Regrub Waste and Recycling GmbH, in Kollersdorf (Bezirk Tulln), Betonreste mit Eisenstangen
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Umwelt & Klima

Kaum Recycling in der Baubranche

Abfall, Treibhausgase, Ressourcenknappheit – in der Baubranche kommen einige Faktoren der Klimakrise zusammen. Recycling und Kreislaufwirtschaft werden aber nur spärlich angewandt, finanzielle Anreize könnten helfen.

Feine rote und graue Steinhaufen reihen sich aneinander. Das ist alles, was von Häusern noch übrig ist, nachdem die Maschinen der Firma regrub den Ziegel- und Betonbruch zerkleinert haben. Die Recyclingmasse auf dem Gelände in Kollersdorf (Bezirk Tulln) muss bestimmte Kriterien erfüllen, um wieder zum Baustoff werden zu können. „Je nach Anforderung kann man es als Unterbau verwenden für Straßen oder Häuser. Das Ziegelmaterial wird oft für den Straßenbau verwendet“, sagt Philipp Müller, der die Abfallwirtschaft bei regrub leitet.

Baustoffe im Kreislauf halten

Bei der Herstellung von Beton und Ziegeln wurde zuvor viel Energie benötigt sowie Treibhausgase freigesetzt. Regrub versucht nun, den Ziegel- und Betonbruch wiederverwendbar zu machen. Eisen, Gips, Holz und Keramik werden ausgesiebt. „Das sind Nebenfraktionen. Wir können circa 75 Prozent von dem, was von einem Abbruchhaus zu uns kommt, wiederverwerten“, so Müller. Die Nebenprodukte werden aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr aufbereitet, landen also etwa auf Deponien.

Dieses Entsorgen auf Deponien sei noch viel zu selbstverständlich und zu günstig, sagt die Geschäftsführerin des ORTE Architekturnetzwerks Niederösterreich, Heidrun Schlögl. Beim Recycling am Bau bemerke sie in der heimischen Bauwirtschaft nicht einmal einen Trend: „Häuser sollten mit Material und Baustoffen gebaut werden, die man wieder abbauen, rückführen und wiederverwerten kann. Die zirkuläre Bauwirtschaft wird sehr wichtig werden, aber es braucht dementsprechende rechtliche Rahmenbedingungen, die es noch nicht gibt.“

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REGRUB Waste and Recycling GmbH in Kollersdorf (Bezirk Krems), Beton- und Ziegelreste von abgerissenen Häusern
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Ziegel- und Betonreste werden für die Bearbeitung getrennt
REGRUB Waste and Recycling GmbH in Kollersdorf (Bezirk Krems), recyceltes Baumaterial von Beton
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Bauschutt wird in unterschiedliche Körnungen zerkleinert
REGRUB Waste and Recycling GmbH in Kollersdorf (Bezirk Krems), recyceltes Baumaterial von Beton
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Das Endprodukt kann Beton und Ziegel beigemengt werden

CO2-Emissionen und Ressourcenabbau

Wichtig deshalb, weil die Bauwirtschaft laut den Vereinten Nationen weltweit für 38 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Und die Ressourcen zum Bauen werden knapp. Der Abbau von Sand, der etwa für Beton verwendet wird, habe sich laut Heidrun Schlögl in den letzten 20 Jahren etwa verdreifacht. „Zement und Beton sind umweltschädlich. Für den Bau eines Einfamilienhauses normaler Größe benötigt man etwa 200 Tonnen Sand, für den Bau einer Kilometer Autobahn 30.000 Tonnen.“ Alternative Baustoffe würden zu wenig verwendet werden: „Allen voran Holz, natürlich heimisches Holz und kein Tropenholz, Lehm, der älteste Baustoff überhaupt, oder auch Hanfbeton, der ohne Sand auskommt.“

Grund und Boden

Der Bodenverbrauch ist einer der größten Treiber der Klimakrise. Der ORF Niederösterreich widmet sich in einem Schwerpunkt jeden Samstag verschiedenen Aspekten des Bauens, Wohnens und der Bodenversiegelung.

Bauen mit natürlichen Stoffen soll finanziell gefördert und der Abfall müsse für die Bauwritschaft teurer werden, so Schlögl. Ansonsten werde es zu keinem Umdenken in der Branche kommen, denn es gebe in der Praxis zu viele Hindernisse, wenn Material recycelt oder nachhaltiger gebaut werden soll. „Es wird eine kluge Politik der Ressourcennutzung brauchen, denn im Moment erzeugen wir nur Abfall, verursachen Emissionen und verschwenden Energie“, sagt Schlögl im Gespräch mit noe.ORF.at.

Wieder einbauen statt deponieren

Neben der Wiederverwertung gibt es auch den Ansatz, ganze Bauelemente von Abbruchhäusern in neuen Projekten zu verwenden. Dieses Wiederverwenden scheitert oft an der Logistik und am Timing, so Dietmar Wiegand. Er lässt ein ehemaliges Hotel in St. Corona am Wechsel (Bezirk Neunkirchen) abtragen. Alles, was für andere Gebäude verwendet werden kann, wird zuvor von einer Spezialfirma rückgebaut. Einen passenden Neubau zu finden, sei kompliziert.

„Wer braucht jetzt in diesem Moment dieses Element? Wir hätten gerne noch mehr wiederverwendet, aber die Vermittlung ist schwierig“, so Wiegand, der sich mit dem Thema auch in seiner Arbeit als Universitätsprofessor an der Technischen Universität Wien beschäftigt. Die Elemente lange zu lagern, bis sie gebraucht werden, sei nicht vorgesehen. Für den Dachstuhl des Hotels wurde aber ein passender Neubau in St. Pölten gefunden. Auch die Fenster und Türen konnten über die Firma Materialnomaden vermittelt werden. Steine und Ziegel werden für den Straßenbau verwendet.

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Baustelle in St. Corona am Wechsel, Dachstuhl in Holz, Blick auf Berge
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Das Holz des Dachstuhls ist etwa 50 Jahre alt und wird Stück für Stück rückgebaut
Baustelle in St. Corona am Wechsel, Dachstuhl in Holz wird rückgebaut
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Der Dachstuhl des Hotels wird in kleinerer Dimension für ein Haus in St. Pölten verwendet
Baustelle in St. Corona am Wechsel, Waldhof, ehemaliges Hotel
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Der erste Teil des Gebäudes wurde Ende des 19. Jahrhunderts errichtet, vieles besteht aus Massivholz
Baustelle in St. Corona am Wechsel, aler Pakettboden
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Der Parkettboden des Tanzsaals wird in den geplanten Ferienhäusern verwendet
Baustelle in St. Corona am Wechsel, alte Scheune, erbaut Ende des 19. Jahrhunderts
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Auch für das Tor eines Nebengebäudes ist ein Platz in einem anderen Projekt vorgesehen

„Natürlich ist es aufwendiger, als alles von einem Bagger niederreißen zu lassen, aber es ist die ökologische Art und Weise, wie man es jetzt machen kann“, sagt Materialnomaden-Sprecher Christian Ruthner. Beim Dachstuhl werde etwa 40 Kubikmeter Holz gerettet. „In einer Tonne Holz ist ein Kubikmeter CO2 gespeichert, wenn man das Holz wiederverwendet, dann bleibt diese Ersparung erhalten. Es wird nicht freigesetzt durch Verbrennen. Wenn man neues Holz nimmt, muss man das erst verarbeiten, da fallen Emissionen an.“

Geschichte lebt bei Wiederverwendung mit

Der Rückbau sei kosten- und zeitintensiv, man müsse das aber mit den Kosten für Abriss und Entsorgung vergleichen, so Ruthner. „Die Kosten verschieben sich, aber wir schauen, dass es nicht mehr wird als der Neupreis.“ Außerdem bleibe durch das Wiederverwenden ein architektonischer Mehrwert erhalten: „Es geht so viel verloren, wenn man sozusage ohne Nachdenken alles aus dem Fenster wirft.“ Vieles, was die Materialnomaden im Hotel Waldhof rückbauen, wird später am selben Ort wieder verbaut. In den geplanten neuen Ferienhäusern wird Bauherr Wiegand etwa den ehemaligen Stammtisch, Resopaltische und den Parkettboden des Hoteltanzsaals verwenden.

Die Nützung des bestehenden Materials sei ihm ein ökologisches und kulturelles Anliegen: „Hier war immer der Ball des Ortes, und es ist interessant, in neuen Gebäuden dieses historische Material wiederzuverwernden, damit die Geschichte erzählen zu können. Wir wollen keine gesichtslosen Ferienhäuser bauen, sondern sie sollen die Geschichte des Ortes und des Waldhofes ein wenig erzählen.“

Der Rückbau des Hotels Waldhof ist jedoch ein seltenes Projekt. Architekturnetzwerk-Geschäftsführerin Schlögl spricht sich für eine gesetzliche Regelung und verpflichtende Standards aus, um das Recycling beim Bauen zu fördern. Ausgangsmaterial gibt es dafür allemal, denn während der Pandemie werden besonders viele Gebäude abgetragen, wie man bei der Recycling-Firma regrub in Kollersdorf anmerkt. Die Mengen würden auch weiterhin ansteigen.