Klima Test Paris-Baden
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Umwelt

Familien testen Pariser Klimaziele im Alltag

20 Familien sind dem Aufruf der Klimamodellregion Baden gefolgt: Sie machen den Praxistest, ob die Klimaziele von Paris im Badener Alltag auch schon 2021 möglich sind. Doch schon eine erste Zwischenbilanz zeigt, dass die Ziele schwer zu erreichen sind.

In der Stadt Baden – einer von etwa 100 Klimamodellregionen in Österreich – wurde im März ein CO2-Reduktionsprojekt gestartet. Bei diesem Experiment konnten 20 Familien versuchen, ihr alltägliches Leben so weit zu verändern, dass sie die Klimaziele von Paris für ihren Haushalt erreichen. Der CO2-Verbrauch wird dabei per Handy-App in Punkten gezählt. Das Ziel sind 100 Punkte.

In einem ersten Schritt wurde dazu der Ausstoß von klimawirksamen Gasen (angegeben CO2-Äquivalente) jedes teilnehmenden Haushalts analysiert und auf jedes Haushaltsmitglied umgelegt. Basis sind die gesamten CO2-Emissionen des Jahres 2019, die anhand der App „Ein guter Tag hat 100 Punkte“ erfasst wurden. 100 Punkte ergeben umgerechnet das tägliche Budget von 6,8 kg CO2.

Das ist jene Menge, die pro Mensch und Tag ausgestoßen werden darf, um unsere Welt und unser Klima im Gleichgewicht zu halten. Wer mehr braucht, lebt auf Kosten von Menschen in anderen Regionen oder künftiger Generationen. Im Durchschnitt braucht derzeit ein Österreicher bzw. eine Österreicherin jedoch 450 Punkte oder 31 Kilogramm CO2 pro Tag.

Familien drehten an vielen Schrauben

Die Badener Familien starteten im Durchschnitt bei 247 Punkten. Der Testlauf wirkte sich jedoch positiv aus, etwa bei Familie Kalina. Mit zwei Erwachsenen, zwei studierenden Kindern und zwei Kindern im Schulalter schaffte sie es, von 400 auf 118 Punkte herunterzukommen. Der hohe Startwert ergab sich aus einer Flugreise im Jahr 2019. „Mich und meine Freundin hat dieser Flug wenig gekostet, die Umwelt aber sehr viel“, gesteht sich Elisabeth Kalina nun ein, sensibilisiert im Umgang mit CO2-Werten.

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Familie Kalina stellte vor allem die Ernährung auf vegan und vegetarisch um

„Wir haben dann unsere Ernährung auf vegan und vegetarisch umgestellt, haben das E-Auto des Carsharings in Baden benutzt und haben viele Wege mit dem Rad oder zu Fuß erledigt. So sind wir auf den traumhaften Wert von 98 Punkten gekommen, aber unsere drei Katzen und der Hund haben uns 20 Punkte gekostet“, lautet das Resümee von Elisabeth Kalina. Da die Haustiere Fleischfresser sind, ging der Wert wieder nach oben.

Auf Flugreisen soll im Wesentlichen in Zukunft verzichtet werden, wenn doch, dann soll ein Stück Regenwald als Kompensation gekauft werden. Die beiden studierenden Töchter wollen das E-Auto- und Foodsharing in Baden auch nach dem Testmonat weiter benutzen. Das Wort Verzicht möchte Magdalena Kalina, die älteste Tochter, nicht gelten lassen, es sei mehr eine Umstellung der Gewohnheiten. Die Familie, so Elisabeth Kalina, habe in diesen 31 Tagen des Experiments trotz des Einkaufs spezieller Biolebensmittel sogar weniger Geld gebraucht als davor.

Verzicht auf den nächsten Autokauf

Auch Familie Scheider-Fersterer nahm an dem Experiment teil. Sie wohnt in einem erst fünf Jahre alten Passivhaus. Daher lag ihr Schwerpunkt bei der Reduktion des persönlichen CO2-Verbrauchs vor allem bei der Mobilität. Ihr Fazit nach diesem Monat: „Das Auto stehenzulassen, ist uns leichter gefallen als gedacht. So wie es derzeit aussieht, werden wir auf das nächste Auto verzichten.“ Bahnfahrten, Benutzung der Fahrräder und Carhharing lauten die Alternativen, die in diesem Monat ausprobiert wurden. Thomas Scheider würde sich allerdings wünschen, dass im Carsharing mehr Transporter zur Verfügung stünden.

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Familie Scheider-Fersterer ließ das Auto stehen und nutzte stattdessen die Bahn oder das Fahrrad

Familie Scheider-Fersterer schaffte in diesem Experiment 125 Punkte, die magischen 100 seien nur sehr schwer zu erreichen, erklärte Johanna Fersterer: „Man startet bereits mit einem 30-Punkte-Rucksack, nur weil man in Österreich lebt und Österreich diesen hohen Lebensstandard, diesen Energie- und Ressourcenverbrauch aufweist und beim Co2-Ausstoß weit vorne liegt.“ Es brauche daher eine gesamtgesellschaftliche Lösung des Problems, ist der Initiator der Idee „Paris-Baden“, Gerfried Koch überzeugt. Er ist Energiebeauftragter der Stadt und Manager der Klimamodellregion Baden.

„Braucht alle Hebel der Gesellschaft“

Die vorläufige Endauswertung ergab, dass die 20 Badener Familien den Durchschnittsstartwert von 247 Punkten auf 158 im Gesamtschnitt drücken konnten. „Eine Reduktion um 38 Prozent, das ist mehr, als wir erwartet haben, und ein sensationelles Ergebnis“, freute sich Koch. „Es zeigt sich, dass der und die Einzelne viel bewirken kann. Es braucht aber, damit Österreich und auch alle anderen Staaten die Klimaziele erreichen, große Anstrengungen auf allen Ebenen der Gesellschaft. Handel, Industrie, Transportwesen, Landwirtschaft, alle müssen mitarbeiten, damit die Klimaziele von Paris zu schaffen sind.“

Mit dem Experiment zeigte sich Koch sehr zufrieden und lobte die Leistungen der 63 Testteilnehmer: „Wir sind mit einem Durchschnittswert von 247 Punkten gestartet, nach zwei Wochen Testphase erreichten wir 179 Punkte und am Ende des einmonatigen Tests lagen wir im Schnitt bei 153 Punkten. Da waren auch verbindliche Vorsätze für das kommende Jahr drin, wie zum Beispiel Heizungsumstellung, weniger oder keine Flugreisen vereinbart oder die Anschaffung eines E-Autos. Bei der Mobilität haben wir eine Reduktion von durchschnittlich 106 Punkte auf 31 Punkte geschafft.“