Maria Wolf
GEPA pictures/ Walter Luger
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Sport

EURO: Maria Wolf glaubt an Italien-Sieg

Italien gegen Spanien lautet am Dienstagabend der große Schlager im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft. Maria Wolf, zuletzt erfolgreiche Trainerin bei Frauenfußball-Meister SKN St. Pölten, glaubt an eine Fortsetzung der Erfolgsserie der „Squadra Azzura“.

Maria Wolf war die erste Frau Österreichs, die Trainerin einer Fußball-Herrenmannschaft war. Nach ihren Tätigkeiten bei den Herren des UFC Obritz (Bezirk Hollabrunn) und beim SV Großweikersdorf (Bezirk Tulln) führte ihr Weg in den Betreuerstab von Österreichs Frauenfußball-Nationalteam. In der Saison 2020/21 feierte sie mit dem SKN St. Pölten ohne Punkteverlust den Meistertitel in der Frauenfußball-Bundesliga. Erstmals in der Klubgeschichte erreichte der SKN mit Wolf auch das Achtelfinale der UEFA Women’s Champions League. Für noe.ORF.at beantwortete Maria Wolf fünf Fragen zum Halbfinal-Schlager zwischen Spanien und Italien.

noe.ORF.at: Italien hat vor dem Halbfinale gegen Spanien eine Serie von 32 Spielen in Folge ohne Niederlage. Sie kennen so eine Erfolgsserie aus Ihrer Zeit beim SKN, als alle Bundesliga-Spiele gewonnen wurden. Läuft alles von selbst, wenn man so eine Serie hat?

Maria Wolf: Im Mentaltraining spricht man hier auch von einem „Flow“. Verlierst du Spiele, ist dein Selbstvertrauen angekratzt. Gewinnst du Spiele und hast Erfolg, kommt man in einen Zustand, wo alles von alleine läuft. Es scheint alles, ohne viel nachzudenken, leicht von der Hand zu gehen. Ab dem Moment, wo Italien den Platz betritt, merkt man, dass sie die EURO unbedingt gewinnen wollen. Das beginnt schon beim Singen der Nationalhymne bis hin zu ihrer kämpferischen Mentalität in jedem Spiel. Das Ziel der Mannschaft ist durch ihr Auftreten ganz klar ersichtlich.

Lorenzo Insigne vom italienischen Nationalteam im EURO-Viertelfinale gegen Belgien
Reuters/Andreas Gebert
Wird Lorenzo Insigne am Dienstagabend auch über ein Tor gegen Spanien jubeln können wie im Viertelfinale gegen Belgien?

noe.ORF.at: Italien ist für viele der große Titelfavorit. Ist es das beste Team unter den vier Halbfinalisten?

Wolf: Ich muss ehrlich sagen, dass sie mich schon im Eröffnungsspiel gegen die Türkei mit ihrer Spielphilosophie sehr überrascht und mir auch imponiert haben. Betrachtet man den Weg der Mannschaften bis ins Halbfinale, sind sie für mich Titelfavorit. Sie waren bis dato sehr souverän in diesem Turnier. Sie spielen in jeder Phase des Spiels sehr flexibel und sind dadurch schwer auszurechnen. Allerdings wissen wir, dass so Turniere ihre eigenen Gesetze haben.

Die EURO in Radio NÖ

Maria Wolf begleitet das erste Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft zwischen Spanien und Italien am 6.7.2021 ab 20.00 Uhr auf Radio Niederösterreich, gemeinsam mit Moderatorin Jennifer Frank und ORF-NÖ-Sportreporter Mathias Eßmeister.

noe.ORF.at: Wie könnte Spanien Italien knacken?

Wolf: Spanien überzeugt mit effektivem Gegen-Pressing. Dafür spricht auch ihre hohe Ballbesitzzahl von über 75 Prozent. Es würde mich überraschen, wenn sie ihre Strategie ändern. Am Ende haben sie immer denselben Matchplan. Durch Positionsspiel den Gegner mit Kurzpassspiel in Bewegung zu bringen, sich ins letzte Drittel durchzukombinieren und Torchancen zu kreieren.

Für die Spanier wird es wichtig sein, vor allem das Tempo und die Intensität im Ballbesitzspiel zu erhöhen und im letzten Drittel ihre Chancen konsequenter zu nützen. Meiner Meinung nach lassen sie viel zu viele Topchancen liegen. Ich denke, ihre Spielweise kommt den Italienern sehr entgegen. Vor allem in der Defensive wirkt Spanien nicht wirklich sattelfest. Auffällig war für mich, dass Italien in der Offensivphase gerne den Flügel oder Halb-Raum, vor allem über ihre linke Seite, überladet, um den Gegner anzulocken. Sie positionieren dabei oft einen isolierten Spieler auf der ballfernen Seite, der dann bei schneller Spielverlagerung ins 1:1 geht und für Torgefahr sorgen soll. Hier eröffnen sich natürlich Räume, die Spanien bei Balleroberung für sich nutzen könnte.

noe.ORF.at: Welcher Teamchef beeindruckt Sie als Trainerin mehr – Italiens Mancini oder Spaniens Enrique?

Wolf: Ich finde, dass beide Trainer sehr spannende Persönlichkeiten sind. Allerdings muss ich mich für Mancini entscheiden. Mancini hatte den Mut, die Philosophie der italienischen Nationalmannschaft zu ändern. Italien hat sich weiterentwickelt und überrascht mit erfolgreichem, ansehnlichem Offensiv-Fußball. Die Zeit des „Catenaccio“ scheint vorbei zu sein, und mir macht es sehr viel Spaß, ihnen dabei zuzusehen.

noe.ORF.at: Die EURO steuert auf einen Torrekord zu. Bisher fielen 136 Treffer, das bedeutet einen Schnitt von 2,83 Toren pro Spiel. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?

Wolf: Viele halten von Statistik nichts. Das sieht bei mir anders aus. Wenn klar ist, dass 80 Prozent der Tore bei der vergangenen EURO innerhalb der „Golden Zone“ erzielt wurden, dann ist es kein Fehler, sich mit dieser Zone zu befassen. Am Ende ist es wichtig, die Bälle zentral vor das Tor zu bekommen, wobei die „Assist Zone“ ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Mit diesem Wissen kannst du natürlich dementsprechend arbeiten. Diesbezüglich hat sich vor allem die Qualität des Herausspielens der Torchancen verbessert. Die Teams zeigen sich heuer sehr effizient vor dem gegnerischen Tor.