Menschen beim Einkaufen in St. Pölten
ORF.at/Christian Öser
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Wirtschaft

Optimismus und Sorge am Arbeitsmarkt

Die Situation am niederösterreichischen Arbeitsmarkt gibt Anlass für Optimismus, wenn auch nicht uneingeschränkt. Im Juli 2021 waren weniger Personen arbeitslos gemeldet als im Juli 2019 – noch vor der Krise. Sorge bereitet aber die Zahl der Langzeitarbeitslosen.

Ende Juli waren in Niederösterreich 45.663 Personen arbeitslos gemeldet. Das sind 15.920 bzw. 25,9 Prozent weniger als im Vorjahr und 983 bzw. 2,1 Prozent weniger als im Juli 2019. Dieser Trend bestätigt sich auch, wenn man die Teilnehmer von AMS-Schulungen berücksichtigt. Laut AMS-Angaben konnten nur Niederösterreich und Kärnten das Vorkrisenniveau unterschreiten, österreichweit gesehen gab es Ende Juli vier Prozent mehr Arbeitslose als vor zwei Jahren.

Am stärksten ging die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen zurück. Die Zahl der Personen auf Jobsuche war in dieser Gruppe um 42,2 Prozent geringer als im Juli 2020 und um 17 Prozent geringer als im Juli 2019. Seitens des Landes verweist man in diesem Zusammenhang auf die Lehrlingsoffensive und das Projekt Job.Start, mit denen Jugendliche abgeholt und beim Berufseinstieg begleitet würden. Männer profitieren mit einem Rückgang von 26,4 Prozent von der Entspannung am Arbeitsmarkt etwas stärker als Frauen (minus 25,3 Prozent).

Langzeitarbeitslose trüben das Bild

Nach Branchen gab es die stärksten Rückgänge gegenüber dem Vorjahr in der Beherbergung und Gastronomie, im Handel, im Bereich der Gebäudebetreuung und der Arbeitskräfteüberlassung, in der Warenerzeugung sowie im Verkehr und im Baubereich. Betrachtet man die Bezirke, so fällt laut AMS weiterhin auf, dass sich die Situation im Most- und im Waldviertel am schnellsten entspannt.

Für die kommenden Monate rechnen Expertinnen und Experten mit einer weiteren Entspannung am niederösterreichischen Arbeitsmarkt, wenn auch mit zwei Einschränkungen: Sorgen bereitet zum einen die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die seit dem Vorjahr kräftig gestiegen ist. Viele Menschen, die zu Beginn der Krise ihren Job verloren haben, haben immer noch keinen neuen gefunden. In Niederösterreich waren Ende Juli 13.428 und damit 29,4 Prozent aller beim AMS vorgemerkten Personen länger als zwölf Monate arbeitslos – ein Plus von 14,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zum anderen hängt vieles von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab. Falls es erneut zu einem Lockdown kommt, könnte der Optimismus schnell schwinden.

Eichtinger: „Positiver Blick nach vorne“

In der Fernsehsendung „Niederösterreich heute“ (19.00 Uhr, ORF2-N) am Freitag sprach der für den Arbeitsmarkt zuständige Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP) über die positive Entwicklung und die Herausforderungen. Trotz jetzt wieder steigender Infektionszahlen blickt er „positiv nach vorne“, sagte Eichtinger im Gespräch mit Moderatorin Katharina Sunk.

noe.ORF.at: Im Juli gab es in Niederösterreich eine Arbeitslosenquote wie vor der Krise. Liegt das an den Maßnahmen, die man getroffen hat, oder einfach daran, dass der letzte Lockdown jetzt schon eine Weile zurückliegt?

Martin Eichtinger: Ich glaube, es liegt sicher auch an den Maßnahmen, denn wir haben letztes Jahr, als wir die höchste Arbeitslosigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg hatten, mit einem Maßnahmenpaket sofort gegengesteuert. Dieses haben wir mit dem AMS Niederösterreich und den Sozialpartnern erarbeitet. Dabei haben wir uns vor allem auf zwei Problemgruppen fokussiert: auf Jugendliche und Arbeitslose über 50 Jahren. Jetzt sehen wir, nachdem die Wirtschaft wieder in Schwung gekommen ist und sehr intensiv wächst, dass die Maßnahmen Wirkung gehabt haben.

noe.ORF.at: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist jedoch deutlich gestiegen. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Eichtinger: Die Langzeitarbeitslosigkeit ist in der Tat ein Problem, auf das wir uns im Herbst ganz intensiv konzentrieren werden, hier wird intensiv gegengesteuert. Einerseits passiert das mit dem Programm „Sprungbett“ mit Eingliederungsbeihilfen vom Bund als auch mit dem Landesprogramm „Jobchance“, das sehr gute Möglichkeiten zu bieten hat und wir hoffen doch, dass wir sehr viele der Langzeitarbeitslosen bald wieder in den Arbeitsmarkt integrieren können.

noe.ORF.at: Auf der anderen Seite gibt es einige Branchen, die über fehlende Arbeitskräfte klagen – etwa die Gastronomie. Sollte man den Druck auf Arbeitslose erhöhen – etwa wie es einige fordern, indem das Arbeitslosengeld mit der Zeit weniger wird?

Eichtinger: Es gibt Überlegungen des Bundesministers Kocher (ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher, Anm.), dass im Herbst die Fragen des Arbeitslosengeldes, der Zumutbarkeit und der Zuverdienstgrenze diskutiert und neu bewertet werden. Für uns ist in Hinblick auf die Fachkräfte entscheidend, dass wir eine mittelfristige Arbeitsmarktstrategie haben, die der Wirtschaft Fachkräfte bringen soll, indem wir stark auf Aus- und Weiterbildung setzen und auf Kompetenzorientierung – vor allem auch im Bereich der Pflege, wo es einen sehr starken Mangel gibt. Hier haben wir eine Pflegekoordinierung eingerichtet, die schon sehr gute Erfolge gezeigt hat.

noe.ORF.at: Ein großes Problem ist der Fachkräftemangel. Was kann man von politischer Seite dagegen tun?

Eichtinger: Unsere Lehrlingsoffensive ist das beste Beispiel, dass wir etwas gegen den Fachkräftemangel tun können. Wir haben hier seitens des Landes und des AMS bei den unter 25-Jährigen eine Garantie abgegeben: Wer im ersten Anlauf keine Lehre oder keinen Job findet, wird von uns betreut und hinbegleitet. Dieses Programm besteht seit zwei Jahren sehr erfolgreich, weil wir auf diese Weise viele Jugendliche in die Wirtschaft bekommen haben und der Wirtschaft die nötigen Fachkräfte zur Verfügung stellen konnten.

noe.ORF.at: Wie blicken Sie in Anbetracht der steigenden Infektionszahlen auf den Herbst? Kann das die Arbeitslosigkeit nicht wieder verschärfen?

Eichtinger: Wir werden die Pandemie genau beobachten müssen und auf die Entwicklungen reagieren und Maßnahmen ergreifen. Ich glaube aber, dass wir insgesamt positiv nach vorne blicken können. Die Konjunkturprognosen unserer Wirtschaftsforscher sind sehr gut. Wenn diese halten, wird auch der Arbeitsmarkt eine positive Entwicklung haben.