Wirtschaft

Slowakei: Grünes Licht für „Schrottreaktor“

Die slowakische Atomaufsichtsbehörde hat die Inbetriebnahme des dritten Reaktorblocks im Atomkraftwerk Mochovce genehmigt. In Niederösterreich sieht man die Entscheidung als „Chuzpe der Sonderklasse“. Österreich will den Bescheid nun genau prüfen.

Der Reaktorblock „Mochovce 3“ ist seit jeher heftig umstritten. 2019 deckten etwa ehemalige und aktive Ingenieure eine Vielzahl an technischen Mängeln sowie Missmanagement auf. „Aufgrund der grassierenden Korruption ist kein Bauteil und noch nicht einmal ein als Zertifikat ausgegebenes Stück Papier zuverlässig. Die slowakische Atomaufsicht versagt seit vielen Jahren – der slowakische Staat muss im Sinne ganz Europas die Kontrolle über die Baustelle übernehmen“, fordert Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von Global 2000.

Dieser Kritik schloss sich am Donnerstag auch der für Energie- und Umweltagenden zuständige Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) an. Der „Schrottreaktor“ dürfe nicht in Betrieb gehen, „die Sicherheitsrisiken sind viel zu hoch und viele Fragen noch immer komplett offen“. Die Erteilung der Betriebserlaubnis durch die slowakische Atomaufsichtsbehörde nannte Pernkopf „eine Chuzpe der Sonderklasse“.

Atomkraftwerk Mochovce
APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK
Beim Bau des dritten Reaktorblocks in Mochovce wurden immer wieder Berichte über Missstände und Mängel öffentlich

Schlagzeilen über Baumängel

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) kündigte am Donnerstag eine genaue Prüfung der Bescheide an. Der dritte Reaktorblock habe „bereits in der Vergangenheit aufgrund großer Baumängel immer wieder für Schlagzeilen gesorgt“, betonte Gewessler in einer Aussendung. „Solange Bedenken bei den Sicherheitsstandards bestehen, darf das Kraftwerk keinesfalls in Betrieb genommen werden.“

Gewessler will sich dazu auch mit ihrem Amtskollegen in der Slowakei in Verbindung setzen „und unsere Position konsequent darlegen. Denn das AKW Mochovce darf nicht zur Gefahr für Österreich werden.“ Die Umweltschutzorganisation Global 2000 bezeichnete die Betriebserlaubnis für den seit 1985 im Bau befindlichen und rund 100 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernten Atomreaktor als „unverantwortlich“.

Missstände laut Behörde beseitigt

Die slowakische Atomaufsicht ihrerseits versicherte, der Erteilung der Genehmigungen sei eine umfangreiche Inspektions-, Kontroll- und Analysetätigkeit vorangegangen, und zwar in einem Umfang, der den gängigen Standard übersteige, welcher auch bei der Inbetriebnahme der ersten beiden Reaktorblöcke des AKW Mochovce angewendet wurde. Die festgestellten Missstände und Mängel wurden vom Investor beseitigt, hieß es von der Behörde.

Atomkraftwerk Mochovce
APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK
Zwei Reaktorblöcke sind bereits in Betrieb, die anderen beiden sollen bis Jahresende bzw. der Vierte in zwei Jahren ans Netz gehen

Die erteilte Genehmigung werde den betroffenen Seiten mittels öffentlicher Bekanntgabe zugestellt. Danach werden alle Betroffenen die Möglichkeit haben, sich in einer gesetzlichen Frist zu äußern. „Aus legislativer Sicht wird die Aufstockung mit Brennstäben, mit der die Inbetriebnahme der Einrichtung beginnt, erst möglich sein, nachdem die Entscheidung rechtskräftig wird,“ so die UJD.

Atombrennstoff bereits im Lager

Branislav Strycek, der Generaldirektor der Slowakischen Stromwerke SE, dem Betreiber von Mochovce, erklärte der Tageszeitung „SME“ gegenüber, dass der Atombrennstoff bereits im Brennstofflager vorbereitet sei. „Unsere oberste Priorität ist die Sicherheit und so werden wir auch die nächste Phase der Inbetriebnahme angehen. Wir haben jahrzehntelange Erfahrungen mit dem Betrieb von Meilern und ein sehr fähiges Team slowakischer Experten, die diesen ganzen Prozess unter Kontrolle haben werden,“ betonte auch Strycek.

Der neueste Mochovce-Block wird eine Leistung von 471 Megawatt haben, was etwa 13 Prozent des Energiebedarfs des Landes decken wird. Nachdem Mochovce 3 ans Netz geht, wird die Slowakei in der Lage sein, ihren Energiebedarf selbst zu decken. Mit dem definitiven Start des 3. Blocks rechnen die Betreiber (SE) noch vor Jahresende, Block 4 sollte zwei Jahre später in Betrieb gehen.

Ursprünglich hätten die zwei neuen Reaktoren schon 2012 bzw. 2013 ans Netz angeschlossen werden sollen, die Fertigstellung wurde aber immer wieder verschoben. Der Fertigbau von Mochovce soll laut jüngsten Angaben 6,8 Milliarden Euro kosten. Ursprünglich wurde mit Baukosten von nicht einmal 3 Milliarden ausgegangen.