Norman Schmid im Gespräch mit Thomas Birgfellner
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Niederösterreich impft

Impfen ohne Termin mit Eissalon vergleichbar

„Wenn viele Menschen Schlange stehen, muss das, worauf sie warten, attraktiv sein“, sagt Psychologe Norman Schmid – wie bei einem Eissalon. In Bezug aufs Impfen heißt das: Man könnte die Psychologie durchaus nutzen, um die Impfbereitschaft zu erhöhen.

Obwohl in Niederösterreich immer wieder betont wird, dass es genügend freie Impftermine über die Buchungsplattform gebe, scheint eine gewisse Nachfrage nach Impfaktionen ohne Termin da zu sein. Eine solche gab es vergangene Woche in St. Pölten – mehr dazu in Großer Andrang bei „Impfen ohne Termin“ (noe.ORF.at; 20.7.2021). Dieses Wochenende folgt eine weitere Aktion in Wiener Neustadt, im August soll es solche flächendeckend geben – mehr dazu in Impfen ohne Termin ab August denkbar (noe.ORF.at; 21.7.2021).

Wahlfreiheit ein entscheidender Faktor

Die Frage, warum viele lieber bei einer solchen Aktion oft stundenlang warten anstatt sich einen Termin zu vereinbaren, beantwortet Psychologe Norman Schmid aus St. Pölten mit „persönlicher Freiheit“. „Wenn ich einen Termin vereinbare, werde ich dazu gezwungen, diese Zeit einzuhalten. Wenn ich jederzeit sagen kann, ich lasse das wieder bleiben, fühle ich mich wohler“, erklärt er im „NÖ heute“-Interview. Mit dieser Wahlfreiheit seien viele eher bereit, sich darauf einzulassen.

Psychologe über Impfbereitschaft

Psychologe Norman Schmid im Gespräch über Impfbereitschaft, Impfskepsis und die regionalen Unterschiede.

Generell gebe es bestimmte psychologische Erklärungsmechanismen, die man nutzen könnte, um die Bereitschaft zur Immunisierung zu erhöhen, so Schmid. Auch die Attraktivität spiele beim Impfen ohne Termin nämlich eine Rolle. „Wenn ich sehe, dass viele Menschen in einer Schlange stehen, dann muss das, worauf sie warten, attraktiv sein. Das ist beim Eissalon so und genauso auch bei der Impfung.“

Regionale Unterschiede mit Herdenverhalten erklärbar

Aus psychologischer Sicht spannend sind auch die großen regionalen Unterschiede die Impfbereitschaft betreffend. Die Statistik zeigt deutlich, dass Gemeinden mit hohen Impfraten eher kleiner sind – in der Spitzenreiter-Gemeinde Aderklaa (Bezirk Gänserndorf) sind es etwa 76 Prozent , während Städte wie St. Pölten und Wiener Neustadt mit 60 bzw. 56 Prozent deutlich dahinter liegen – mehr dazu in Kleine Gemeinden oft mit höherer Impfrate (noe.ORF.at; 28.7.2021).

Gruppendynamik und Sozialpsychologie spielen hier eine große Rolle, sagt der Psychologe. Wer mehrere Personen in seinem näheren Umfeld kennt, die sich impfen lassen, den wird das motivieren. Wer eher wenige kennt, wird das als abschreckend betrachten. „Der Mensch hat schon ein bisschen ein Herdenverhalten“, so Norman Schmid. „Er läuft denen hinterher, die etwas tun, vor allem dann, wenn diese positiv bewertet werden – vom Freundeskreis oder angesehene Personen etwa.“

Role Models für Jugend entscheidend

Um die Impfbereitschaft bei Jugendlichen zu heben, empfiehlt Schmid deshalb generell mehr auf Role Models zu setzen. Das könnten Musiker, Schauspieler aber auch sonstige anerkannte Personen sein. Und für alle anderen könnte man aus seiner Sicht die Anreize und Belohnungen, die die Impfung bringt, noch mehr bewerben. „Die Freiheit ist ein hohes Gut geworden“, so Schmid. „Da ist der Anreiz, durch eine Impfung das Privileg zu haben, sich wieder freier bewegen zu können, ein sehr großer.“