Der Indianer Winnetou sitzt auf seinem Pferd
CK-Photography/Christoph Kragolnik
CK-Photography/Christoph Kragolnik
Kultur

Winnetou und Old Shatterhand reiten wieder

Seit mittlerweile 20 Jahren gibt es in Niederösterreich Winnetou-Spiele. Zum dritten Mal finden diese in der Arena Wagram in Kirchberg am Wagram (Bezirk Tulln) statt. Doch können Karl-May-Romane von gestern auch die Jugend von heute begeistern?

Knapp 100 Jahre nach dem Tod des Romanautors Karl May und 60 Jahre nach dem ersten großen Kinofilm in Farbe („Der Schatz im Silbersee“) feierte auch das Ensemble der Winnetou-Spiele ihr 20-jähriges Jubiläum. Auf einem kleinen Feld neben der Stockerauer Schnellstraße S5 wurden Wildwestkulissen aufgebaut, es wird geritten, geschossen und auch mit Fäusten gekämpft. Doch können die neu aufgelegten Klassiker der älteren Generationen auch ein Publikum von heute noch für sich gewinnen?

Der Autor, der nie im Westen war

Karl May wurde 1842 in Sachsen geboren und verstarb dort auch 1912. Seine Geschichten spielen meist im Orient und in den Steppen Nordamerikas, letztere erhielten vor allem durch die „Winnetou“-Bände große Bekanntheit. Dabei ging May erst spät – 1908 – auf Reise nach Amerika. Weiter als zu den Niagarafällen im Osten schaffte es der Autor jedoch nie – die Prärien im Westen blieben ihm verwehrt.

Pierre Brice als Winnetou im Jahr 1982
dpa/dpaweb/dpa/Horst Ossinger
Pierre Brice in der Rolle seines Lebens: 1982 bei den Karl-May-Festspielen in Elspe im Sauerland

Karl May orientierte sich bei seinen Romanen an Geografie-Sachbüchern. So konnte er den Lesern von einer Welt erzählen, in der er zum Zeitpunkt des Schreibens aber noch nie war. Obwohl Karl May auch eine kriminelle Vergangenheit hatte – er verbüßte mehrjährige Haftstrafen im Gefängnis und im Arbeitshaus –, wurde er bis zu seinem Tod einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren von Abenteuerromanen. Seine Werke wurden in mehr als 33 Sprachen übersetzt und erreichten eine Gesamtauflage von mehr als 200 Millionen Exemplaren.

„Winnetou“-Filme prägten eine Generation

Spätestens in den 1960er-Jahren wurden die Wildwestgeschichten rund um den Häuptling der Apachen dann auch einem neuen Publikum bekannt. Mit dem französischen Schauspieler Pierre Brice als Winnetou und dem US-Amerikaner Lex Barker als Old Shatterhand bekamen die Blutsbrüder auch auf der Filmleinwand ein Gesicht. Insgesamt 17 Karl-May-Filme – alle in Deutschland produziert und in Jugoslawien gedreht – gab es zwischen 1962 („Der Schatz im Silbersee“) und 1968 („Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten“). Die Drehbücher wichen mehr oder weniger stark von den Originalwerken Karl Mays ab – trotzdem prägten die Filme eine Generation. Allein „Der Schatz im Silbersee“ spielte damals 6,4 Millionen Deutsche Mark ein.

Heutzutage ist es nicht mehr so einfach, an die Klassiker von Karl May zu kommen. Viele Büchereien haben nur mehr wenige Karl-May-Bücher im Angebot. Ein paar Exemplare gibt es zum Beispiel noch in der Stadtbücherei Amstetten. Jedoch würden die Bücher nur mehr selten ausgeborgt, heißt es dort: Im vergangenen Jahr gab es zwei Entlehnungen. Inzwischen befinden sich die Werke rund um die Helden Winnetou, Old Shatterhand und Sam Hawkens im Depot. Sie werden nur mehr hervorgeholt, wenn jemand speziell danach fragt, wenn etwa Väter mit den Kindern kommen, um ihnen die Klassiker ihrer Jugend zu zeigen, heißt es in der Stadtbücherei Amstetten.

Winnetou kommt aus Niederösterreich

Zumindest auf der Bühne gibt es Winnetou in Niederösterreich noch regelmäßig zu sehen. Nach elf Jahren in Gföhl (Bezirk Krems), fünf Jahren in Winzendorf-Muthmannsdorf (Bezirk Wiener Neustadt) und einem Jahr coronavirusbedingter Pause finden die Winnetou-Spiele heuer zum dritten Mal in der Arena Wagram statt.

Winnetou und Old Shatterhand reiten gemeinsam und schießen dabei
CK-Photography/Christoph Kragolnik
Marco Valenta (l.) als Winnetou und Erich Schmidt als Old Shatterhand in der Wagram-Arena

Für Anton Rohrmoser, der die Spiele seit Beginn an organisiert, ist Winnetou noch immer ein Anziehungspunkt: „Einerseits ist es die Philosophie der Freundschaft, und dass das Gute siegt, was die Besucher herbringt. Andererseits ist es die Konfliktbewältigung, die man durch Winnetou und Old Shatterhand lernt. Es stimmt schon, die Jugendlichen kommen weniger als früher. Dafür besuchen uns aber die Erwachsenen, die wirklich noch Karl-May-Filme gesehen und die Bücher gelesen haben, mit ihren Kindern und Enkeln, um ihnen diese Welt zu zeigen.“

Am Programm der heurigen Spiele steht "Das Tal des Todes“. Im Durchschnitt kamen in den letzten Wochen etwa 800 Besucher in die Arena Wagram, um Winnetou und seinen Gefährten zuzusehen, wie sie gemeinsam gegen Banditen kämpfen. Inszeniert wurde das Stück von Rochus Millauer, der seit 1995 bei den Winnetou-Spielen mitwirkt, zunächst als Darsteller, ab 1999 als künstlerischer Leiter.

Ob die Originalwerke von Karl May heute noch aktuell sind, ist für Anton Rohrmoser dabei weniger relevant: „Das Wichtigste ist immer noch die Geschichte. Das Eintauchen in eine andere Welt, mitzubekommen, wie man Konflikte bewältigen kann und wie das Gute mit Old Shatterhand und Winnetou siegt.“