VIENNA,AUSTRIA,16.FEB.20 – SOCCER – tipico Bundesliga, SK Rapid Wien vs WSG Tirol. Image shows Andy Marek (Rapid). Keywords: Wien Energie. Photo: GEPA pictures/ Mario Kneisl
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Sport

EURO: Marek sieht Engländer im Vorteil

Nach Italiens Finaleinzug steigt bei der Fußball-EM am Mittwoch das zweite Halbfinale zwischen Titelkandidat England und dem Überraschungsteam Dänemark. Stadionsprecher-Legende Andy Marek sieht England im Vorteil.

Andy Marek hat in seinem Leben mehr Fußballspiele live miterlebt als so mancher Profi oder Trainer. Allein bei Rapid war der 58-Jährige bis 2020 in 599 Heimspielen in Serie als Stadionsprecher im Einsatz. Dazu kamen ab 1993 auch die Moderationen der Spiele des ÖFB-Nationalteams, die den gebürtigen Groß-Sieghartser (Bezirk Waidhofen an der Thaya) zu einer der bekanntesten Stimmen Österreichs machten. Obwohl bei Rapid mittlerweile Sohn Lukas übernahm, ist Marek der Fußball-Enthusiasmus nie abhandengekommen.

Die EURO in Radio NÖ

Andy Marek begleitet das zweite Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft zwischen England und Dänemark am 7.7.2021 ab 20.00 Uhr auf Radio Niederösterreich, gemeinsam mit Moderatorin Jennifer Frank und ORF-NÖ-Sportreporter Mathias Eßmeister.

Bei der Europameisterschaft war er als Kommentator im Privatfernsehen zu hören und verfolgte fast alle anderen Partien zu Hause. Da Mareks Turnierfavoriten Belgien und Frankreich keine Rolle mehr spielen, schlug sein Herz vor dem Halbfinale für Italien. Im Gespräch mit noe.ORF.at traut er aber auch England den Titel zu und beantwortet fünf Fragen zum Duell um den Finaleinzug gegen Dänemark.

noe.ORF.at: England gilt für viele Experten als der erste Anwärter auf den EM-Titel und ist nach fünf Spielen bei der Endrunde nach wie vor ohne Gegentreffer. Was zeichnet die „Three Lions“ aus Ihrer Sicht derzeit aus?

Andy Marek: In erster Linie verfügt England über eine wahnsinnige Qualität im gesamten Kader. Das ist ein Gefüge mit Teilen von Manchester City, Manchester United oder auch Champions League-Sieger Chelsea. Und wenn Trainer Southgate wechseln muss, kann er auf Kaliber wie Rashford, Grealish oder Bellingham zurückgreifen. So eine Auswahl auf der Bank, das ist schon großes Kino. Selbst Liverpool-Kapitän Henderson dient als Ersatzspieler.

Dazu macht die Defensive um Maguire bisher keine Fehler. Die Engländer spielen qualitativ für mich zwar nicht auf der Höhe mit Italien und Spanien, der Kader als Gesamtes mit den vielen Optionen hat sie aber zurecht bis ins Halbfinale gebracht. Nur von Tormann Jordan Pickford bin ich kein großer Fan.

LONDON,ENGLAND,29.JUN.21 – SOCCER – UEFA European Championship, international match, round of 16, England vs Germany. Image shows Leon Goretzka (GER), Harry Kane (ENG) and  Matthias Ginter (GER) . Photo: GEPA pictures/ Witters/ Tim Groothuis – ATTENTION – COPYRIGHT FOR AUSTRIAN CLIENTS ONLY
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Laut Marek ist Kapitän Harry Kane nur einer von vielen Leistungsträgern in Englands EM-Kader

noe.ORF.at: Der Halbfinaleinzug von Dänemark ist die bisher größte Überraschung dieser Europameisterschaft. Wie stehen die Chancen, dass die Skandinavier nach ihrem sensationellen Titelgewinn 1992 wieder in ein Endspiel einziehen können?

Marek: Damals und heute lassen sich aus dänischer Sicht nur schwer vergleichen. 1992 sind sie im letzten Moment statt Jugoslawien ins Turnier gerutscht, kamen direkt aus dem Urlaub und ohne Vorbereitung. Jetzt steht da eine Mannschaft, die zum Beispiel Österreich im März klar mit 4:0 geschlagen hat und unumstritten große Qualität besitzt. Daher waren sie für mich nie ein richtiger Außenseiter wie etwa Island bei der letzten EM. Überraschend ist aber, dass sie nach dem tragischen Zwischenfall mit Christian Eriksen so eine Reaktion gezeigt haben. Nach der Niederlage gegen Finnland, habe ich nicht gedacht, dass sie noch irgendetwas reißen werden.

noe.ORF.at: Als langjähriger Stadionsprecher bei Rapid und bei Österreichs Nationalteam haben Sie selbst schon oft erlebt, welchen Einfluss die Fans auf der Tribüne auf ein Match haben. Wie groß ist der Vorteil für England, im Wembley-Stadion ein echtes Heimspiel bestreiten zu können?

Marek: Der Heimvorteil scheint gerade bei dieser Europameisterschaft unglaublichen Rückenwind zu geben. Viele Teams, die zu Hause gespielt haben, sind zumindest souverän durch die Gruppenphase gekommen. Im Wembley-Stadion werden gut 50.000 englische Fans für ihre Mannschaft schreien, während die Dänen wegen der Reisebeschränkungen fast gar nicht vertreten sind. Ein Spiel auf neutralem Boden kann das nicht werden. Aus meiner Sicht hat man sich keinen Gefallen getan, eine paneuropäische EM so zu organisieren, wie wir es derzeit erleben. Die Engländer werden profitieren, weil sie ab dem ersten Schritt auf dem Spielfeld wissen, dass 90 Prozent der Zuschauer hinter ihnen stehen.

BAKU,AZERBAIJAN,03.JUL.21 – SOCCER – UEFA European Championship, international match, quarterfinal, Czech Republic vs Denmark. Image shows team DEN. Keywords: teamphoto. Photo: GEPA pictures/ Fodboldbilleder/ Anders Kjaerbye  – ATTENTION – COPYRIGHT FOR AUSTRIAN CLIENTS ONLY
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Der emotionale Zusammenhalt, der Dänemark seit dem Kollaps von Christian Eriksen durch das Turnier trägt, wird gegen England erneut auf dem Prüfstand stehen

noe.ORF.at: Dänemark wird aber auch von großen Emotionen durch das Turnier begleitet. Nach dem Zusammenbruch von Spielmacher Christian Eriksen im ersten Gruppenspiel hat sich das Team mit großem Zusammenhalt viele Sympathien auf und abseits des Platzes erarbeitet. Können diese Emotionen das Fehlen der dänischen Fans kompensieren?

Marek: Ich glaube nicht, denn das erste Gruppenspiel ist schon zu lange her und Christian Eriksen geht es mittlerweile auch wieder gut. Die Emotionen nehmen ab, werden keine große Rolle mehr spielen und können auf keinen Fall die Zuschauersituation ausgleichen. So sehr sie diese Mentalität auf dem Weg in das Halbfinale getragen haben mag – gegen zigtausende, enthusiastische englische Fans wird das wohl keinen Ausschlag mehr geben.

noe.ORF.at: England gilt nahezu bei jedem Fußball-Großereignis als Mitfavorit, wartet aber bereits seit 55 Jahren auf einen großen Titel. Denken Sie, dass sich hier ein Druck entwickelt, der sich auch negativ auswirken kann? Die englischen Medien träumen schon jetzt vom ganz großen Coup.

Marek: Ich denke, dass ab dem Halbfinale alle Nationen einen gewissen Druck verspüren. Am wenigsten vielleicht noch Spanien-Trainer Luis Enrique. Obwohl die Spanier immer große Ziele haben, ist heuer doch ein spezielles Jahr. Mit Corona-Fällen unmittelbar vor Turnierbeginn waren die Erwartungen nicht ganz so groß wie sonst. Die Italiener waren dafür vor dem Halbfinale schon sehr fordernd und England würde ich ähnlich einschätzen. Diese Mannschaft ist aber gespickt mit Premier League-Spielern, die den Druck jede Woche spüren. Ich glaube, dass das Team das volle Stadion eher genießen wird und den hohen Erwartungen standhalten kann.