Bundesbäuerin Neumann-Hartberger mit Eva Steinkellner-Klein
ORF
ORF
„Ganz persönlich“

Bundesbäuerin: „Ware wird verschleudert“

Irene Neumann-Hartberger ist die neue Vorsitzende der österreichischen Bäuerinnen. Die 46-Jährige will das Bewusstsein für die heimischen Produkte schärfen. Der Preis sei zu niedrig, „die Ware wird teilweise verschleudert“, sagt sie im Interview.

Irene Neumann-Hartberger bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb mit Kalbaufzucht in Stollberg (Bezirk Wiener Neustadt). Sie übernahm ebenso den Betrieb ihrer Eltern und managt daher zwei Betriebe mit ihrem Mann. Seit Anfang 2020 sitzt sie für die ÖVP im Nationalrat. Neumann-Hartberger hat zwei Söhne.

noe.ORF.at: Sie sind die neue Chefin der österreichischen Bäuerinnen. Wie geht es Ihnen damit in einem eher männerdominierten Bereich? Muss man da besonders durchsetzungsfähig sein?

Irene Neumann-Hartberger: Ich denke mit Partnerschaftlichkeit und Diplomatie schlägt man den besseren Weg ein. Landwirtschaft und Agrarbereich sind natürlich gewachsene männerdominierte Bereiche, aber ich glaube, die Frauen sind auf einem guten Weg. Und auch dafür werden wir uns als österreichische Bäuerinnen weiter einsetzen.

noe.orf.at: Wie hat sich denn die Rolle der Frau im Laufe der Zeit verändert?

Neumann-Hartberger: Ich denke sehr gut. Frauen sind über viele Jahre gleichberechtigte Partner auf den Betrieben. Sie sind oft die Mutigeren, die Innovativeren, die über den Tellerrand-Hinausblickenden. Wir haben sehr viele Bereiche in der Landwirtschaft, die von Frauen geleitet werden, wie Urlaub am Bauernhof, Buschenschanken oder Direktvermarktung. Das sind doch eher weiblich dominierte Themen, wo es viel Frauenpower dahinter gibt und wo Frauen auch ihren Mann stehen.

Bundesbäuerin Neumann-Hartberger
ORF
Irene Neumann-Hartberger: „Frauen sind oft die Mutigeren, die Innovativeren, die über den Tellerrand-Hinausblickenden.“

noe.orf.at: Sie übernehmen ihre Funktion in einer schwierigen Zeit. Treffen sind ja nur sehr schwer möglich.

Neumann-Hartberger: Ja es ist schwierig, aber Frauen in der Landwirtschaft sind durchaus mit den neuen Technologien vertraut. Natürlich fehlt besonders in einem Verein oder in einer Gemeinschaft wie der unseren das physische Treffen. Das tut uns weh, aber wir sind sehr positiv. Wir haben den Kopf nicht in den Sand gesteckt oder sind verzweifelt. Nein, wir haben uns online vernetzt und online ausgetauscht und wir sind sehr froh, wenn wir uns wieder physisch treffen können.

noe.orf.at.: Sie haben mir vorher erzählt, Sie hätten seit einem Jahr kein Dirndl mehr angehabt.

Neumann-Hartberger: (lacht). Ja, da ist richtig. Das geht uns auch ab, aber auch da sind wir sehr positiv, dass im Veranstaltungsbereich das Dirndltragen wieder boomen wird.

noe.orf.at: Die Coronakrise hat ja auch wirtschaftliche Auswirkungen. Viele Landwirte sind auf ihren Produkten sitzen geblieben. Ist das ein Thema?

Neumann-Hartberger: Natürlich ist es ein Thema. Es trifft die Branchen unterschiedlich hart. Es sind natürlich die Produkte, die über die Gastronomie und die Hotellerie nicht abgesetzt werden konnten. Man hat auch gesehen, wie eng die Zusammenhänge in einem Wirtschaftssystem eigentlich sind, und auch was Grenzschließungen auslösen können. Aber es gibt auch positive Seiten: Viele Bäuerinnen haben die Direktvermarktung angetrieben und so neue Wege gefunden.

noe.orf.at: Es gibt ja seit Jahren den Trend zur biologischen Landwirtschaft. Ist das zukunftstauglich? Sind die Konsumenten bereit, mehr zu zahlen?

Neumann-Hartberger: Der Teil, der das will, ist mit Sicherheit vorhanden, aber es wird nicht unendlich gehen. Auch die Wertschöpfung, die ein Betrieb lukrieren muss, hat irgendwo Grenzen, wenn der Konsument nicht bereit ist, mehr zu zahlen. Natürlich will er Tierschutz, natürlich will er Umweltschutz, aber beim Griff im Regal ist dann oft doch der Preis ausschlaggebend.

noe.orf.at: Sind die Preise nicht zu niedrig? Wenn man sich Angebote anschaut, etwa ein Kilo Fleisch für drei Euro.

Neumann-Hartberger: Natürlich, das ist ein großes Problem. Das ist natürlich eine Katastrophe für uns Bäuerinnen und Bauern. Wir wissen, wieviel Arbeit hinter jedem Produkt steckt, wieviel Liebe und Einsatz und die Ware wird dann zu solchen Preisen teilweise verschleudert.

noe.orf.at: Wie wollen Sie das verändern?

Neumann-Hartberger: Das ist natürlich auch bei uns Bäuerinnen ein Thema, den Dialog mit den Konsumentinnen und Konsument zu suchen und auch zu führen. Hier auch Bewusstsein zu schaffen, dass dieser Griff ins Regal bewusst funktioniert und nicht wahllos, aufgrund von Hektik und Zeitmangel oder wegen des Preises. Deshalb ist uns auch eine Herkunftskennzeichung so wichtig, die auch in verarbeiteten Lebensmitteln umgesetzt werden sollte. Damit der Konsument erkennen kann, wo das Produkt herkommt, das er in den Einkaufswagen legt.

Bundesbäuerin Neumann-Hartberger mit Eva Steinkellner-Klein
ORF
ORF-NÖ-Redakteurin Eva Steinkellner-Klein (r.) traf Irene Neumann-Hartberger auf ihrem Bauernhof in Stollhof

noe.orf.at: Immer wieder gibt es Kritik an der industriellen Landwirtschaft, Massentierhaltung sei Tierquälerei und Ähnliches. Auch beim Thema Umweltschutz wird oft mit dem Finger auf die Landwirtschaft gezeigt. Verstehen Sie die Kritik?

Neumann-Hartberger: Ich glaube, dass ganz viel Kritik auf Unwissen basiert, auch auf populistischen Meldungen. Wir sind in Österreich ein eher kleinstrukturiertes Land, nicht vergleichbar mit anderen Ländern, die ganz andere Dimensionen, etwa was Tierhaltung betrifft, haben. Und seit dem EU-Betritt sind wir mit einem Agrarumweltprogramm, an dem 90 Prozent der Betriebe teilnehmen, bemüht, umweltgerecht zu wirtschaften. Aber das sind alles Leistungen, die letztlich auch abgegolten werden müssen. Da geht dann die Schere recht schnell wieder auseinander, bei dem was man sich wünscht und was man bereit ist zu zahlen.

noe.orf.at: Fehlt da noch das Bewusstsein?

Neumann-Hartberger: Da sind wir auf einem ganz guten Weg. Das hat auch die Krise bewirkt und ausgelöst. Das gilt es jetzt hochzuhalten und auszubauen. Dazu kommt die Praxis, wieder mehr Zuhause zu konsumieren, wieder selbst mehr zu kochen. Das würden wir uns sehr, sehr wünschen, weil es Wertschöpfung für unsere Betriebe bringt.

noe.orf.at: Wir haben uns in Stollhof getroffen. Da bewirtschaften Sie und Ihr Mann einen Milchviehbetrieb. Und Sie betreiben auch den Hof ihrer Eltern ganz in der Nähe. War für Sie immer klar, dass Sie Bäuerin werden wollen?

Neumann-Hartberger: Ja. Meine Kindheit war geprägt durch Mithelfen im Betrieb. Dadurch, dass ich nur eine jüngere Schwester habe, war schnell klar, dass ich den Hof übernehme. Ich habe auch meine Ausbildung in dieser Richtung gemacht, in der HBLA Sitzenberg mit Matura abgeschlossen. Und dann auch die glückliche Fügung mit meinem Mann. Noch dazu die räumliche Nähe der beiden Betriebe. Das passt alles sehr gut.

noe.orf.at: Wie war denn Ihre Kindheit am Bauernhof?

Neumann-Hartberger: Durchaus arbeitsreich. Mithelfen war oberstes Gebot. Das war für uns aber auch selbstverständlich, wenn man es von klein auf erlebt. Ich möchte aber auch sagen, es war durchaus auch schön, so befreit in der Natur aufzuwachsen. Unsere Freizeit haben wir im Wald und auf den Wiesen verbracht. Ich kann mich gut erinnern: Wir hatten bis zum Jahr 1989 keine Fernseher. Es ist schon noch eine ganz andere Zeit gewesen.

noe.orf.at: Sie haben zwei Söhne, 18 und 25 Jahre alt. Das ist ja nicht immer einfach, die Frage, wer den Hof übernehmen wird. Wie ist das bei Ihnen?

Neumann-Hartberger: Bei uns ist es definitiv der jüngere Sohn. Er macht gerade die Facharbeiterprüfung und hat große Ambitionen den Hof zu übernehmen, vielleicht auch mit anderen Produktionszweigen. Diese Freiheiten seien ihm gegönnt und wir sind sehr stolz und freuen uns wirklich sehr, dass er hier seinen Weg finden wird.