Zerstörungen in Lüttich
NÖLFK/Matthias Fischer
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Chronik

Belgien: „Deprimierender Einsatz“ für Helfer

Rund 120 Mitglieder der niederösterreichischen Feuerwehren sind nach schweren Unwettern nach Belgien ausgerückt. Am Freitag gingen sie im Raum Lüttich zu Werk. Dort offenbarten sich ihnen laut Landesfeuerwehrverband „deprimierende Szenarien“.

Der Hilfskonvoi der Feuerwehr war am Donnerstagnachmitttag mit 26 Rettungsbooten im Gepäck aufgebrochen. Nach zwölfstündiger Fahrt wurde das Katastrophengebiet um Lüttich erreicht. Es begann die Suche nach Überlebenden im Hochwasserchaos. Wohnhäuser sind verwüstet, Autos in den Fluten versunken, Infrastruktur zerstört.

Die Feuerwehrleute aus Niederösterreich sind in Theux und in einem Randbezirk Lüttichs im Einsatz, sagte Einsatzleiter Christian Edlinger gegenüber noe.ORF.at. Sie müssten nun 70 bis 80 teils eingestürzte Häuser durchsuchen, in denen das Wasser zum Teil zwei Meter hoch gestanden sei. Laut Edlinger haben die Wassermassen eine Spur der Verwüstung durch den Bezirk gezogen: „Man kann sich das so vorstellen: Die Gehsteige, Pflastersteine sind herausgerissen. Der Gehsteig ist weg. Die Personen räumen ihre Häuser aus. Es sieht aus wie nach einem Krieg.“

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Zerstörungen in Lüttich
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Die österreichischen Feuerwehrleute in Belgien werden in Abstimmung mit der belgischen Einsatzleitung im Raum Lüttich Rettungs- und Transportaufgaben durchführen, heißt es aus dem Innenministerium
Zerstörungen in Lüttich
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Die Dauer des Einsatzes wird mit den belgischen Behörden abgestimmt, vorerst werden werden die Feuerwehrleute drei bis fünf Tage bleiben
Zerstörungen in Lüttich
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In Lüttich beginnt man mit dem Aufräumen. In der Nacht stieg der Wasserpegel der Maas nicht weiter.
Zerstörungen in Lüttich
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Am Donnerstag waren die Einwohner der Großstadt Lüttich aufgerufen worden, schnell ihre Häuser zu verlassen

In Theux, einer 12.000 Einwohner zählenden Stadt in der belgischen Provinz Lüttich, hatte sich das den Ortskern durchziehende Flüsschen namens Hoegne zu einer reißenden Gewalt entwickelt und nach Feuerwehrangaben einen Rekordpegel erreicht. „Die Strömungsgeschwindigkeit war so enorm, dass Autos wie Zündholzschachteln wegschwemmt und ein Großteil aller Gebäude massiv beschädigt wurden“, berichtete Franz Resperger vom Landesfeuerwehrkommando in einer Aussendung. Kein Bewohner von Theux könne sich „an eine derartige Flutkatastrophe erinnern“.

Da in eingestürzten Objekten Personen verschüttet sein könnten, waren die Helfer aus Österreich damit beschäftigt, mögliche Opfer zu lokalisieren und im Bedarfsfall auch zu befreien. Durchsucht wurden außerdem zahlreiche Autowracks, da es im Bereich des Möglichen stand, dass Menschen in den Fahrzeugen eingeschlossen sein könnten.

Schwere Schäden hat die Flut an der örtlichen Infrastruktur hinterlassen. „Der Strom ist durch gebrochene Masten teilweise ausgefallen, in Straßen und auf Gehsteigen klaffen riesige Löcher im Asphalt“, hieß es.

Feuerwehr in Lüttich im Einsatz

Die Situation in Deutschland, in den Niederlanden und Belgien nach den heftigen Unwettern ist katastrophal. Es gibt viele Tote. Seit heute Früh sind mehr als 100 Feuerwehrleute aus Niederösterreich bei Lüttich in Belgien im Hilfseinsatz.

Trotz der vorherrschenden prekären Situation wurden den Feuerwehrleuten aus dem relativ weit entfernten Niederösterreich immer wieder Sympathiebekundungen entgegengebracht. „Viele Menschen sind den Einsatzkräften um den Hals gefallen und haben sich für die rasche Hilfe bedankt“, wurde in der Aussendung hervorgehoben.

Feuerwehrleute vorerst drei bis fünf Tage im Einsatz

Bei Bedarf könne das Kontingent der Feuerwehr innerhalb weniger Stunden um ein Vielfaches erweitert werden, sagt Niederösterreichs Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner: „Wir könnten insgesamt bis zu 60 Rettungsboote samt ausgebildeten Schiffsführern nach Belgien entsenden. Aber auch Großpumpen und leistungsfähige Stromgeneratoren. Unsere Leute stehen jedenfalls Gewehr bei Fuß."

Die Dauer des Einsatzes wird laut einer Aussendung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) mit den belgischen Behörden abgestimmt. Die Kosten für den Transport der Einsatzkräfte werden zu 75 Prozent von der Europäische Kommission übernommen. Die Unterstützung läuft über das Innenministerium, das für die internationalen Katastrophenhilfe und das „Staatliche Krisen- und Katastrophenmanagement“ (SKKM) zuständig ist.

Feuerwehr hilft in Belgien

Nach den schweren Unwettern ist ein Hilfskonvoi aus Niederösterreich in das Katastrophengebiet aufgebrochen.

21.000 Menschen in Belgien ohne Strom

Die belgische Tageszeitung „Le Soir“ berichtete am Freitag unter Berufung auf die Behörden von 15 Verstorbenen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunksender hatte zuvor zwölf Tote und mindestens fünf Vermisste gemeldet. Der wallonische Regierungschef Elio Di Rupo sagte am Freitag, er befürchte, dass die Zahl der Todesopfer weiter steigen werde. „Gestern Abend waren noch Hunderte Menschen in ihren Häusern eingeschlossen“, sagte Di Rupo.

Das Krisenzentrum forderte die Bürger im Süden und Osten Belgiens auf, auf sämtliche Reisen zu verzichten. Dutzende Straßenabschnitte blieben für den Verkehr gesperrt, ebenso wie die meisten Bahnstrecken in der Wallonie. Mehr als 21.000 Menschen in der Region waren ohne Strom. Am Freitag verkehrten zudem keine Thalys-Hochgeschwindigkeitszüge mehr zwischen Belgien und Deutschland. Im Westen Deutschlands haben die Unwetter, genauso wie in Teilen Luxemburgs und den Niederlanden, zu katastrophalen Szenen geführt – mehr dazu in Weitere Tote bei Hauseinstürzen (news.ORF.at; 16.7.2021).