Fahnen vor dem Stift Göttweig
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Politik

Europa-Forum: Appelle für EU-Erweiterung

Beim Europa-Forum Wachau im Stift Göttweig legten Politiker mehrerer EU-Staaten am Freitag ein Bekenntnis zur EU-Erweiterung um die Westbalkan-Staaten ab. Mit der Bekämpfung der Pandemie zeigte man sich trotz anfänglicher Schwierigkeiten zufrieden.

Anze Logar, der Außenminister Sloweniens, das im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, versprach den Einsatz seines Landes, was die EU-Erweiterung um die Westbalkan-Staaten betrifft, und kündigte für Anfang Oktober einen Gipfel an, denn: „Die Westbalkan-Staaten sind der Vorhof von Europa.“

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„Europa-Forum Wachau – Auf dem Weg zu neuen Horizonten“, 14.6.2021, 9.00 Uhr, ORF III

Bezüglich der konkreten Zielsetzungen des künftigen slowenischen EU-Vorsitzes äußerte sich Logar zurückhaltend. „Lieber weniger versprechen und mehr abliefern“, betonte der Minister. Slowenien wolle „ein ehrlicher Makler“ sein und klare Perspektiven bieten. Er erinnerte daran, dass die Westbalkan-Region für Slowenien seit langem ein Anliegen war und ist. Die Bürger der betreffenden Staaten sähen in der EU eine Perspektive. Beim geplanten Gipfel sei ein eindeutiger Weg gefordert.

Schallenberg: „Europa darf Westbalkan nicht vergessen“

Die kosovarische Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz unterstrich ihrerseits: „Die Chancen liegen in einem vereinten Europa. Die Balkanstaaten gehören dazu.“ Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach von einer „historischen Notwendigkeit des Miteinander“. Die EU müsse handeln, andernfalls würden Staaten wie die Türkei, Russland oder China auf den Plan treten. Nordmazedonien und Albanien hätten die Anforderungen erfüllt. Und gerade in der Pandemie dürfe Europa den Westbalkan nicht vergessen. Schallenberg verwies auch auf die Probleme zwischen Nordmazedonien und Bulgarien. Sein Fazit: „Es geht um unser westliches Lebensmodell.“

Der EU-Beauftragte für den Westbalkan, Miroslav Lajcak, forderte Gespräche auf Augenhöhe zwischen Brüssel und den EU-Anwärtern. In den betroffenen Staaten bedürfe es auch vieler Reformen. Probleme wie die Korruption müssten angesprochen werden.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bei ihrer Rede beim Europaforum Wachau
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Beim Europa-Forum auf Stift Göttweig geht es unter dem Motto „Heading for New Horizons“ um das Europa der Zukunft

Ein heikles Thema bleibt das Verhältnis zwischen Serbien und dem Kosovo. Für die kosovarische Außenministerin Gervalla-Schwarz ist „die wechselseitige Anerkennung der beiden Partner“ die Grundvoraussetzung für alle weiteren Bemühungen. Der Kosovo werde von vielen Staaten anerkannt, „doch das reicht nicht“, sagte sie mit einem warnenden Hinweis auf die Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina.

Im Gespräch mit der APA merkte die kosovarische Ministerin mit Blick auf baldige Gespräche in Brüssel an, sie befürchte, „dass die andere Seite, d.h. Serbien, nicht über die Anerkennung des unabhängigen Kosovo sprechen will“. In Serbien sei dieses Thema unpopulär, gerade im Vorfeld der Präsidentenwahlen. Gervalla-Schwarz ließ durchblicken, dass Serbien seine Vergangenheit aufarbeiten müsse.

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Teilnehmer des Europa Forums Wachau 2021 vor Stift Göttweig
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Die 25. Ausgabe des Europa Forum Wachau findet wieder mit hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wirtschaft statt
Empfang der Teilnehmer des Europa Forums Wachau 2021 vor Stift Göttweig
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Landeshauptfrau Johann Mikl-Leitner und Außenminister Alexander Schallenberg beim Empfang der Gäste vor dem Stift Göttweig
Empfang der Teilnehmer des Europa Forums Wachau 2021 vor Stift Göttweig
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Empfang der Teilnehmer des Europa Forums Wachau 2021 vor Stift Göttweig
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Empfang der Teilnehmer des Europa Forums Wachau 2021 vor Stift Göttweig
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Nach einem Jahr pandemiebedingter Pause wurde in Göttweig auch über die Lehren diskutiert, die man aus der Coronaviruskrise zieht. „Bei aller Kritik, die es zum Teil auch zurecht an der Europäischen Union gegeben hat, so haben wir es letztendlich doch gemeinsam geschafft, diese schwierige Prüfung mit all den großen Aufgaben und heiklen Fragen ganz gut und erfolgreich zu meistern“, sagte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).

Alleingänge der Mitgliedsstaaten bei wichtigen Themen haben das Vertrauen in die Europäische Union und ihre Institutionen aber erschüttert. „Daher ist heute mein Wunsch an Europa, an uns, nicht weniger – als etwas mehr von dem Geist zu leben, der uns in Niederösterreich erfolgreich macht – das Miteinander“, so die Landeshauptfrau.

Forderung nach mehr Bürgernähe

In einem einleitenden Referat legte die für Demokratie und Demografie zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission, Dubravka Suica, die Zukunftsvorhaben der Union dar. Sie forderte die Teilnahme der Bürger an den europäischen Prozessen: Arbeit auf Augenhöhe, die Einbindung der Zivilgesellschaft, Veranstaltungen auf regionaler Ebene und eine langfristige Perspektive für die ländliche Bevölkerung, um die Spaltung Stadt-Land zu überwinden.

„Die politischen Verantwortlichen in der Europäischen Union haben den Ruf nach mehr Mitbestimmung vernommen. Bürger wollen nicht nur alle vier oder fünf Jahre bei Wahlen eingebunden sein, sie wollen sich auch dazwischen engagieren“, sagte Suica.

Diskussion über Brexit-Folgen und Menschenrechte

In einer weiteren Gesprächsrunde ging es um die Folgen des Brexit und um die Menschenrechte in Europa. Der irische Europaminister Thomas Byrne definierte den Brexit als „wesentlichen Umbruch“ für sein Land und nannte als Beispiel das Zollwesen. Irland habe den Brexit akzeptiert, vor allem müssten aber die Briten damit zurechtkommen und auch die Regeln einhalten. Nachsatz: „Die Zustimmung zur EU ist in Irland sehr hoch.“

Nach den Worten von Österreichs Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) habe der Brexit Schwächen der EU aufgezeigt, andererseits habe die EU in der Pandemie in Sachen Impfstoffe wieder Stärke bewiesen. Sie plädierte für „einen effizienten Multilateralismus“.

Die Generalsekretärin des Europarates, Marija Pejcinovic Buric, hob den hohen Stellenwert der Menschenrechte hervor. Sie warnte davor, Erreichtes als gegeben hinzunehmen. Der Brexit habe gezeigt, das vieles wieder in Frage gestellt wurde. Die Pandemie wiederum habe auch Schwächen der Demokratie offengelegt.

Das Europa-Forum Wachau findet heuer zum 25. Mal statt, erstmals an zwei Standorten. Nach der Fachtagung an der Donau-Universität Krems am Donnerstag ist das Stift Göttweig (Bezirk Krems) zwei Tage lang Schauplatz der Veranstaltung. Inhaltlich geht es um das Europa der Zukunft unter dem Generalthema „Heading for New Horizons“ – mehr dazu in Hochrangige Politiker zur Zukunft Europas (noe.ORF.at; 11.6.2021).