Es ist der 5. Mai 1914 als Anna Annessi im Kamptal zur Welt kommt. Franz Josef ist Kaiser von Österreich und noch herrscht Frieden. „Ich bin praktisch in den Krieg hineingeboren worden. Und mein Sohn ist 1939 zur Welt gekommen, wir sind alle irgendwie Kriegskinder“, sagt Anna Annessi.
Noch außergewöhnlicher als Anna Annessis Alter ist allerdings die Art, wie sie lebt. Seit der Nachkriegszeit wohnt sie im selben Haus in Langenlois. Seit vierzig Jahren, seit dem Tod ihres Mannes, wohnt sie dort alleine. Unterstützt wird sie von ihrer 24-Stunden-Betreuerin, die sie Frau Maria nennt. Ein Umzug in ein Pflegeheim war für die 107-Jährige nur kurz Thema, wie sie im Gespräch mit noe.ORF.at sagt: „Ich habe es eine Woche lang ausprobiert, dann war ich wieder zu Hause. Nein, das ist nichts für mich. Nein.“
Fit durch geistige Arbeit und „zufrieden sein“
Geistig ist Anna Annessi fit, so rezitiert sie etwa minutenlang Gedichte aus ihrer Schulzeit: „Die habe ich mir gemerkt, die kann ich alle noch.“ Besuch bekommt sie regelmäßig von ihrer Tochter Anni Haskovec, eines ihrer drei Kinder. Sie erzählt, dass ihre Mutter etwa nach wie vor mit dem Handy telefoniere. Die Erklärung der Tochter für diese außerordentliche Rüstigkeit: „Sie ist rege, immer aktiv. Sie organisiert alles selbst, auch den Gärtner, den sie anruft, dass er die Pflanzen schneiden soll. Sie lässt geistig einfach nie nach.“
„Menschen im Blickpunkt“: 107-jährige Anna Annessi
Etwa 39.120 Tage ist Anna Annessi auf der Welt, sie wurde vor 107 Jahren im Kamptal geboren. Zu dieser Zeit wurden heute alltägliche Dinge, wie der Reißverschluss oder die Verkehrsampel, gerade erst erfunden.
Anna Annessi sieht die Gründe für ihr langes Leben in ihren grundlegenden Einstellungen: „Zufrieden sein. Nicht nörgeln, alles annehmen. Und nicht neidisch sein. Kein Neid und keine Lügen, ich kann nicht lügen.“ So fit der Geist ist, so schwach sind die Beine. Anna Annessi ist mittlerweile mit einem Rollstuhl unterwegs.
„Wenn ich nur gehen könnte!“
Ihre Liebe zu Pflanzen jedweder Art ist trotzdem ungebrochen. Ihre Betreuerin Frau Maria begleitet Anna Annessi regelmäßig zu Ausflügen in den großen Garten, wo sie jetzt noch mitarbeitet. Der Garten hat sie ihr Leben lang begleitet, ebenso wie ihr Hobby Handarbeiten: „Häkeln, stricken, alles. Aber das geht jetzt nicht mehr so gut, die Finger streiken, es fehlt mir das nötige Gefühl für diese feinen Arbeiten mit der Nadel.“ Das Einzige, womit Annessi nun in diesem hohen Alter unzufrieden ist, sind die Beine: „Wenn ich nur gehen könnte!“ Aber mit Unterstützung von Frau Maria ist die Möglichkeit groß, dass Anna Annessi irgendwann die älteste Niederösterreicherin sein wird.