Während zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 noch einzelne Coronavirus-Fälle gezählt und vor allem der sogenannte R-Faktor – die Reproduktionszahl – betrachtet wurde, rückte der Blick nach dem Sommer auf die Sieben-Tage-Inzidenz. Die Kennzahl bildet das Infektionsgeschehen der vergangenen Woche ab und drückt aus wie viele Neuinfektionen es pro 100.000 Einwohner in einem gewissen Gebiet gab. Anfang Oktober lag der Wert im Schnitt bei 68,4 in Niederösterreich.
Der absolute Höchststand wurde in Niederösterreich am 12. November erreicht. Da hatte sich die Inzidenz binnen eines Monats mit einem Wert von 405 etwa versechsfacht. Ende November sank die Zahl erstmals in Niederösterreich wieder unter 300 – jedoch nur im Durchschnitt. Einzelne Bezirke lagen kurzfristig weit darüber – der Höchstwert war am 22. November mit 949 in Scheibbs.
Sieben-Tage-Inzidenz teilweise bei null
Das Gesundheitsministerium definierte später eine Inzidenz von 400 als besonders kritisch und reagierte mit Ausreisekontrollen. Erstmals in Kraft trat diese Maßnahme in der Stadt Wiener Neustadt. Ab 13. März durfte sie nur noch mit negativem Testergebnis verlassen werden. Damals lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 523,8, heute liegt sie in der Statutarstadt bei 8,7. Zwei Bezirke erreichten zuletzt sogar für einzelne Tage eine Inzidenz von null – Waidhofen an der Ybbs und Waidhofen an der Thaya.
Gespräch mit Epidemiologe Gartlehner
Epidemiologe Gerald Gartlehner spricht über die Entwicklung der CoV-Lage in Österreich.
All das stimmt auch den Epidemiologen Gerald Gartlehner zuversichtlich. „Jetzt im Sommer werden wir es schon deutlich leichter haben als in den vergangenen Monaten“, sagte der Experte von der Donau-Uni Krems am Dienstag in „NÖ heute“, „aber das Coronavirus wird nicht so schnell verschwinden.“ Der starke Rückgang der Infektionszahlen liege vor allem am „saisonalen Effekt“. „Wir kennen das von anderen Coronaviren, die im Sommer zurückgehen, aber nie ganz verschwinden. Deshalb gibt es auch Sommergrippen, aber deutlich weniger. Und ich glaube, dass sehen wir jetzt auch“, so Gartlehner.
Herdenimmunität wird wohl erst 2022 erreicht
Im Frühjahr hieß es noch, dass etwa 60 Prozent der Bevölkerung geimpft sein muss, damit man eine Herdenimmunität erreicht. Laut neuesten Aussagen der Wissenschaft verschob sich dieser Wert auf etwa 80 Prozent. Gartlehner begründet das mit der Virusmutante B 1.1.7., „die ansteckender ist als die alte Variante.“ Deshalb werde man die Herdenimmunität auch erst bis nächstes Jahr erreichen, „wenn mehr Leute die Erkrankung durchgemacht haben oder geimpft sind.“
Für den kommenden Herbst erwartet der Experte deshalb wieder ein Ansteigen der Infektionen, was auch wieder zu einer höheren Auslastung der Intensivstationen führe, „aber wir werden keine Lockdowns mehr brauchen, wenn nicht irgendwelche neuen Virusvarianten auftauchen.“ Für den Sommer rechnet Gartlehner noch mit weiteren Lockerungen, „der wesentliche Punkt ist, dass es stufenweise erfolgt, damit man das auch gut monitoren kann.“