FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl während einer Prssekonferenz im Februar 2018
APA/HERBERT PFARRHOFER
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Politik

Amtsmissbrauch: Anklage gegen Waldhäusl

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erhebt Anklage gegen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Konkret geht es um den Verdacht des Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen in einem Asylquartier in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach).

Der Asyllandesrat selbst bestätigte am Freitagvormittag gegenüber dem ORF Niederösterreich, dass die Anklageschrift seinem Verteidiger, dem Wiener Rechtsanwalt Manfred Ainedter, zugestellt wurde – für Waldhäusl nicht überraschend: „Es hat sich abgezeichnet, dass diese Schritte kommen werden.“ Waldhäusl sei sogar froh, „dass die Sache nach jahrelangen Untersuchungen und Einvernahmen jetzt endlich erledigt wird“.

Waldhäusl rechnet mit einem Freispruch

Die Ermittlungen gegen Waldhäusl wurden eingeleitet, nachdem er in Drasenhofen Flüchtlinge in einer Asylunterkunft unterbringen ließ, bei der unter anderem ein Stacheldraht angebracht worden war. Erst vor Kurzem hatte das Landesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Unterbringung rechtswidrig war – mehr dazu in Drasenhofen: „Unterbringung rechtswidrig“ (noe.ORF.at; 19.5.2021).

Neben Waldhäusl wird sich auch eine Beamtin vor dem Landesgericht in St. Pölten verantworten müssen. Einen Prozesstermin gibt es noch nicht. Der Landesrat rechnet mit einem Freispruch und geht davon aus, „dass die Wahrheit bewiesen wird, dass ich nichts Falsches gemacht habe und dass alles in Ordnung war“.

„Es gibt keinen Grund für einen Rücktritt“

Er habe damals „im Interesse der niederösterreichischen Bevölkerung und der Sicherheit der Menschen gehandelt“, und er würde wieder so handeln: „Ja, ich würde wieder so handeln müssen, wenn wir junge Männer haben, die straffällig sind und die wir nicht mehr versorgen können. Denn Tatsache ist, dass wir immer wieder Asylwerber haben, die wir aufgrund von Wegweisungen nicht mehr versorgen können, obwohl wir den gesetzlichen Auftrag dazu haben.“

Einen Rücktritt schließt Waldhäusl aus: „Es gibt auch keinen Grund für einen Rücktritt. Ich kann meine Arbeit weiterhin ordentlich machen. Es wird in der Woche der Verhandlung genau zwei Tage geben, an denen ich weniger im Büro, sondern mehr bei Gericht bin, und damit ist das erledigt.“

Schaltung zu Asyllandesrat Waldhäusl

„NÖ heute“-Moderatorin Claudia Schubert befragt Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) zur Anklage wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs.

Waldhäusl sieht auch keine Notwendigkeit, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zurücktritt, sollte gegen ihn ein Strafantrag eingebracht werden: „Ich glaube nicht, dass er zurücktreten wird, wieso sollte er? Die Unschuldsvermutung gilt in Österreich bis zur Verurteilung, und das ist auch das Recht eines jeden Politikers.“ Andere FPÖ-Politiker hatten zuletzt den Kanzler angesichts der jüngsten Ermittlungen zum Rücktritt aufgefordert. „Ich kann nur sagen, wie ich es sehe, und dazu stehe ich“, so Waldhäusl.

Ermittlungen wegen Freiheitsentzuges

Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen 2019 nach einer Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien an die WKStA. Damaligen Angaben zufolge wurde dem FPÖ-Politiker und einer leitenden Landesbeamtin Amtsmissbrauch „im Sinne eines Freiheitsentzugs ohne entsprechende Rechtsgrundlage“ angelastet.

Die Vorwürfe beziehen sich auf Geschehnisse vom November 2018. Damals hatte Waldhäusl jugendliche Flüchtlinge in einem Asylquartier in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) unterbringen lassen. Bei dem Quartier wurde auch ein Stacheldraht angebracht. Waldhäusl warf den Flüchtlingen vor, „notorische Unruhestifter“ zu sein.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft NÖ kam zu dem Schluss, dass das Asylquartier „aus jugendrechtlicher Sicht nicht geeignet“ sei. Auch Jugendliche im Asylverfahren und solche mit rechtskräftig negativem Asylbescheid „haben – so wie alle anderen Jugendlichen – ein Recht auf adäquate jugendgerechte Betreuung, auch wenn ihnen Fehlverhalten vorgeworfen wird“, hieß es weiter. Die minderjährigen Flüchtlinge wurden daraufhin verlegt und das Quartier geschlossen.

WKStA: Wohnbedürfnis „menschenunwürdig gedeckt“

Seitens der WKSta hieß es am Freitag: „Im Wesentlichen wird den beiden Beschuldigten zur Last gelegt, unbegleitete minderjährige Fremde rechtswidrig in einer unter Berücksichtigung der Grundsätze des Kindeswohls ungeeigneten Unterkunft untergebracht zu haben. Konkret sollen die elementaren Wohnbedürfnisse gesetzwidrig unter anderem infolge Errichtung eines Stacheldrahtzaunes in nur menschenunwürdiger Weise gedeckt worden sein.“

Einer Person werde außerdem die Fälschung eines Beweismittels und Verleumdung vorgeworfen, „weil sie im Ermittlungsverfahren der WKStA ein Beweismittel unvollständig vorlegt hat und dadurch den tatsachenwidrigen Eindruck entstehen ließ, eine andere Person habe die amtsmissbräuchlichen Entscheidungen beim Projekt Betreuungseinrichtung Drasenhofen mitzuverantworten“, wurde in der Pressemitteilung betont.

Der Wiener Anwalt Georg Zanger sprach am Freitag von einem dornigen Weg bis hin zur Anklage. Er vertritt die Interessen der jungen Männer, die in Drasenhofen untergebracht waren, und erstattete damals Anzeige. „Mir ist es wichtig, dass so etwas nicht mehr passiert. Die Freude, dass es zu einer Anklage gekommen ist, ist deshalb groß“, sagte er gegenüber noe.ORF.at

NEOS und Grüne fordern Entzug von Asylagenden

NEOS-Landessprecherin Indra Collini sieht nach der Anklageerhebung gegen Waldhäusl endgültig die rote Linie überschritten. „Ein Politiker, der im Verdacht steht, sein Amt missbraucht zu haben, kann nicht schulterzuckend zur Tagesordnung übergehen und dieses Amt weiter ausführen“, so Collini in einer Aussendung. „Dass es in dieser Causa Konsequenzen braucht, sollte in einer entwickelten Demokratie vollkommen selbstverständlich sein.“ Sie forderte Konsequenzen von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), diese solle dem FPÖ-Politiker die Asylagenden entziehen.

Auch die grüne Landessprecherin Helga Krismer verlangte von der Landeshauptfrau, Waldhäusl wesentliche Agenden wie Flüchtlings- und Fremdenangelegenheiten, Grundversorgung und Koordination der Integrationsangelegenheiten zu entziehen. Zudem forderte sie Waldhäusl zum Rücktritt auf.

Mikl-Leitner: „Gerichte entscheiden über Schuld“

Mikl-Leitner teilte in einer Reaktion auf die Anklageerhebung gegen Waldhäusl auf APA-Anfrage mit: „Gerichte allein entscheiden, wer schuldig ist und wer nicht – bis dahin gilt jede Bürgerin und jeder Bürger als unschuldig. Das muss für alle Menschen in unserem Land gleichermaßen gelten. Auch wenn das manchen nicht gefallen mag – und auch für Politiker, deren Meinungen man nicht immer teilt.“

ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner erklärte: „Wer das Landesratsmandat besetzt, das die FPÖ durch ihr Wahlergebnis erhalten hat, kann nach unserer Landesverfassung nur die FPÖ selbst entscheiden.“ Die politischen Konsequenzen seien bereits 2018 gezogen worden, „als das Quartier umgehend aufgelöst wurde“.

SPÖ fordert Rücktritt, FPÖ steht hinter Waldhäusl

Für SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar hätten „die unmenschlichen Vorgänge rund um das Stacheldraht-Heim Drasenhofen allein schon gereicht, um einen Politiker mit Anstand zum Rücktritt zu bewegen“. Dass die Justiz nun wegen Amtsmissbrauchs Anklage erhebt, „schlägt dem Fass aber den Boden aus“. Für Waldhäusl gelte nun "dasselbe wie für Blümel und Kurz – ein Rücktritt ist die einzige Option“, meinte Kocevar – auch, um Schaden von der Landesregierung abzuwenden.

Die Causa um WKStA-Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz in Zusammenhang mit dem Ibiza-U-Ausschuss ist hingegen laut FPÖ-Niederösterreich-Landesparteichef Udo Landbauer nicht mit Drasenhofen vergleichbar: „Sebastian Kurz hat aus Eigeninteresse gelogen und Landesrat Waldhäusl hat gehandelt, um die eigene Bevölkerung vor straffälligen Asylanten zu schützen“, so Landbauer.

Weiters sagte er gegenüber noe.ORF.at: „Jeder der notorischen Unruhestifter, die für Drasenhofen vorgesehen waren, hatte etwas auf dem Kerbholz. Das sind nicht die viel gepriesenen braven Burschen, sondern vielfach Straftäter, die wegen schwerer Körperverletzung, sexueller Belästigung, Drogenhandel und unzähligen Vergehen in Jugendstrafsachen verurteilt worden sind.“ Gottfried Waldhäusl hätte im Namen der Sicherheit der eigenen Bevölkerung gehandelt.

Auch FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer gab Waldhäusl „volle Rückendeckung“. Das Verfahren hindere ihn keinesfalls, „seine Geschäfte ordnungsgemäß fortzuführen“. Politisch und aus der Perspektive der Menschen im Land betrachtet, sei die damalige Vorgangsweise „nach bestem Wissen und Gewissen getroffen worden“. „Ein Landesrat für das Asylwesen muss eine Unterbringung von Asylwerbern sicherstellen, darf aber gleichzeitig nicht auf das Allgemeinwohl vergessen“, meinte Hofer in einer Aussendung.

Tiroler FPÖ-Chef fordert Rücktritt Waldhäusls

Der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger forderte Freitag Abend hingegen den Rücktritt seines niederösterreichischen Parteifreundes Waldhäusl. „Anklage bedeutet für mich Rücktritt ohne Ausrede und Rechtfertigung“, sagte Abwerzger der „Tiroler Tageszeitung“. Das Mindeste wäre, die Funktion ruhend zu stellen. „Wenn man bei Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel – zu Recht – einen Rücktritt fordert, dann muss man auch im eigenen Haus konsequent sein. Sonst wird man unglaubwürdig“, sagte Abwerzger.