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Niederösterreich impft

Experte: „Impfung ist der einfachere Weg“

Niederösterreich führt ab September eine Impfpflicht für Landesbedienstete ein. „Kein Freund von Impfpflichten“ ist Infektiologe Kollaritsch. Er setze auf „sanften Druck“, um zu zeigen, dass die „Impfung der einfachere Weg“ sei.

Die Impfungen schreiten voran, doch nach wie vor sind nicht alle Menschen bereit, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. In Pflegeheimen sind aktuell mindestens 67 Prozent des Personals geimpft, in den Landeskliniken mindestens 72 Prozent. Bei Schul- und Kindergartenpersonal liegt die Schätzung bei 80 Prozent. Für andere Bereiche des Landesdienstes, etwa den Straßendienst oder die Verwaltung, liegen keine Zahlen vor.

Dass man generell eine Durchimpfungsrate von 80 Prozent erreichen möchte, hält Herwig Kollaritsch, Infektiologe und Mitglied der Coronavirus-Taskforce im Gesundheitsministerium, für unrealistisch. Wichtiger sei es, so viele Menschen wie möglich von der Impfung überzeugen zu können, sagt er in „Niederösterreich heute“.

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Herwig Kollaritsch im Gespräch mit „NÖ heute“-Moderator Robert Ziegler

noe.ORF.at: Niederösterreich ist mit der ab September geltenden Impfpflicht für alle neu in den Landesdienst Eintretenden einen Schritt vorangegangen. In Deutschland diskutiert man sogar über Einschränkungen für alle Ungeimpften. Sie haben bisher auf Überzeugungsarbeit gesetzt. Wird das ausreichen oder sind Sie auch für solche Maßnahmen?

Herwig Kollaritsch: Ich bin nach wie vor kein großer Freund von Impfpflichten, außer in Bereichen, wo einem besonders vulnerable Personen anvertraut sind. Ich spreche speziell den Gesundheitsdienst an. Ansonsten sollte man schon versuchen, mit Überzeugungsarbeit zu punkten und vielleicht auch einen ganz, ganz sanften Druck ausüben, einfach um den Leuten klar zu machen: Die Impfung ist der einfachere Weg.

noe.ORF.at: Aber kann man denn mit Überzeugungsarbeit alleine auf die angestrebten 80 Prozent kommen?

Kollaritsch: Ich muss ehrlich sagen, für mich sind diese 80 Prozent eine Hausnummer. Wir müssen eine Durchimpfung erreichen, die so hoch wie irgend möglich ist. Je höher – jeder Prozentpunkt zählt –, desto geringer werden unsere Probleme im Herbst werden. Aber ob das 70, 80 oder 85 Prozent sind, ist letztlich nur etwas, was sich in der Auswirkung niederschlägt.

noe.ORF.at: Das heißt, Sie sagen, eine bestimmte Prozentzahl ist nicht so wichtig? Aber ist nicht jeder Prozentpunkt ein Teil, der dafür sorgt, dass mehr Menschen geschützt sind und auch andere schützen? Dann ist es ja doch relevant, ob 70, 80 oder 85 Prozent geimpft sind?

Kollaritsch: Natürlich, ja. Aber ich finde, wir sollten uns nicht eine Zielsetzung vorgeben, die unrealistisch ist. Wir werden 80 Prozent geschützte Population nicht erreichen können, das geht nicht, weil wir relativ viele Personen haben, die wir noch nicht impfen können bzw. dürfen und andererseits, weil die Effektivität der Impfung nur 90 Prozent beträgt.

noe.ORF.at: Die Ärztekammer fordert jetzt, die Tests kostenpflichtig zu machen. Das wäre sozusagen ein Impfdruck von hinten, dass ich für den Test zahlen muss, wenn ich mich nicht impfen lasse. Ist das sinnvoll?

Kollaritsch: Zum Teil ja, würde ich sagen. Überall dort, wo die Tests dazu dienen, sich für Freizeitaktivitäten etc. nach der 3-G-Regel freizutesten, würde ich meinen, dass ein kostenfreies Testangebot auf Dauer nicht haltbar ist, weil das doch sehr, sehr viel Geld ist, das hier aufgewendet werden muss.

noe.ORF.at: Die ersten Personen, vor allem ältere, sind ja bereits zu Beginn des Jahres geimpft worden. Es herrscht noch ziemliche Unklarheit, wann eine Auffrischung notwendig ist. Viele sagen, das käme jetzt im Herbst. Wie ist das aus Ihrer Sicht?

Kollaritsch: Wir haben das Problem, dass wir hier wirklich keine belastbaren und soliden Daten haben, wann der optimale Auffrischzeitpunkt wäre, aber ich gehe davon aus, dass wir uns im Laufe des Augusts letztlich dafür entscheiden müssen, wann wir für Auffrischimpfungen öffnen.

Und hier wird sicherlich die Klientel eine wesentliche Rolle spielen. Wenn wir nämlich die Impflinge der ersten Stunden betrachten – jene, die in Alters- oder Pflegeheimen untergebracht oder diejenigen, die hochbetagt sind oder jene mit entsprechenden Immunschwächen –, da wird es sicher sinnvoll sein, im frühen Herbst daran zu denken, eine Auffrischimpfung durchzuführen. Bei allen anderen kann man sich sicher noch ein bisschen Zeit lassen, denn wir wissen, dass der Impferfolg überaus gut ist, vor allem bei den mRNA-Impfstoffen.