Drei Grand Slams, fünf Einzel- und 17 Doppel-Turniersiege – Jürgen Melzer gilt neben Thomas Muster und Dominic Thiem als einer der besten Spieler in Österreichs Tennisgeschichte. Seine erfolgreichsten Jahre erlebte er 2010 und 2011, in denen er mit Rang acht nicht nur seine beste Platzierung in der Weltrangliste erreichte, sondern auch die „Big Three“ Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic besiegen konnte.
Im Gespräch mit noe.ORF.at lässt Melzer seine bisherige Karriere anlässlich seines 40. Geburtstags Revue passieren, verrät seine Ziele im heimischen Verband und den Fahrplan für seine letzte Saison im Profitennis.
noe.ORF.at: Herr Melzer, Sie haben 1999 Ihr Profidebüt auf der ATP-Tour gegeben, zu einer Zeit, als noch Größen wie Pete Sampras oder Andrew Agassi die Weltrangliste angeführt haben. Nach über 20 Jahren können Sie auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. Welche Leistungen zählen für Sie zu den wichtigsten?
Jürgen Melzer: Es ist schwierig, etwas hervorzuheben, aber besonders gern denke ich an das Erreichen des Halbfinales in Paris im Einzel 2010 zurück (nach einem Fünfsatzsieg über Novak Djokovic, Anm.). Unvergessen sind auch die beiden Heimsiege in Wien. Im Doppel stechen die Grand Slams heraus. Aber auch, dass ich mich letztes Jahr in doch fortgeschrittenem Alter in das Finale der World-Tour-Finals gespielt habe, ist ein absoluter Höhepunkt. Dazu kommt der Davis-Cup, der mir persönlich immer ein besonderes Anliegen war. Ich habe gern den ÖTV-Anzug angezogen, und dass ich Österreichs Rekordspieler bin, macht mich nach wie vor sehr stolz.
noe.ORF.at: Gerade in der besten Phase Ihrer sportlichen Laufbahn wurden Sie durch Verletzungen zurückgeworfen. Nach den großen Turniersiegen kam dann eine Zeit, in der Sie lernen mussten, mit Rückschlägen umzugehen. Wäre ohne Verletzungspech sportlich noch mehr möglich gewesen? Wie sehr hat dieser Weg Ihre weitere Karriere beeinflusst?
Melzer: Ich war in meiner Karriere lange verletzungsfrei und habe dafür nach 30 einiges nachgeholt. Mein größtes Problem war, dass ich mir genau in meiner besten Zeit, 2011, als ich Achter der Weltrangliste war, einen Bandscheibenriss zugezogen habe. Der wurde in der Öffentlichkeit nie groß diskutiert und auch erst vier Jahre später richtig diagnostiziert. Ich hatte damals Tage, an denen ich mir nicht einmal die Socken anziehen konnte. Wäre mir diese lange Ursachensuche erspart geblieben, wäre mehr möglich gewesen.
Aber so war es ab Madrid 2011 sehr schwierig, konstant auf höchstem Niveau zu spielen. Ich habe zwar auch danach noch die Turniere in Memphis und Winston-Salem gewonnen, konnte aber nie mehr das volle Trainingspensum fahren. Ich musste auch meinen Aufschlag ändern, weil Bewegungen mit Hohlkreuz nicht mehr möglich waren. Die Schulterverletzung danach wurde gut operiert und war rückwirkend betrachtet nicht das Problem. Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Wäre ich jetzt wieder im Jahr 1999 zu Beginn meiner Laufbahn und jemand würde mir sagen, dass ich die Nummer acht der Welt werde, würde ich das sofort unterschreiben.
noe.ORF.at: Seit Anfang des Jahres sind Sie Sportdirektor im Österreichischen Tennisverband und können selbst den Nährboden für künftige Generationen mitbestimmen. Günter Bresnik hat Sie zuletzt als akribischen Arbeiter gelobt, der zeitlich sehr viel investiert und bei dem er das Gefühl hat, dass etwas „weitergeht“. Wie sehen Sie Ihre Rolle und wie definieren Sie Ihre kurzfristigen und langfristigen Ziele im heimischen Tennissport?
Melzer: Der Job als ÖTV-Sportdirektor ist sehr zeitaufwendig. Vor allem zu Beginn musste ich mich zuerst einarbeiten und bin viel durch Österreich gereist, um mir ein Bild über den aktuellen Zustand machen zu können. Ein Lob von Günter Bresnik ist immer schön, denn der haut das nicht einfach so heraus. Für mich ist einfach wichtig, dass ich den Job mit 100 Prozent angehe, und das verdient sich etwa unser Nachwuchs auch.
Das Ziel ist eindeutig, dass wir wieder mehr Jugendliche in die Weltspitze bringen wollen. Als ich selbst noch Jugend-Grand-Slams gespielt habe, waren wir manchmal zu sechst bei einem Turnier. Heute müssen wir froh sein, wenn wir überhaupt vertreten sind. Wir wollen das Training im Jugendbereich weiter professionalisieren. Früchte trägt das Ganze dann frühestens in drei bis fünf Jahren, denn Tennisspieler lassen sich nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen.
noe.ORF.at: Das Ende Ihrer eigenen aktiven Karriere liegt trotz allem auch noch in der Zukunft. Innsbruck wird im November neben Madrid Austragungsort des Davis-Cup-Finalturniers sein. Davor steigen die Olympischen Spiele in Tokio, die Sie eventuell im Doppel gemeinsam mit Dominic Thiem bestreiten werden. Was haben Sie denn heuer noch vor?
Melzer: Mein Ziel ist, dass ich als Abschiedstournee alle Grand Slams im Doppel noch ein letztes Mal spiele und auch Olympia mit Dominic bestreite, und das am liebsten wieder vor Zuschauern. Nachdem Alex Peya noch verletzt ist, bilden Philipp Oswald und Oliver Marach gemeinsam ein Doppel, ich würde mit Dominic ein zweites bilden. Ich habe ihn gefragt, er hat sofort zugesagt. Ich bin noch immer 21. im Doppel-Ranking und qualifiziert, nehme also niemandem etwas weg. Bei den French Open werde ich mit dem Spanier Marc Lopez antreten. Danach hängt auch viel davon ab, was Philipp Petzschner gesundheitlich draufhat. Auch Peya wäre eine Option, wenn er wieder zurückkommt.
noe.ORF.at: Und im Doppel in Innsbruck? Oder haben Sie als Österreichs Rekord-Davis-Cupper nach 78 Einsätzen genug? Jimmy Connors hat sich erst mit 43 Jahren aus dem Profitennis verabschiedet. Da hätten Sie ja noch Zeit.
Melzer: Ich habe für mich bereits die Entscheidung getroffen, nach diesem Jahr meine Karriere endgültig zu beenden. Innsbruck wird hoffentlich ein Tennisfest vor vielen Fans. Dass ich dort zum Schläger greife, sehe ich eher nicht, denn wir haben mit Marach, Oswald und vielleicht auch Peya eine gute Auswahl an Doppelspielern. Sollte sich jemand verletzen, springe ich natürlich gerne ein. Aber ich wünsche allen, dass sie fit in dieses Highlight gehen können.