In entscheidenden Momenten die Ruhe zu bewahren und nicht die Nerven wegzuschmeißen, wie Bönisch ausführte, ist sicher kein Nachteil in einem Olympiaturnier. „Zu ruhig vor dem ersten Kampf ist aber auch nicht gut. Aber wir wissen, was wir machen müssen, damit wir voll da sind“, versicherte Michaela Polleres. Auftaktgegnerin Megan Fletcher aus Irland wurde schon mehrfach besiegt, zuletzt bei der WM.
„Michi hat ein sehr gutes Gefühl auf der Matte. Aber Fletcher hat mit ihrem Trainer im taktischen Bereich sicherlich sehr gut gearbeitet“, meint Bönisch. In Budapest hatte sich Polleres im Kampf um Bronze gegen Fletcher durchgesetzt. Auch die bei Olympia nächstmögliche Gegnerin, die Südkoreanerin Kim Seongyeon, schlug sie in Ungarn. Um den Poolsieg und damit das Halbfinale könnte die Kroatin Barbara Matic warten, der Polleres bei der WM im Halbfinale unterlegen war. Es böte sich die Möglichkeit zur Revanche.
„Ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken“
Was die Auslosung betreffe, verschaffe sie sich immer erst einmal einen kurzen generellen Überblick, „dann liegt der Fokus auf dem ersten Kampf, dann schauen wir weiter“. Die erste Einschätzung erhalte sie von ihrem Heimtrainer Adi Zeltner aus Österreich, dann rede sie mit Yvonne Bönisch und bespreche, wie man es am besten angehe.
Gegen die meisten habe sie ja schon einmal gekämpft. „Bei jemandem, gegen den ich verloren habe, schaue ich mir schon noch was an. Ansonsten will ich am liebsten kurz und konkret das Wichtigste wissen. Damit ich mir das auch merke. Wenn es zu viel ist, bringt es auch nichts. Ich gehe es beim Aufwärmen nochmals durch, das war es dann“, so die Kämpferin bis 70 kg. Sie versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken: „Wenn ich gewinnen will, muss ich eh jede schlagen.“
Neues Selbstvertrauen durch Olympia-Bronze
Polleres, die in Neunkirchen lebt, holte heuer bei den Weltmeisterschaften die erste Judomedaille für Österreich seit elf Jahren. „Die Medaille vor den Olympischen Spielen hat mir Motivation gegeben und gezeigt, dass ich ganz vorne mitkämpfen kann. Mit wurde eine Last von den Schultern genommen, ich habe neues Selbstvertrauen bekommen“, sagte sie zur APA. Zu den Mitfavoritinnen zu zählen, nimmt sie gern an. „Es freut mich, dass ich vorne dabei bin.“
Polleres begann mit acht Jahren mit dem Judosport. „Mit Judo konnte nichts konkurrieren. Ich habe ein paarmal versucht, Tennis zu spielen. Bei einer Judovorführung in der Schule dachte ich mir, das schaut cool aus, das probiere ich.“ Ganz so einfach war der Start dann aber nicht – und da kommt wieder die zurückhaltende Art der Niederösterreicherin ins Spiel.
„Ohne meine Eltern wäre nichts gegangen. Mama hat mich regelmäßig hingebracht zum Training. Ich habe einen kleinen Schubs gebraucht, weil ich so schüchtern war. Dann habe ich neue Freunde kennengelernt. Es hat so viel Spaß gemacht, dass ich dabei geblieben bin“, meinte die Bronzemedaillengewinnerin der Olympischen Jugendspiele 2014 in Nanjing.