Antragsblatt finanzielle Spontanhilfe
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„Österreich hilft Österreich“

Rotes Kreuz: Armut breitet sich aus

Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit ließen die Zahl jener, die von Armut bedroht sind, österreichweit auf knapp 1,4 Millionen Menschen ansteigen. Das Rote Kreuz hat es seither mit immer mehr Menschen zu tun, die sich Strom- oder Heizkosten nicht mehr leisten können.

Durch die Coronaviruskrise habe sich die Armut auch in der Mittelschicht ausgebreitet, ist man beim Roten Kreuz Niederösterreich überzeugt. Seit Ausbruch der Pandemie stieg die Zahl der Spontanhilfe-Anträge in Niederösterreich im vergangenen Jahr um 30 Prozent, erklärte Josef Schmoll, der Präsident des Roten Kreuzes Niederösterreich, gegenüber noe.ORF.at. Um individuelle Spontanhilfe suchen Menschen an, die ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können – trotz staatlicher Unterstützung.

Bei den Gesundheits- und Sozialen Diensten melden sich zunehmend Menschen, die ihre Wohnungen nicht mehr heizen können, weil der Energieanbieter die Heizung wegen unbezahlter Rechnungen abschalten ließ oder wenn Menschen aufgrund ihrer Mietrückstände Angst vor Delogierung habe, schildert Ursula Spitzbart, Sozialbegleiterin beim Roten Kreuz in Klosterneuburg (Bezirk Tulln). „Gerade über die Wintermonate war Gas und Strom ein Riesenthema bei der individuellen Spontanhilfe. Hier versuchen wir zu unterstützen, damit die Leute ihre Wohnungen heizen können oder damit eine defekte Gastherme repariert werden kann, weil es einfach lebensnotwendig ist, dass man eine warme Wohnung hat.“

Büro Gesundheits- und Soziale Dienste Rotes Kreuz
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Bei den Gesundheits- und Sozialen Diensten des Roten Kreuzes gehen seit der Krise deutlich mehr Anträge auf Spontanhilfe ein

Rotes Kreuz übernimmt Bezahlung von Rechnungen

„Österreich hilft Österreich“

Die Aktion unterstützt Menschen, die durch die Coronavirus-Krise in Not geraten sind.

Spendenkonto
IBAN: AT06 2011 1800 8076 0700
BIC: GIBAATWW

Die Individuelle Spontanhilfe des Roten Kreuzes hilft Menschen in akuten Notsituationen. Weil hinter Notsituation nicht selten weitere psychosoziale Probleme stecken, unterstützen die Mitarbeiterinnen auch durch Beratung, informieren über gesetzliche Ansprüche, vernetzen Betroffene mit anderen Betreuungseinrichtungen und leisten einmalige finanzielle und materielle Überbrückungshilfen.

Bei Bewilligung von individueller Spontanhilfe fließt jedoch kein Bargeld, stattdessen werden etwa Rechnungen beglichen, betont Rotkreuz-Präsident Schmoll. „Im letzten Jahr haben wir 130.000 Euro an Spontanhilfe ausbezahlt. Dazu kommen weitere Leistungen wie beispielsweise Lebensmittelgutscheine oder Gebrauchtgegenstände wie Waschmaschinen.“

Scham und Angst als dauernde Begleiter von Armut

Den Sozialberaterinnen und Sozialberatern zufolge ist die Scham, Hilfe in Anspruch zu nehmen, oft groß. Viele Betroffene kämen erst sehr spät. Andrea Taglieber kennt das Gefühl der Scham aus eigener Erfahrung. Als Inhaberin eines kleinen Lokals, das durch die Pandemie schließen musste, verlor sie nicht nur ihr Einkommen, „es hat mir auch das Geld gefehlt, dass ich den Betrieb erhalten und die Rechnungen zahlen konnte“. Ihre Mappe mit offenen Erlagscheinen wurde immer dicker, die psychische Belastung zugleich immer größer.

Andrea Taglieber
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Andrea Tagliebers Rechnungsberg begleitet sie seit mehr als einem Jahr. Anderen Betroffenen rät sie, ebenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen

Schließlich wandte sie sich ans Rote Kreuz, als sie ihre private Stromrechnung in der Höhe von knapp 200 Euro nicht mehr begleichen konnte. „196 Euro klingt vielleicht nicht nach viel Geld. Aber wenn du wirklich gar nichts mehr hast, sind sogar zehn Euro viel“, erzählt Taglieber beim Besuch von noe.ORF.at. Sie würde allen Menschen in ähnlichen Situationen raten, Hilfe möglichst früh in Anspruch zu nehmen, denn viele scheinbar ausweglose Situationen ließen sich so dennoch bewältigen. „Wenn dir dann jemand die Rechnung zahlt, ist eine Last weg. Man muss nur lernen, Hilfe anzunehmen und darf sich nicht dafür genieren.“

Andrea Taglieber ist nach wie vor in Kontakt mit ihrer Betreuerin in Klosterneuburg. Denn trotz der bevorstehenden Öffnungen in der Gastronomie werden die Folgen der Krise für sie noch länger andauern. Nachdem Tagliebers gepachtetes Lokal zu einer Saunalandschaft gehört, die nach wie vor nicht öffnet, kann sie auch weiterhin mit keinem Einkommen rechnen.