Hans Weigel, undatiert
APA/Künstlerbüro
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Kultur

Vor 30 Jahren starb der Literat Hans Weigel

Am Donnerstag jährt sich Hans Weigels Todestag zum dreißigsten Mal: Der Kritiker, Romancier und Literaturmanager war u.a. bekannt als Molière-Übersetzer, Förderer junger Talente und Gründer der Nestroy-Festspiele auf Burg Liechtenstein (Bezirk Mödling).

Auf die Frage „Wer war Hans Weigel?“ antwortete seine 2019 verstorbene Ehefrau Elfriede Ott einmal: „Alles. Literat, Prophet, Liebender des Theaters, der Musik, des Kabaretts, der Schauspieler, die gut waren, der jungen Literaten, des Fußballs, der Musiker, der Komponisten, und vor allem Österreichs. Wie war Hans Weigel? Übertrieben in Zuneigungen und Abneigungen, sehend mit schwachen Augen, als Theaterkritiker gefürchtet und anerkannt, liebevoll und streng. Von Vielen abgelehnt und doch geachtet, mit offenen Armen und introvertiert, schweigsam und redegewandt, anbetend und ablehnend und vor allem großherzig.“

„Ich bin um acht Jahre jünger als das Jahrhundert und um zehn Jahre älter als die Republik“, schrieb Hans Weigel in seinen „Erinnerungen eines kritischen Patrioten“, die von Elke Vujica unter dem Titel „In die weite Welt hinein. Erinnerungen eines kritischen Patrioten“ in der Literaturedition Niederösterreich herausgegeben wurden. Weigel hatte seine Erinnerungen an seine Kindheit und Jugendzeit bis zu seinen schriftstellerischen Anfängen in den Wiener Kabaretts und seiner Emigration in die Schweiz im März 1938 in den Jahren 1972/73 niedergeschrieben und war bei seinem damaligen Verlag auf Ablehnung gestoßen. Erst 2008 wurden Weigels Erinnerungen veröffentlicht.

Der Brecht-Gegner, der als Kritiker Ohrfeigen bekam

Der am 29. Mai 1908 in Wien geborene Hans Weigel besuchte das Akademische Gymnasium in seiner Geburtsstadt, inskribierte zunächst Jus in Hamburg und begann seine Karriere als Volontär der Berliner Zeitschrift „Die literarische Welt“. 1928 kehrte er nach Wien zurück, arbeitete zunächst in einem Buchverlag, danach als Schriftsteller, Journalist, Kritiker, Autor für Kleinkunstbühnen, Radio-Kommentator und Lektor an der Wiener Universität. 1938 emigrierte er wegen seiner jüdischen Abstammung in die Schweiz, wo er für Kabaretts sowie als Verlagslektor arbeitete. Bald nach Kriegsende kehrte er nach Österreich zurück.

Hans Weigel, undatiert
APA/Privatarchiv Elfriede Ott
Hans Weigel war im Wien der Nachkriegszeit in der Wiener Literaturszene eine feste Größe, damals wie heute nicht unumstritten, und das nicht nur wegen seines antikommunistischen Kurses

Seine Tätigkeit als viel beachteter Theaterkritiker, die er bis 1961 unter anderem für das „Neue Österreich“ und den „Kurier“ ausübte, gipfelte in einer viel beachteten „Watschenaffäre“: Die Schauspielerin Käthe Dorsch stellte 1956 Weigel nach einer schlechten Kritik im Kaffeehaus, nannte ihn (so das Urteil des folgenden Strafverfahrens, bei dem sie zu einer Geldstrafe von 500 Schilling verurteilt wurde) „Dreckkerl“ und „Dreckfink“ und verpasste ihm zwei Ohrfeigen.

„Ich entdeckte Aichinger, Bachmann, Celan und Dor“

Im Kaffeehaus (an der Fassade des Cafe Raimund in der Museumstraße gegenüber dem Wiener Volkstheater erinnert eine von der Österreichischen Gesellschaft für Literatur angebrachte Gedenktafel daran) entfaltete er auch seine einflussreiche Tätigkeit als Förderer junger Talente, die er u.a. 1951 bis 1954 als Herausgeber der einflussreichen literarischen Anthologie „Stimmen der Gegenwart“ nach Kräften unterstützte.

„Ich habe tatsächlich die Aichinger, die Bachmann, den Celan, den Dor, die Ebner, den Federmann, den Guttenbrunner, die Haushofer entdeckt beziehungsweise gefördert und weiter im Alphabet noch viele andere bis Zand und Zusanek“, schrieb Weigel. Seinen Einfluss machte er jedoch auch für den Brecht-Boykott an den Wiener Bühnen der 1950er-Jahre geltend.

„Inhaber einer stadtbekannten Schriftstellerei“

Als „Inhaber einer stadtbekannten Schriftstellerei (Einmannbetrieb)“ (Weigel) verfasste er Romane („Der grüne Stern“, „Das himmlische Leben“, „Hölle oder Fegefeuer“), Revuen, Dramen und Komödien („Axel an der Himmelstür“, „Barabbas oder Der fünfzigste Geburtstag“, „Angelica“, „Das wissen die Götter“, „Entweder-oder“, „Erde“), arbeitete als Übersetzer (u.a. der Stücke von Molière) und schuf eine Fülle von Büchern und Essays über Österreich („O du mein Österreich“, „Das tausendjährige Kind“), die Wiener Philharmoniker, die Schauspieler Josef Meinrad und Attila Hörbiger sowie über Sprachkritik („Die Leiden der jungen Wörter“) und seine literarischen Vorbilder Karl Kraus und Johann Nestroy.

Hans Weigel bei der Österreichischen Buchwoche in Wien 1974
Hans Weigel bei der Österreichischen Buchwoche in Wien, 1974

Für seine Arbeiten erhielt Hans Weigel zahlreiche Auszeichnungen wie etwa den Kulturpreis des Landes Niederösterreich, das Österreichische Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft I. Klasse, den Goldenen Rathausmann, den Johann-Nestroy-Ring sowie den Ehrenring der Stadt Wien. Die Hälfte der Dotierung des Österreichischen Staatspreises für Kulturpublizistik (1983) stellte er fünf jungen Autoren zur Verfügung. Im selben Jahr gründeten er und Elfriede Ott in Maria Enzersdorf die Nestroy-Festspiele auf Burg Liechtenstein.

Am 12. August 1991 starb Hans Weigel im Alter von 83 Jahren in seinem Haus in Maria Enzersdorf bei Wien. Hans Weigel ist in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33 G, Nummer 79) begraben. Elfriede Otto, die am 12. Juni 2019 – einen Tag nach ihrem 94. Geburtstag starb –, wurde im Ehrengrab ihres Ehemannes beigesetzt – mehr dazu in Elfriede Ott ist tot (noe.ORF.at; 12.6.2019).

Seit dem Todesjahr werden vom Land Niederösterreich die nach dem Schriftsteller benannten Hans-Weigel-Literaturstipendien vergeben. Die mit je 12.000 Euro dotierten Stipendien erhielten u.a. Mario Schlembach, Isabella Feimer, Simone Hirth, Verena Dürr, Cornelia Hülmbauer, Robert Seethaler, Magda Woitzuck, Richard Schuberth, Vea Kaiser, Martin Prinz, Cornelia Travnicek, Sylvia Unterrader, Margit Hahn, Walter Klier und Barbara Neuwirth.