Yutaka Sado
Yuji Hori
Yuji Hori
„Ganz Persönlich“

Sado: „Musik ist wie Apfelstrudel“

Sieben Monate lang konnte Stardirigent Yutaka Sado nicht mit dem Tonkünstler-Orchester auftreten. Beim Grafenegg-Festival gab es nun ein fulminantes Wiedersehen. Er habe geweint, als er alle wiedergesehen habe, so Sado. Musik sei für ihn „wie Apfelstrudel“.

Yutaka Sado ist einer der international bekanntesten japanischen Dirigenten und seit 2015 Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. Er lebt in Wien und Japan. Der 60-Jährige ist verheiratet und hat eine elfjährige Tochter.

noe.ORF.at: Sie sprechen Deutsch und Englisch. Wie unterhalten Sie sich mit dem Orchester? Sprechen Sie Deutsch oder Englisch miteinander?

Yutaka Sado: Beides (lacht). Es ist eine Mischung. Wenn wir proben, dann sage ich oft auf Deutsch „zu spät“ oder „zu laut“. Aber wenn ich etwas Lustiges sage, einen Witz machen will, dann muss ich das auf Englisch machen, das ist auf Deutsch sehr schwierig für mich. Und wir brauchen manchmal etwas Lustiges. Wir konzentrieren uns so sehr auf die Musik, den Rhythmus oder den Einsatz, da braucht man ab und zu einen Witz.

noe.ORF.at: Coronavirusbedingt waren viele Konzerte abgesagt. Wie ist das Gefühl, jetzt wieder auf der Bühne zu stehen?

Sado: Es ist wirklich ein Vergnügen, wieder da zu sein. Ich habe die spezielle Atmosphäre hier und den speziellen Tonkünstler-Orchester-Sound vermisst. Letztes Jahr haben wir oft Musik im Studio aufgenommen, beispielsweise für Konzerte im Internet. Aber mir ist bewusst geworden, dass wir alle zusammen Musik machen, auch das Publikum macht Musik. Musik ist wie Vitamine für das Herz. Mir ist klar geworden, wie sehr ich Musik vor, für und mit dem Publikum machen wollte.

Yutaka Sado Chefdirigent
ORF
Stardirigent Yutaka Sado im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteurin Eva Steinkellner-Klein

noe.ORF.at: Sie konnten wegen der Reisebeschränkungen sieben Monate nicht mit dem Tonkünstler-Orchester spielen. Sind Sie sich fremd geworden?

Sado: Natürlich war es sehr aufregend, einander wiederzusehen. Wir haben hier in Grafenegg die Alpensymphonie geprobt. Ich habe vor dieser ersten Probe gemeinsam ein paar Worte gesagt. Was, weiß ich nicht mehr genau, wahrscheinlich so etwas wie „Ich freue mich sehr“, und dann habe ich geweint.

noe.ORF.at: Wirklich?

Sado: Ja, ich habe sie sehr vermisst. Es war wirklich hart, als wir so lange getrennt waren.

noe.ORF.at: Sie spielen bis zu 130 Konzerte im Jahr, da ist man nicht viel zu Hause. Sie sind verheiratet und haben eine Tochter. Haben Sie die pandemiebedingte Pause auch als angenehm empfunden?

Sado: Meine Ehefrau und meine Tochter sind jetzt nach Wien gezogen. Meine Tochter ist elf Jahre alt und wird hier in die Schule gehen. Wenn ich jetzt nach Japan reise, dann bin ich allein (lacht).

noe.ORF.at: Sind Sie öfter hier als in Japan?

Sado: Normalerweise bin ich ein halbes Jahr in Europa und ein halbes Jahr in Japan, wo ich von Konzert zu Konzert reise. Also wirklich zu Hause bin ich nur drei Monate.

noe.ORF.at: Ein Höhepunkt Ihrer Karriere war das Konzert in Hamburg in der Elbphilharmonie. Es gab am Ende des Konzerts Standing Ovations. Wie fühlt man sich, wenn man merkt, dass man das Publikum wirklich bewegt hat?

Sado: Das war ein großartiger Moment. Fantastisch! Gerade die Elbphilharmonie ist aktuell sehr angesagt, jeder möchte hingehen. Nur gute Orchester können dort spielen. Das Publikum ist sehr kritisch. Wir haben die 5. Sinfonie von Mahler gespielt. Das war sehr herausfordernd, ein schweres Stück, an dem man erkennen kann, was ein Orchester kann. Wir haben wirklich schön gespielt. Das Publikum war einfach toll. Es war so ein großer Erfolg. Wir haben sehr viel Selbstvertrauen tanken können.

noe.ORF.at: Sind Sie nach all den Jahren noch aufgeregt?

Sado: Ja, immer. Aber es ist ein angenehmer Druck, dieser Druck macht mich glücklich. Wenn es nicht so wäre, dann müsste ich aufhören zu dirigieren.

noe.ORF.at: Sie waren Schüler von Leonard Bernstein (Anm.: Komponist, u.a. „Westside Story“). Was haben Sie von ihm gelernt?

Sado: Viel. Er war mein Lehrer, aber auch mein bester Freund und auch so etwas wie ein Vater. Dirigieren ist wie ein Tanz. Ich habe anfangs zu verhalten dirigiert, er hingegen hat mit den Armen ausgeholt und Musik gemacht. Wenn ich dann wieder einmal zu zurückhaltend meine Arme bewegt habe, hat er mir auf die Hand geschlagen und gesagt: „Yutaka, du musst Musik machen! Du bist doch kein Polizist!“

noe.ORF.at: Sie sind begeisterter Golfspieler. Wenn Sie auf Tournee sind, dann gehen Sie an den freien Tagen auf den Golfplatz. Ist das Ihr Ausgleich, um zu entspannen?

Sado: Wenn ich Golf spiele, dann kann ich nicht entspannen. Es ist schwer (lacht). Ich mache die ganze Zeit Fehler. Wenn ich dirigiere, dann spiele ich selbst ja keine einzige Note, das machen die anderen. Aber beim Golfen muss ich selbst schlagen, und manchmal geht der Ball nach links oder rechts und das ist dann mein Fehler. Nein, da kann ich mich wirklich nicht entspannen (lacht).

noe.ORF.at: Wie blicken Sie denn mit Hinblick auf die Coronavirus-Lage in die Zukunft? Was erhoffen Sie sich vom Herbst?

Sado: Niemand weiß, wie es weitergeht. Aber wir haben einen vollen Terminkalender. Wenn ich nach Japan zurückfahre, dann gehen dort gleich die Proben los. Wenn ich danach wieder nach Europa zurückkomme, geht es hier weiter. Wir planen ja zwei Jahre im Voraus. Ich möchte natürlich gar nichts absagen. Musik ist wie Kuchen, wie Apfelstrudel, für Jung und Alt einfach sehr wichtig.