Grafenegg Wolkenturm
Alexander Haiden
Alexander Haiden
Kultur

Grafenegg: Von der Idee zum Musikfestival

Es gab einige Kritiker und Zweifler, als vor mehr als 15 Jahren Pläne bekannt wurden, im Schlosspark in Grafenegg (Bezirk Krems) eine Bühne für ein Musikfestival zu bauen. Jetzt zählt Grafenegg im 15. Jahr zu den Highlights des Kultursommers.

„Grafenegg ist eine Liebe“, sagt Peter Jarolin, Kulturjournalist vom „Kurier“ im Gespräch mit noe.ORF.at. Er selbst war als Journalist von Beginn an dabei und hat sich am Anfang doch viele Fragen gestellt.

„Der Gedanke damals war, was passiert hier. Ich gebe ehrlich zu, es gab viele Zweifler an diesem Projekt. Aber Rudolf Buchbinder hat gesagt: ‚Weißt Du, hier entsteht etwas Großes.‘ Und es ist etwas wirklich Großes entstanden, auch dank, und das muss man ganz ehrlich sagen, Landeshauptmann Erwin Pröll und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP), die immer an dieses Projekt und an das Wunder geglaubt haben. Und dieses Wunder hat stattgefunden und seit 15 Jahren findet es statt“, sagt Jarolin.

Besucherzahlen mehr als verdreifacht

Grafenegg war in den Jahren vor 2007 eine kleine bis mittelgroße Marktgemeinde, nördlich der Donau im Westen des Tullnerfeldes. Der kulturpolitische Entschluss, am Areal des Schlossparks Grafenegg einen internationalen Kulturstandort zu entwickeln, veränderte die Bedeutung des Orts komplett. Kamen anfangs noch knapp 15.000 Besucherinnen und Besucher zu den Festivalkonzerten, so waren es in den Jahren ab 2015 schon etwa 50.000.

Wolkenturm in Grafenegg
vyhnalek.com
Der Wolkenturm (hier bei einem Festivalkonzert im Jahr 2019) ist nicht nur architektonisch einzigartig, auch die Akustik sorgt bei den Sängerinnen und Sängern immer wieder für euphorische Aussagen

Ein Erfolgsgarant seit 15 Jahren ist die künstlerische Leitung von Starpianist Rudolf Buchbinder. „Ich glaube das Essenziellste von allem war von Anfang an, dass da jemand zu seinen Kollegen gehen konnte, auf der ganzen Welt und sagen konnte: ‚Wir haben da eine Baustelle im Nichts in Niederösterreich. Da wirst du nächstes Jahr ein Konzert spielen.‘ Wenn das ein Konzertmanager gewesen wäre, dann hätte auf den niemand gehört. Wenn das Rudolf Buchbinder zu seinem Kollegen sagt, dann muss man sich das zumindest einmal ansehen“, sagt Grafenegg-Geschäftsführer Philipp Stein.

Ebenso entscheidend für die rasante Entwicklung des Musikfestivals war und ist die architektonisch und akustisch einzigartige Open-Air-Bühne. Der Wolkenturm löst vor allem bei den Sängerinnen und Sängern immer wieder Lobeshymnen aus, sagt Kulturjournalist Heinz Sichrovsky: „Der Wolkenturm ist ein Phänomen. Normalerweise seriöse Künstler im Klassikbereich geben sich ungern ins Freie, noch dazu mit Verstärkung. Das hat immer was von einer Schlagerparade an sich. Aber was dort akustisch geschehen ist, das ist ein Mirakel.“

Der verantwortliche Akustiker ist Karlheinz Müller, erzählt Geschäftsführer Philipp Stein: „Er hat unter anderem auch das Wiener Konzerthaus akustisch generalsaniert. Auch unser Auditorium hat er akustisch betreut. Das ist wirklich ein Fachmann.“

Erste öffentliche Konzerte in den 1970er-Jahren

Die Musik hat in Grafenegg freilich schon vor 2007 gespielt. Das 1294 erstmals urkundlich erwähnte Schloss Grafenegg war über Jahrhunderte hinweg Sitz edler Herren und zu deren Vergnügen gehörten schließlich auch musikalische Darbietungen. Öffentliche Vorstellungen gab es allerdings erst in den 1970er-Jahren. Gerhard Großberger, Gutsverwalter von Grafenegg, überzeugte damals den Schlossbesitzer Franz Albrecht Metternich-Sándor von seiner Idee, Konzerte in Grafenegg zu veranstalten.

Der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder, aufgenommen am 16.08.2011
APA/Marco Borggreve/dpa – Bildfunk
Starpianist Rudolf Buchbinder leitet seit dem Start 2007 das Musikfestival Grafenegg. Die Entwicklung habe er sich „in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet“, sagt er immer wieder in Interviews.

Ab 1971 machte sich Grafenegg einen Namen als Ort für kleine, aber feine Musikdarbietungen, ab 1976 fand auch der beliebte Grafenegger Advent statt. Konzerte wurden in den Folgejahren etwa im Gartensaal oder auch in der Reitschule gespielt. Unter anderem war auch Rudolf Buchbinder damals einer der Protagonisten der Konzerte.

Der weltbekannte Pianist kam schließlich nach der Jahrtausendwende wieder ins Gespräch, als der Entschluss gefasst wurde, dass Grafenegg der Ort eines Klassikfestivals von internationalem Format werden soll. Der künstlerische Leiter dieses besagten Festivals sollte schließlich niemand geringerer als Rudolf Buchbinder und damit einer der prominentesten Repräsentanten österreichischer Musikkultur sein.

Rasch wurde auch klar, dass große Spielstätten nötig werden würden. Gartensaal und Reitschule schienen plötzlich zu klein. Aus einem Architekturwettbewerb gingen Marie-Therese Harnoncourt und Ernst J. Fuchs von „the next ENTERprise-architects“ als Sieger hervor. Mit dem Wolkenturm entwarfen sie eine der besten Open-Air-Bühnen der Welt. Die Bühne bietet 1.700 Sitzplätze und 400 Rasenplätze.

European Union Youth Orchestra
ORF
Grafenegg hat sich auch längst der Musikerziehung gewidmet

Grafenegg als Standort für Zukunft und Nachhaltigkeit

Am 22. Juni 2007 wurde der Wolkenturm mit der ersten Sommernachtsgala feierlich eröffnet. Ebenfalls im Sommer 2007 fand das erste Grafenegg Festival statt. Es umfasste zwölf Hauptkonzerte und sieben Kammerkonzerte. Im darauffolgenden Jahr kam mit dem Auditorium ein moderner Konzertsaal dazu, welcher heute nicht nur als Schlechtwetteralternative im Sommer, sondern auch für die Matineen sowie den Zyklus der Schlossklänge rund ums Jahr zur Verfügung steht. Der Saal fasst 1.370 Plätze.

Ebenfalls ins Jahr 2008 fällt die Initiierung der Sommerkonzerte, welche seither dem Grafenegg Festival vorgelagert sind. Zum Tonkünstler-Orchester Niederösterreich gesellte sich ab 2009 mit dem European Union Youth Orchestra (EUYO) ein weiteres Residenzorchester. Darauf aufbauend wurde Grafenegg in den Folgejahren mehr und mehr zum Ort der Jugendförderung, eine Entwicklung, die 2018 in der Gründung des Campus Grafenegg gipfelte.

Neben höchster musikalischer Qualität wird in den kommenden Jahren auch das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen. Im Juni 2021 kam die Sommernachtsgala als traditioneller Auftakt zur Open-Air-Saison am Wolkenturm erstmals aus Rücksicht auf die Umwelt ohne Feuerwerk aus. Das Grafenegg Festival ist damit der langfristig angestrebten Zertifizierung mit dem Österreichischen Umweltzeichen als „Green Event“ einen Schritt näher.