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„Grund und Boden“

Experten: „Zerstörter Boden auf ewig tot“

Österreich ist Europameister im Bodenverbrauch, 16 Fußballfelder werden täglich zugebaut und sind damit unwiederbringlich verloren. Gerade in Sommern mit vielen starken Regengüssen sind die Auswirkungen der falschen Bodennutzung deutlich spürbar.

Wenn die Bodenversiegelung in Österreich nicht rasch gestoppt oder zumindest deutlich verlangsamt werde, dann sei Österreich in 200 Jahren zubetoniert, warnt die Hagelversicherung. Was das bedeutet, zeigt ein Lokalaugenschein von noe.ORF.at auf dem Bio-Bauernhof Grand-Farm in Absdorf (Bezirk Tulln). Fest steht: Fruchtbarer Boden ist für die Menschheit überlebenswichtig und das aus gleich mehreren Gründen.

Wiesen, Felder und Äcker liefern einerseits Nahrung für Mensch und Tier, sind aber auch eine wichtige Energiequelle als Lieferant von Biomasse. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, findet klare Worte: „Wir haben in Österreich beim Getreide einen Selbstversorgungsgrad von 85 Prozent, bei Obst und Gemüse von 50 Prozent. Wir sind in diesem Bereich also sehr verletzbar.“

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Der Bodenquerschnitt zeigt die dünne, fruchtbare Oberbodenschicht

Alle Pflanzen benötigen fruchtbaren Humus, um wachsen zu können. Die Nährstoffe für das Pflanzenwachstum kommen aus der fruchtbaren obersten Bodenschicht, die relativ dünn und fragil ist, wie der Bodenquerschnitt zeigt. Markus Puschenreiter vom Institut für Bodenforschung der Universität für Bodenkultur erklärt: „Der Oberboden beträgt oft nur 15 bis 25 Zentimeter, es ist also eine relativ dünne Schicht. Man kann sich vorstellen, dass innerhalb kurzer Zeit große Mengen des fruchtbaren Bodens verloren gehen, wenn es durch schlechte Bodenbearbeitung zu einer Erosion kommt.“

Boden als Wasserspeicher verhindert Hochwasser

Eine weitere wichtige Funktion des Bodens ist die Fähigkeit, Wasser zu speichern. Diese Fähigkeit wird durch Versiegelung blockiert. Dass Wasser von Asphalt oder Dächern nur abrinnen, nicht aber aufgenommen werden kann, ist klar. Es gibt aber noch eine weitere, weniger bekannte Dimension in dieser Problematik: Stark maschinell bearbeitete Böden speichern Wasser deutlich schlechter als Böden, die beispielsweise gemulcht wurden.

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Gemulchter Boden hat eine krümelige Struktur, hier kann Wasser gut versickern

Grund und Boden

Der Bodenverbrauch ist einer der größten Treiber der Klimakrise. Der ORF Niederösterreich widmet sich in einem Schwerpunkt jeden Samstag verschiedenen Aspekten des Bauens, Wohnens und der Bodenversiegelung.

„Jede Bodenbearbeitung zerstört die Bodenstruktur und damit die Aggregatstabilität. Das heißt, die kleinen Krümel, aus denen Boden normalerweise besteht, zerfließen in ihre Bestandteile und dadurch bildet sich eine Schlämmschicht an der Oberfläche. Die sorgt dafür, dass das Wasser nicht eindringen kann, sondern oberflächlich abfließt“, erklärt Biobauer Alfred Grand.

Im Gegensatz dazu sei das Mulchen etwa mit Luzerne eine gute Möglichkeit, damit Felder auch starken Regen gut aufnehmen können. In einem gemulchten Boden bleibe die krümelige Struktur erhalten, das Wasser dringe leicht ein und könne gut abrinnen.

In einer Handvoll Boden leben 8 Milliarden Lebewesen

Noch eine weitere wichtige Funktion hat Boden, er kann CO2 speichern. Wird Boden zerstört, wird klimaschädliches Treibhausgas freigesetzt. Auch in Sachen Biodiversität wird einfache Erde oft unterschätzt, sagt Weinberger: „Der Boden ist ein Wunderwerk. In einer Handvoll Boden leben so viele Lebewesen wie Menschen auf der Welt, etwa 8 Milliarden.“ Mikroorganismen, Pilze, Bakterien und Flechten leben ebenso im Boden wie Amöben, Fadenwürmer, Milben und Asseln, dazu die bekannteren Regenwürmer, Käfer, Maulwürfe und Mäuse.

Boden hat viele wichtige Funktionen, die zeigen, dass seine Zerstörung dringend gestoppt oder zumindest gebremst werden sollte. Denn in einem Punkt sind sich alle Experten absolut einig: Boden, der zerstört wurde, kann vom Menschen nicht wiederhergestellt werden.

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Wurde Boden einmal zerstört, kann er vom Menschen nicht wiederhergestellt werden, wissen die Experten

„Wenn man weiß, dass die Produktion von einem Zentimeter humusreichem Oberboden hundert Jahre dauert, kann man sich vorstellen, wie lange es dauert, eine dünne Schicht von 20 Zentimetern zu erzeugen“, sagt Markus Puschenreiter. Alfred Grand ergänzt: „Da gibt es ein französisches Sprichwort, das besagt ‚Gott weiß, wie man Boden macht, und dieses Wissen hat er an die Regenwürmer weitergegeben‘. Der Mensch hält sich ja oft für sehr überlegen, aber Boden kann er einfach nicht herstellen.“