SANKT POELTEN,AUSTRIA,27.APR.21 – SOCCER – tipico Bundesliga, qualification group, SKN Sankt Poelten vs SV Ried. Image shows Stefan Nutz (Ried) and Daniel Drescher (St.Poelten). Photo: GEPA pictures/ Walter Luger
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Sport

EM-Finale: Daniel Drescher setzt auf Italien

England und Italien spielen am Sonntag im Londoner Wembley-Stadion im Finale der Fußball-Europameisterschaft um den Titel. Daniel Drescher, Verteidiger beim SKN St. Pölten, drückt dabei den Briten die Daumen, setzt aber auf Italien.

Daniel Drescher steckt mit dem SKN St. Pölten nach dem Abstieg aus der Bundesliga derzeit mitten in der Vorbereitung auf die neue Saison in der 2. Liga. Mit einem Umbruch im Kader und dem neuen Trainerteam Stephan Helm und Emanuel Pogatetz will man das verpatzte vergangene Jahr abhaken und neu durchstarten. Drescher ist eine der wenigen Konstanten in der Verteidigung der Niederösterreicher und hielt St. Pölten die Treue, nachdem der Klassenerhalt verpasst wurde.

Vor dem Saisonauftakt, der ersten Cup-Runde am 16. Juli auswärts gegen den FC Lauterach aus der Eliteliga Vorarlberg, drückte der 155-fache Bundesligaspieler bei der Europameisterschaft zunächst Österreich die Daumen. Im Finale schlägt sein Herz für England. Im Gespräch mit noe.ORF.at beantwortet der gebürtige Wiener, warum er trotzdem Italien leicht favorisiert.

noe.ORF.at: Herr Drescher, Italien und England haben auf dem Weg ins Finale viele Stärken und wenige Schwächen gezeigt. Wie schätzen Sie die Ausgangssituation ein?

Daniel Drescher: Für mich war England schon vor dem Turnier ein Geheimfavorit, denn sie haben nach langer Zeit endlich wieder eine richtig gute Mannschaft. Das Eröffnungsspiel der Italiener – 3:0 gegen die Türkei – hat mich etwas überrascht, denn eigentlich bin ich vom italienischen Fußball nicht begeistert. Das „hinten Reinstellen“ haben sie aber komplett abgelegt und ihre Statistik spricht für sich. Mittlerweile sind sie 33 Spiele in Folge ungeschlagen – eine mehr als beeindruckende Erfolgsbilanz.

Bei dieser EM geht viel über das Kollektiv, und auch in diesem Punkt passt bei den Italienern von vorne bis hinten alles. Aber auch England ist nicht zu unterschätzen und hat sich nach der Gruppenphase steigern können. Vor eigenem Publikum einzulaufen, hilft in so einem Endspiel auch sicher enorm.

noe.ORF.at: Die K.o.-Phase gestaltete sich für die Italiener schwieriger als für England. Österreich hat dem Finalisten im Achtelfinale lange Paroli geboten, dann kam Belgien, die Nummer eins der Weltrangliste, gefolgt von den Spaniern im Halbfinale. Lässt sich auch daraus eine Favoritenrolle ableiten?

Drescher: Auf jeden Fall, denn gegen diese Topnationen muss man erst einmal gewinnen. Italien hat bewiesen, dass es in diesen Spielen nicht nur mithalten, sondern sich auch durchsetzen kann. Daher wird das Selbstvertrauen gewaltig sein. Aber auch England schätze ich mental stark ein. Sie haben ihre Aufgaben souverän gelöst, und auch wenn es ein vermeintlich einfacherer Weg in das Endspiel war. K.o.-Spiele sind immer schwierig. Die Namen sind nicht ganz so prominent, aber gegen die Ukraine und gegen Dänemark gewinnt man auch nicht im Vorbeigehen.

noe.ORF.at: England wird andererseits – etwa auch von ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel – unterstellt, bisher zu sehr auf Ergebnis gespielt und wenig riskiert zu haben. Dazu lassen sich im Vergleich mit Italien auch statistische Ansätze finden. Was spricht für die Engländer?

Drescher: Zahlen lügen nicht, aber unter dem Strich lässt jeder Sieg die Brust breiter werden. Auch der Heimvorteil bleibt ein Kriterium, denn zu Hause vor großteils eigenem Publikum zu spielen, wird sicher zusätzliche Kräfte freisetzen. So muss man mit einem Spiel auf Augenhöhe rechnen, beide Teams werden mit offenem Visier in die Partie starten. Ich rechne damit, dass die Entscheidung nach 90 Minuten fällt.

ROME,ITALY,16.JUN.21 – SOCCER – UEFA European Championship, international match, Italy vs Switzerland. Image shows the rejoicing of Giorgio Chiellini and Leonardo Bonucci (ITA). Photo: GEPA pictures/ Csaba Doemoetoer – ATTENTION – NO USAGE RIGHTS FOR HUNGARIAN CLIENTS
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Für Verteidiger Drescher ein Faktor im Titelrennen: die Erfahrung des italienischen Abwehr-Bollwerks Chiellini und Bonucci (v.l.)

noe.ORF.at: Für beide Teams würde mit dem Titelgewinn eine lange Durststrecke zu Ende gehen. England wartet seit der WM 1966 auf eine Trophäe im Weltfußball. Italiens bisher einziger EM-Triumph liegt bereits 53 Jahre zurück. Welche Rolle spielt die historische Bedeutung in den Köpfen der Spieler?

Drescher: Ich glaube, dass beide Mannschaften diese Durstrecke beenden wollen und sie die Jahreszahlen sicher das eine oder andere Mal im Vorfeld gehört haben. In einem EM-Finale stehen aber nur absolute Top-Profis auf dem Feld, die die großen Erwartungen der Fans sicher in positiven Druck umwandeln können.

Sendungshinweis

Daniel Drescher begleitet das EM-Finale zwischen England und Italien am Sonntag ab 20.00 Uhr auf Radio Niederösterreich gemeinsam mit Moderatorin Tanja Karssemeijer und ORF-NÖ-Sportreporter Klaus Fischer.

Italien hat mit dem Verteidiger-Duo Chiellini und Bonucci so viel Erfahrung im Team. Die beiden können das Heft in die Hand nehmen und den jüngeren Spielern helfen, ruhig zu bleiben. Und auch England wird nicht zittern, weil die Emotionen und die Leidenschaft mit der Chance, Geschichte zu schreiben, sicher größer sind als der Druck von außen.

noe.ORF.at: Wen würden Sie lieber als neuen Europameister sehen?

Drescher: Auf dem Papier spricht mehr für Italien und ich traue es ihnen auch eher zu. Aber ich bin ein großer Fan des englischen Fußballs und für die Engländer wäre es auch der erste Titel bei einer Europameisterschaft. Deshalb kann ich am Abend nur den „Three Lions“ die Daumen drücken. Aber egal wer am Ende gewinnt: Die Voraussetzungen versprechen, dass wir ein hochklassiges Match erleben werden.