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Pilotprojekt übernimmt Kosten für Nachhilfe

Im vergangenen Schuljahr hat sich die Zahl jener Familien verdoppelt, die sich keine Nachhilfe leisten konnten. Dem will die Volkshilfe nun mit einem neuen Projekt entgegenwirken. Je nach Einkommen der Eltern ist Nachhilfe sogar kostenlos möglich.

Zehn Stunden Einzelnachhilfe kosten in den Lernservicestellen der Volkshilfe normalerweise 260 Euro. Auch wenn der Bedarf in manchen Familien noch so groß sein mag: Für viele Haushalte ist solch ein Betrag einfach nicht leistbar. Speziell in Familien mit einem geringen Haushaltsbudget sei der Bedarf an Nachhilfe nach dem mittlerweile zweiten Schuljahr seit Ausbruch der Pandemie aber besonders hoch, erzählt Renate Haslinger, die Leiterin des Volkshilfe-Lernservices gegenüber noe.ORF.at.

Für Kinder aus von Armut betroffenen oder armutsgefährdeten Familien bietet die Volkshilfe ab sofort geförderte Lernhilfe an. Der Bedarf sei enorm. In vielen Familien wuchs zuletzt die Frustration, weil sie sich die marktüblichen Preisen für Lernhilfe nicht leisten können. Auch fehlt es oft am technischen Equipment und Verständnis in den Familien. „Hier klafft eine große Lücke: Einerseits ist dort besonders viel Nachhilfebedarf, andererseits haben diese Kinder und Jugendliche aber wenig Chance auf Unterstützung. Die Pandemie hat diese Schere noch weiter auseinandergehen lassen,“ so Haslinger.

Ein ähnliches Bild zeichnete zuletzt die Arbeiterkammer Niederösterreich. Die aktuellen Ergebnisse der noch laufenden Schulkostenstudie unter 1.600 Familien ergab, dass vier von zehn Familien im vergangenen Jahr Nachhilfeangebote in Anspruch nahmen. Unter den restlichen 60 Prozent hätte ein Drittel Lernunterstützung bzw. Nachhilfe für die Kinder gebraucht, konnte sich diese aber nicht leisten. Im Jahr zuvor waren es halb so viele.

Gestaffelte Kostenübernahme je nach Einkommen

Laut Ewald Sacher, Präsident der Volkshilfe Niederösterreich, ist der Bildungserfolg der Kinder nach wie vor zu oft an das Einkommen der Eltern geknüpft. Mit der neuen Nachhilfe-Unterstützung leiste die Volkshilfe „Pionierarbeit“. Damit wolle man Kindern aus armutsgefährdeten Familien "mit einem erfolgreichen Schulabschluss die nachhaltige Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Alle Kinder sollen die Chance auf ein gutes Leben erhalten und das unabhängig vom Einkommen der Familie.“

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Je nach Haushaltseinkommen werden die individuellen Einzeltrainings mit gestaffelter Förderung angeboten – mit Kostenübernahmen zwischen zehn und 100 Prozent

Die Statistik Austria bezifferte den Anteil der armutsgefährdeten Bevölkerung im Jahr 2020 mit 17,5 Prozent. Der Volkshilfe zufolge sind in Österreich 324.000 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre armutsgefährdet. Bildung sei der beste Schlüssel, um die Armutsspirale nach unten zu durchbrechen.

Beim neuen Projekt der geförderten Lernhilfe werden die anfallenden Nachhilfekosten für Kinder aus Familien unterhalb der Armutsgrenze komplett übernommen. Für alle knapp darüber gibt es gestaffelte Förderungen zwischen 10 und 90 Prozent der Kursgebühr. Die Mittel dazu kommen von SpenderInnen und SponsorInnen. Vorerst startet das Angebot im Zentralraum von St. Pölten und im südlichen Niederösterreich in den Bezirken Baden, Wiener Neustadt und Neunkirchen.

Schamgrenze Armut: Anonyme Beratung möglich

Anträge für geförderte Nachhilfe können ab sofort in den Lernhilfeservices der Volkshilfe eingereicht werden. Basis für die Höhe der Förderung ist die Preisliste des jeweiligen Lernhilfeinstituts und die zum Zeitpunkt des Einlangens des Förderansuchens gültige Einstufung anhand der sogenannten „EU-SILC Tabelle“. Sie dient als Bewertungsgrundlage für die Einkommenshöhe und Armutseinschätzung der betroffenen Familien.

„Wichtig ist, dass Eltern armutsgefährdeter Kinder diskret und unkompliziert das Angebot in Anspruch nehmen können“, sagt Renate Haslinger, die Leiterin des Lernservices. Sie weiß aus Erfahrung, dass armutsgefährdete Familien oft Hemmungen hätten, Hilfe zu suchen und ihren finanziellen Engpass einzugestehen. "Ein Anruf genügt und wir beraten auch anonym und kostenlos“, so Haslinger.

Angeboten werden Zehnerblöcke für Kinder und Jugendliche von der Volksschule bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Zur Verfügung stehen sie für alle Unterrichtsgegenstände, auch für die Berufsschulfächer von Lehrlingen. Betreut werden die Betroffenen in individuellen Einzeltrainings, wie bei der Volkshilfe betont wird, weil es für die Kinder und Jugendlichen "wesentlich effizienter und zielgerichteter ist als Lernen in der Gruppe“.