Hagelkörner so groß wie Tennisbälle haben in der knapp 1.000 Einwohner zählenden Gemeinde an der Grenze zu Tschechien nahezu jedes Dach in Mitleidenschaft gezogen. Anrainer und Einsatzkräfte beschreiben das Unwetter am Donnerstag als etwas in der Wucht noch nie Dagewesenes. „Erschreckend, wenn man das so sieht, normal kennt man das nur aus dem Fernsehen“, erzählt Michael Mosbacher.
Verena Weigl ist Donnerstagabend gerade im Eingangsbereich ihres Hauses gestanden, „als es die Dachziegel heruntergeschossen hat. Und danach haben wir die ganze Verwüstung rund um das Haus gesehen.“ Laut Peter Rosenmayr dauerte das Unwetter nur wenige Minuten: „Ich habe gerade noch das Auto unter das Carport stellen können und dann ist es schon losgegangen. Das hat nicht länger als zehn bis fünfzehn Minuten gedauert.“
Fast alle Hausdächer beschädigt
Diese kurze Zeit reichte aber, um mehr als 90 Prozent der Häuser zu beschädigen. Die Dächer von 250 Objekten in der 834 Einwohner zählenden Gemeinde wurden nach Feuerwehrangaben zum Teil massiv beschädigt. Die folgenden Niederschläge setzten zudem mehrere Häuser unter Wasser. Über das Ausmaß der Zerstörung herrschte blankes Entsetzen.
Bericht aus Niederösterreich
ORF-Reporterin Katharina Sunk berichtet über die Unwetterschäden aus der Gemeinde Schrattenberg im Weinviertel
Bei einem Lokalaugenschein zeigte sich auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) „tief bewegt und entsetzt ob der Schäden, die hier angerichtet worden sind“, auf der anderen Seite sei sie „sehr berührt, dass die Sicherheitsfamilie Niederösterreich wieder einmal funktioniert hat und die Einsatztruppen innerhalb kürzester Zeit vor Ort waren“. 1.600 Feuerwehrleute waren bei den Unwettern in Niederösterreich im Einsatz, darüber hinaus 45 Rettungswagen des Roten Kreuzes sowie zwei Hubschrauber des ÖAMTC in Tschechien – „eine Kraft, die innerhalb einer halben Stunde freigesetzt worden ist, um hier zu helfen“, so Mikl-Leitner.

„Wir sind froh, dass wir keine Personenschäden haben“, so die Landeshauptfrau weiter, bezüglich der Aufräumarbeiten sei das Land auch mit der Wirtschaftskammer in Kontakt, um Fachkräfte – etwa Dachdecker – zu bekommen, „sollte es keine Haushaltsversicherung geben, kann der Katastrophenfonds helfen – das sind 20 Prozent des Schadens“.
Dächer werden mit Planen vor Regen geschützt
Um die Häuser vor weiteren Schäden im Fall von weiteren Regenfällen zu schützen, versuche die Feuerwehr nun, die Dächer mit Planen abzudecken. „Schrattenberg war immer ein Ort, in dem Dorfgemeinschaft großgeschrieben wurde. Ich bin sicher, dass mit diesem Gemeinschaftssinn auch diese Katastrophe bewältigt werden wird. Jetzt geht es darum, rasch Hilfe zu leisten“, sagte Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP).
Bürgermeister Johann Bauer (ÖVP) sprach von einem Unwetter, „wie wir es noch nie erlebt haben. Mir war vom ersten Moment an bewusst, dass wir das nicht alleine schaffen können.“ Die Betroffenen sollten jedoch die Gewissheit haben, „dass sie so schnell wie möglich Hilfe bekommen“.
„Es waren innerhalb kürzester Zeit sechs Feuerwehren aus dem Bezirk Mistelbach im Einsatz mit etwa 100 Mann“, ergänzte Martin Schuster, Bezirksfeuerwehrkommandant von Mistelbach. Das Feuerwehrhaus Schrattenberg, selbst vom Hagelunwetter massiv betroffen, diente in der Nacht als Einsatzleitung. Es war zudem Anlaufstelle für die Ortsbevölkerung, um weitere Schäden zu melden. Durch Starkregen neben dem Hagel seien viele Objekte auch unter Wasser gesetzt worden.
Blitzschlag löste Brand aus
Die Helfer des Bezirks Mistelbach mussten jedoch nicht nur gegen Unwetterschäden ankämpfen. Am späten Abend kam es in Wildendürnbach zu einem Scheunenbrand durch Blitzschlag. Sechs Feuerwehren mit 121 Mann rückten aus. Der Einsatz dauerte bis in die späten Nachtstunden. Atemschutztrupps verhinderten ein Übergreifen der Flammen auf weitere Objekte.

Insgesamt waren am Donnerstagabend und in der Nacht auf Freitag im Bezirk Mistelbach 24 Feuerwehren aufgeboten. Von den Hunderten Einsatzkräften seien viele selbst vom Unwetter betroffen gewesen, berichtete das Kommando. Die Helfer seien an ihre Leistungsgrenze gegangen, um die Lage rasch unter Kontrolle zu bringen, betonte Bezirksfeuerwehrkommandant Markus Schuster.
Schäden in Millionenhöhe
Auch in anderen Teilen Niederösterreichs, vor allem im Wald- und Weinviertel, gingen am Abend und in der Nacht schwere Gewitter und Unwetter nieder und richteten enorme Schäden an. Allein in der Landwirtschaft beläuft sich der Gesamtschaden in Ober- und Niederösterreich laut Hagelversicherung auf rund 28 Millionen Euro.
Die Arbeiterkammer (AK) Niederösterreich unterstützt von den Unwettern betroffene Mitglieder mit bis zu 1.000 Euro. Die Direkthilfe kann laut Aussendung für Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen im Wohnbereich beantragt werden. Kein Anspruch bestehe, wenn der gesamte Schaden durch eine Versicherung gedeckt ist. Anträge können in den AK-Bezirksstellen gestellt werden.
Hagel, Starkregen, Sturmböen
Hauptsächlich betroffen waren in Niederösterreich die Bezirke Hollabrunn, Mistelbach, Gmünd, Horn, Zwettl und Waidhofen a. d. Thaya. In einigen Gemeinden wurden die Aufräumarbeiten am Freitag fortgesetzt. Franz Resperger vom Landesfeuerwehrkommando Niederösterreich sprach von mehr als 300 Hausdächern, die durch den Hagel zerstört worden seien. Starkregen setzte zahlreiche Objekte unter Wasser, orkanartige Böen entwurzelten Dutzende Bäume und rissen Telefon- und Stromleitungen zu Boden.
Besonders wild ging es in den Bezirken Hollabrunn und Mistelbach zu. „Alteingesessene Bewohner und erfahrene Feuerwehrleute erzählten, dass sie ein derartiges Unwetter noch nie erlebt hätten“, schilderte Resperger. Hausdächer seien vom Hagel „regelrecht durchlöchert“ worden. Heruntergefallene und kaputte Dachschindeln bereiteten Probleme auf den Straßen. Glashäuser und Fensterscheiben gingen zu Bruch, zahlreiche Autos wurden in Mitleidenschaft gezogen. Alleine im Bezirk Hollabrunn waren rund 800 Mitglieder von 50 Feuerwehren über mehrere Stunden hinweg gefordert.
Auch Bundesheer im Unwetter-Einsatz
Schwer gebeutelt wurde zudem Allentsteig im Bezirk Zwettl. Zahlreiche Häuser waren hier beschädigt worden, seitens der Stadtgemeinde wurde das Bundesheer zum Assistenzeinsatz angefordert. 21 Soldaten und zivile Bedienstete rückten an. Neben Kräften des Truppenübungsplatzes Allentsteig halfen Mitglieder des Pionierbataillons 3 aus Melk mit technischem Gerät im Waldviertel mit.