Chronik

Regimekritiker erschossen: Mordprozess

Im Fall um die Bluttat in Gerasdorf (Bezirk Korneuburg) wird es am Landesgericht Korneuburg einen Mordprozess geben. Die Behörden bestätigen einen „Kurier“-Bericht, dem zufolge Anklage gegen den mutmaßlichen Todesschützen Sar-Ali A. erhoben wurde.

Die Geschehnisse nahmen am Abend des 4. Juli des Vorjahres auf einem abseits gelegenen Firmengelände vor den Toren Wiens ihren Lauf. Der tschetschenische Videoblogger Mamichan U. alias Martin B. hatte sich dort mit Sar-Ali A. (47) verabredet, um im Zuge eines Tauschgeschäfts eine Waffe zu erwerben.

Martin B. hatte sich davor als vehementer Kritiker des tschetschenischen Regionalpräsidenten Ramsan Kadyrow hervorgetan, den er auch auf seinem Blog beschimpft hatte. Ahmed A. fungierte über längere Zeit hinweg als Bodyguard des Videobloggers und war auch in Gerasdorf mit dabei. Der Begleiter versteckte sich dort in Absprache mit Martin B. etwas abgelegen hinter einem Fahrzeug. Dort positioniert, war Ahmed A. außerstande, rechtzeitig einzugreifen, als Sar-Ali A. eine Waffe gezogen und auf Martin B. gefeuert haben soll.

Tatort in Gerasdorf bei Wien
ORF / Gernot Rohrhofer
Auf diesem Firmengelände in Gerasdorf soll es im Vorjahr zu der Tat gekommen sein

Wie der „Kurier“ mit Verweis auf die Anklageschrift berichtete, stieg Sar-Ali A. auf dem Firmengelände ins Auto zu Martin B. und schoss mit einer Pistole aus geringer Entfernung auf den Mann. Der Angeklagte war bisher nicht geständig, wird aber unter anderem durch Schmauchspuren, die sich auf seiner Kleidung befunden hatten, belastet. Zudem wurde die DNA von Sar-Ali A. im Wagen des Opfers entdeckt.

Zweiter Prozess rund um Bluttat

Zu rechnen ist damit, dass der Mordprozess in Korneuburg von strengen Sicherheitsvorkehrungen begleitet werden wird. Das war auch bereits der Fall, als am 8. April Bodyguard Ahmed A. im Zusammenhang mit den Geschehnissen in Gerasdorf wegen versuchten Mordes – nicht rechtskräftig – zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde.

Angelastet wurde dem 37-Jährigen, er habe den flüchtenden mutmaßlichen Mörder erschießen wollen, nachdem dieser B. getötet hatte. Aufgrund eines Defekts der Pistole von Ahmed A. löste sich allerdings kein Schuss. Die Rechtfertigung des Angeklagten, auf die Reifen des Fluchtwagens gezielt zu haben, ließen die Geschworenen nicht gelten – mehr dazu in Gerasdorf: 14 Jahre Haft für Leibwächter (noe.ORF.at; 8.4.2021).