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Nachhilfe nicht für jede Familie leistbar

Für Niederösterreichs mehr als 200.000 Schülerinnen und Schüler geht nächste Woche das zweite Schuljahr mit Pandemiebetrieb zu Ende. Bei vielen entstanden Lerndefizite, was zu hoher Nachfrage bei Nachhilfe führt. Doch nicht alle können sich diese leisten.

Hinter den Schülerinnen und Schülern liegt ein anstrengendes Schuljahr, das von Lockdowns und digitalem Fernunterricht geprägt war. Besonders die Jugendlichen der Oberstufen verbrachten mehr Zeit zu Hause am Laptop als in den Klassenzimmern. Hört man sich in den Nachhilfeinstituten um, führte der Coronavirus-Schulbetrieb zu teils enormen Lernlücken, wodurch die Nachfrage nach externer Unterstützung steigt.

Derzeit lernen einige Schülerinnen und Schüler noch für letzte Entscheidungsprüfungen, aber auch viele Sommerkurse sind bereits gut gebucht. Bei der Schülerhilfe in St. Pölten erzählt Nachhilfeschüler Edward beim Besuch von noe.ORF.at, dass das vergangene Schuljahr für ihn noch nicht positiv abgeschlossen ist. „Ich muss in Deutsch noch eine gute Note schaffen, damit ich in die nächste Klasse aufsteigen kann.“ Ihm gegenüber sitzt in der Deutsch-Nachhilfegruppe Anisia, Schülerin einer vierten Volksschulklasse. Sie sagt, dass der Fernunterricht für sie „sehr schwer gewesen ist zu Hause – auch wegen meinen kleinen Geschwistern.“

Wolfgang Sovek zufolge, Geschäftsführer der Schülerhilfe-Standorte in St. Pölten, Mödling und Wien Liesing, hätten Schülerinnen und Schüler aller Schulstufen und Schularten steigenden Unterstützungsbedarf. Durch die Pandemie kämen neuerdings auch Kinder, „die zuvor noch nie Nachhilfe oder andere Lernunterstützung in Anspruch nehmen mussten. Die Form der Distance-Learning-Wissensvermittlung hat bei vielen Kindern Defizite erzeugt, die wir in der persönlichen Nachhilfe versuchen, wieder auszugleichen.“

Lange Zeit war es in den Nachhilfeinstituten im vergangenen Schuljahr sehr ruhig. Das lag jedoch nicht daran, dass es keinen Bedarf gegeben hätte, so Sovek, sondern daran, dass persönliche Lernbetreuung etwa durch Lockdowns nicht möglich gewesen sei. „Jetzt freuen sich die Familien, dass wir wieder in persönlichem Kontakt mit den Kindern lernen können und die Buchungszahlen gehen deutlich hinauf.“

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Lange Zeit war persönliche Nachhilfe nicht möglich, mittlerweile füllen sich die Kurse wieder

Doch nicht alle Familien können sich Nachhilfe leisten, zeigen auch aktuelle Umfragedaten der Arbeiterkammer. Während die schulischen Rückstände durch die Pandemie wuchsen, waren gleichzeitig viele Eltern von Schulkindern mit Einkommenseinbußen konfrontiert, so Birgit Fischer-Hadwiger, Bildungsreferentin in der Arbeiterkammer (AK) Niederösterreich, gegenüber noe.ORF.at.

Den aktuellen Ergebnissen der noch laufenden Schulkostenstudie der AK unter 1.600 Familien hätten ergeben, dass mit 40 Prozent der Eltern fast jede zweite Familie bereits während des vergangenen Schuljahres Nachhilfe organisieren musste, „und unter den restlichen 60 Prozent hat sich ein Drittel der Eltern Lernunterstützung bzw. Nachhilfe gewünscht, aber keine bekommen. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor waren es nur zehn Prozent.“

Forderung nach Zusatzangeboten in Schulen

Viele Lerndefizite würden noch lange bleiben, ist Fischer-Hadwiger überzeugt. Daran ändere auch die sogenannte Sommerschule nur wenig – ein zweiwöchiges Lernangebot des Bundes für Kinder mit besonders großen Defiziten, das heuer zum zweiten Mal angeboten wird und in Niederösterreich an 200 Schulstandorten stattfinden wird.

„Der Bedarf an Nachhilfe wird im Sommer nicht gedeckt werden können durch dieses Angebot und auch nicht durch einzelne kostenlose Nachhilfeprojekte einzelner Gemeinden“, so die AK-Bildungsreferentin. Ihrer Einschätzung nach bräuchte es für das nächste Schuljahr fix verankerte Zusatzangebote in den Schulen selbst, um Bildungslücken auch bei jenen auszugleichen, die aus finanziell schwächer gestellten Familien kommen. „Wichtig wäre etwa, die zuletzt aufgestockten Förderstunden weiter beizubehalten und das schulische kostenlose Angebot auszubauen.“