Historikerin Julia Köstenberger, Radfahren, Iron Curtain Trail
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Freizeit

Radfahren entlang des „Eisernen Vorhangs“

Der „Eiserne Vorhang“ teilte Europa über 40 Jahre in West und Ost. Wer sich heute mit dem Fahrrad entlang der alten Grenzen am „Iron Curtain Trail“ bewegt, kann Geschichte und Natur in beeindruckender Vielfalt erleben.

Der Iron Curtain Trail ist ein knapp 10.000 Kilometer langer Radweg, der entlang des ehemaligen „Eisernen Vorhangs“ von Norwegen bis ans Schwarze Meer verläuft. Die Historikerin und Buchautorin Julia Köstenberger forscht seit 2012 zu den Grenzregionen und hat seit damals 3.600 Kilometer mit dem Rad zurückgelegt.

„Mich fasziniert am Iron Curtain Trail, dass man die Geschichte vor Ort sehr stark spürt. Entlang dieser Strecke findet eine Wiederentdeckung von Nachbarregionen, der Nachbarn an sich statt. Alte Verbindungen werden wieder hergestellt, man schnappt Teile der anderen Sprache auf und lernt etwas über die verschiedenen Sichtweisen auf Geschichte“, beschreibt Köstenberger das Besondere dieser Grenzregionen.

Historikerin Julia Köstenberger, Radfahren, Iron Curtain Trail
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Köstenberger an der Brücke in Hardegg (Bezirk Hollabrunn), einem der historisch bedeutendsten Orte der Strecke

Europas beste Radroute 2021

Der etwas mehr als 400 Kilometer lange Streckenabschnitt in Niederösterreich, Tschechien und der Slowakei (von Gmünd bis Bratislava) wurde zur „Fahrradroute des Jahres 2021“ gekürt. Seit vielen Jahren zeichnet eine Jury im Rahmen der Wander- und Radmesse „Fiets en Wandelbeurs“ in den Niederlanden die beste Radroute Europas aus.

Für die Historikerin kommt die Auszeichnung nicht überraschend. „Der Iron Curtain Trail ist eben nicht nur die Geschichte des Eisernen Vorhangs. Für die Regionen ist das natürlich außerordentlich wichtig, doch die Grenzregion an sich kann so viel mehr erzählen – gerade die Grenzziehungen im 20. Jahrhundert und ihre Auswirkungen, etwa auf die Infrastrukur, besonders die Verkehrswege. Die sind beispielsweise nicht mitgewachsen, sie sind hier viel schmäler, weil kein Austausch stattfinden konnte“, beschreibt Köstenberger.

Grafik zeigt den Verlauf des Iron Curtain Trails
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Die Historikerin ändert für die Tour mit dem ORF Niederösterreich die offiziellen Route etwas ab. Sie führt uns ausgehend von Drosendorf, vorbei am Erholungsgebiet Langau (beides Bezirk Horn) bis nach Hardegg. Das kleine Zollhaus an der geschichtsträchtigen Brücke bietet eine kleine, frei zugängliche Ausstellung. Ziel unserer Tour ist die Windmühle in Retz (Bezirk Hollabrunn). Der Abschnitt in Niederösterreich ist nicht nur historisch beachtlich, sondern auch aufgrund seiner Vegetation.

„Ein Erbe des Eisernen Vorhangs ist, dass sich die Natur an vielen Stellen erholen und weiter gedeihen konnte. Damit wurde er bildlich gesprochen vom Eisernen Vorhang zum ‚Grünen Band‘. Der Nationalpark Thayatal ist dabei einer der schönsten Orte. Dieser Bereich ist deswegen so vielfältig, weil wir hier einen Übergang zwischen pannonischem und altlantischem Klima haben“, gerät Köstenberger an der Stelle ins Schwärmen. Der Iron Curtain Trail bietet also Radtouristen und Naturliebhabern ebenso viele Anreize, wie historisch interessierten Personen.