Gottfried von Einem, um 1985
Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
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Kultur

Seit 25 Jahren tot: Gottfried von Einem

Am Montag jährt sich der Todestag Gottfried von Einems zum 25. Mal. Der Komponist starb im Alter von 78 Jahren in Oberdürnbach (Bezirk Hollabrunn). Sein Name ist eng mit dem Wald- und Weinviertel verbunden, wo er Ruhe zum Arbeiten fand.

Als Gottfried von Einem am 12. Juli 1996 in seinem Wohnhaus in Oberdürnbach starb, hatte er sieben Opern, fünf Ballette, vier Symphonien sowie zahlreiche andere Werke komponiert und zählte damit zu den produktivsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Dissonanzenreiche Harmonik oder gar Atonalität „ersparte“ der Komponist seinem Publikum – er bemühte sich um formale Klarheit und möglichst eingängige Rhythmik –, im späteren Werk wurden auch Einflüsse der Spätromantik spürbar.

Galt er zu Lebzeiten vielfach als Ausläufer der tonalen Entwicklung der Konzertmusik, wird Einem mittlerweile eher als ein Vorläufer einer neuerlichen Hinwendung zur tonalen Tonsprache gesehen. Dabei war dem jungen Einem bereits von frühester Kindheit an klar, was er werden wollte. Der Sprössling aus einem militärisch geprägten Elternhaus, in dem Dirigenten wie Furtwängler, Toscanini und Bruno Walter verkehrten, fühlte sich stets zum Komponisten berufen. Dieses „Traumziel“ konnte er schon früh erreichen: Einem wurde Österreichs Zugpferd unter den zeitgenössischen Musikdramatikern und hinterließ neben einem umfangreichen Werk auch viele Initiativen und kulturpolitische Anregungen.

Früher Komponistenruhm bereits mit 26 Jahren

Gottfried von Einem wurde am 24. Jänner 1918 in Bern geboren. Die Familie übersiedelte nach Schleswig-Holstein, wo der spätere Komponist das Gymnasium in Plön und in Ratzeburg besuchte. Nach Schulabschluss und kurzem Dienst beim österreichischen Heer ging Einem nach Berlin, um bei Paul Hindemith zu studieren. Hindemith war aber bereits suspendiert worden, Einem trat im März 1938 als Kapellmeister und Korrepetitor in die Berliner Staatsoper ein.

Bei Boris Blacher studierte er von 1941 bis 1943. Es entstand das erfolgreiche Ballett „Prinzessin Turandot“, das dem 26-Jährigen frühen Ruhm einbrachte. Das Concerto, 1944 von Herbert von Karajan mit der Berliner Staatskapelle uraufgeführt, entfachte wegen der Jazz-Improvisationen im letzten Satz einen kulturpolitischen Wirbel, dem der Künstler durch eine Berufung an die Wiener Staatsoper „geographisch auswich“. 1945 entzog er sich der Gestapo, indem er sich in die Ramsau absetzte.

Bereits 1944 hatte der Komponist die Arbeit an „Dantons Tod“ aufgenommen. Die Uraufführung dieses Werks 1947 bei den Salzburger Festspielen machte den jungen Tonsetzer mit einem Schlag berühmt. 1953 wurde in Salzburg auch seine Oper „Der Prozeß“ (nach Kafka) unter Karl Böhm herausgebracht.

Brecht-Förderer, der mit dem Blasphemievorwurf lebte

1951 erschütterte ein politischer Skandal die Salzburger Festspiele in Zeiten des Kalten Kriegs: Gottfried von Einem beauftragte Bertolt Brecht, unter dem Titel „Totentanz“ ein neues Stück für die Festspiele zu schreiben, das den „Jedermann“ ablösen soll. Einem wird daraufhin aus dem Direktorium der Festspiele (seit 1948) gefeuert, das Stück wird nie fertiggestellt.

Gottfried von Einem, um 1948
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Gottfried von Einem auf einem Foto aus dem Jahr 1948: Schon in jungen Jahren hatte der Blacher-Schüler große internationale Erfolge

Einem übersiedelte 1953 nach Wien, wo er von 1963 bis 1972 eine Professur für Komposition an der Musikhochschule innehatte. In Wien entstanden auch das Ballett „Medusa“ und die in Hamburg 1964 uraufgeführte Oper „Der Zerrissene“ (nach Nestroy). Die 1971 in Wien uraufgeführte Oper „Der Besuch der alten Dame“ (nach Dürrenmatt) wurde ein internationaler Erfolg, 1976 wurde „Kabale und Liebe“ (nach Schiller) das erste Mal gezeigt.

Einems Oeuvre blieb ungeachtet aller Erfolge stets auch skandalträchtig. So protestierten 1980 katholische Kreise anlässlich der Uraufführung der Mysterienoper „Jesu Hochzeit“ in Wien, die dem Libretto von Lotte Ingrisch – mit ihr war der Künstler seit 1966 verheiratet, sie schrieb auch die Libretti zu „Tulifant“ (1990) und „Luzifers Lächeln“ (1998) und Texte zu Liedern – Blasphemie vorwarfen. Daneben entstanden zahlreiche Vokalwerke, Lieder, Orchester- und Kammermusik sowie Schauspiel- und Filmmusiken.

Lotte Ingrisch veröffentlichte 1997 unter dem Titel „Ratte und Bärenfräulein“ die Gesprächsprotokolle ihrer Unterredungen, die die Jenseitsexpertin seit seinem Todestag, dem 12. Juli 1996, mit Einem führte. Ingrisch war die letzte Frau, die prägenden Einfluss auf das Leben des Komponisten nahm, nachdem dieser besonders in jungen Jahren eine starke Bindung an seine Mutter Gerta Louise hatte, die er im gleichen Jahr (1962) wie seine erste Frau Lianne von Bismarck verlor. Aus dieser Ehe entstammt auch sein 1948 geborener Sohn Caspar, einstmaliger SPÖ-Innenminister.

Gottfried von Einem, um 1975
Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
Gottfried von Einem, einer der bekanntesten österreichischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, auf einem Foto Mitte der 1970er-Jahre

Ein „Gerechter unter den Völkern“

Gottfried von Einem nahm nachhaltigen Einfluss auf die Gestaltung der Programme der Wiener Konzerthausgesellschaft, und als deren Präsident auch auf die Aktivitäten der Urheberrechtsorganisation AKM. Einem war seit 1975 Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und seit den 1970er-Jahren „Hauskomponist“ des Carinthischen Sommers.

Zu den vielen Auszeichnungen Einems zählen der Körnerpreis (1955), der Preis der Stadt Wien für Musik (1958), der Große Österreichische Staatspreis für Musik (1965) und das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (1974). Er war Mitglied der Akademie der Künste in der DDR (1975) und der Akademie der Künste in Berlin (1979). 2002 wurde er postum von Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet, weil er u.a. den jüdischen Berliner Musiker Konrad Latte während der letzten zwei Weltkriegsjahre unterstützt und ihn vor der Deportation bewahrt hatte.

Gottfried von Einem, undatiert
APA/Votava
Gottfried von Einem (1918-1996)

„Ich gelte als erzkonservativer Postavantgardist“

Gottfried von Einems kompositorisches Schaffen, das praktisch alle musikalischen Gattungen umfasst, findet sich seit Jahrzehnten im Konzertrepertoire namhafter Interpreten und Orchester im In- und Ausland. Allen Strömungen gegenüber interessiert und aufgeschlossen blieb er zeitlebens seinem persönlichen Stil treu. „Ich gelte als erzkonservativer Postavantgardist“, behauptete Einem in seinen letzten Lebensjahren scherzhaft von sich.

Niederösterreich gegenüber fühlte sich der weltoffene Komponist stets besonders verbunden, was u.a. die 1988 im Zuge des ersten Donaufestivals uraufgeführten „Waldviertler Lieder“ belegen. Zahlreiche Werke entstanden im Waldviertler Wohnsitz Rindlberg bei Bad Großpertholz (Bezirk Gmünd), wohin sich das Künstlerpaar bis 1990 gerne zurückzog.

Das letzte Wohnhaus ist nun ein Museum

Nach dem Tod Einems schenkte seine Ehefrau Lotte Ingrisch der Stadt Maissau das letzte gemeinsame Wohnhaus des Paares, die ehemalige Volksschule in Oberdürnbach. Dort hatte Einem zuletzt Lieder, aber auch Kammermusik und Werke für Soloinstrumente komponiert. Das Haus ist seit 1998 Interessierten als Einem-Museum zugänglich. Zum Gedenken an den Komponisten veranstalten die Stadtgemeinde Maissau und die Gottfried-von-Einem-Stiftung seit 1999 alljährlich ein Musikfest, die Gottfried-von-Einem-Tage.

Bestattet wurde Gottfried von Einem in einem Ehrengrab auf dem Friedhof Wien-Hietzing. Die Stadt Wien widmete dem Komponisten im Mai 2017 den Gottfried-von-Einem-Platz in der Inneren Stadt, hinter dem Regierungsgebäude am Stubenring.