräch mit Migrantin
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Weil Treffen im St. Pölten Begegnungscafé derzeit kaum möglich sind, versucht Karl Tanzberger derzeit in Einzelgesprächen und bei zufälligen Begegnungen über das Coronavirus zu informieren

Tägliche Online-Beratungen in mehreren Sprachen

Der österreichische Integrationsfonds (ÖIF) ist ebenfalls eine Anlaufstelle für Zugewanderte. Dort gibt es Informationsmaterial in 17 Sprachen und ein spezielles Corona-Beratungsangebot. Am Telefon genauso wie im Internet, dort sogar mehrmals täglich in unterschiedlichen Sprachen.

Für die Migranten und Migrantinnen ist die Teilnahme kostenlos und freiwillig, sie können dort auch direkt Fragen stellen und ihre Informationen überprüfen. Die Nachfrage sei sehr hoch, so Mirela Memic, die Leiterin des Bereichs im ÖIF. „Das was grundsätzlich ein bisschen heraussticht, ist eine gewisse Unsicherheit. Das betrifft etwa die vielen Wege zur Testung oder auch viele Fragen rund um die Impfung.“

Impfung auch in Migrantenkreisen diskutiert

Denn die Impfung gegen das Coronavirus ist so wie anderswo auch ein viel diskutiertes Thema. Die islamische Glaubensgemeinschaft hat die Impfung zuletzt ausdrücklich empfohlen. Der ÖIF will ein eigenes Beratungsprogramm anbieten, das derzeit ausgearbeitet wird.

Rabah Becc, eine Schuldirektorin aus Syrien, die nun halbtags in einem arabischen Lebensmittelladen arbeitet, bemerkt in Gesprächen mit ihren Kunden und Kundinnen, dass „aufgrund der vielen falschen Informationen viele Menschen Angst vor der Impfung haben“. Sie selbst habe sich aber informiert – unter anderem über die Whatsapp-Gruppe des Begegnungscafés – und wolle sich nun impfen lassen, wenn sie an der Reihe ist. Auch Mozhdeh meldete sich und ihren Mann bereits an.

Jawads junge Freunde sprechen hingegen noch wenig über die Impfung. „Wir sind noch zu jung und auch noch nicht dran“, erklärte er im Gespräch mit noe.ORF.at. Dafür ist ein Wunsch umso größer: „Wir wollen wieder ein normales Leben. Fußball spielen, uns treffen. Eben ein normales Leben ohne Corona“. Ein Wunsch, den in Österreich wohl viele Menschen teilen.