Sobotka, Kollar, Vondrácek am Tisch mit Übersetzern
Parlamentsdirektion/Johannes Zinner
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Coronavirus

Welches Land geht wie mit Impfmüdigkeit um

Wer geht wie mit Covid-19 um, wer macht was gut, wer macht welche Fehler? Das war zentrales Thema der drei Parlamentspräsidenten von Österreich, der Slowakei und Tschechien beim Treffen in Schloss Grafenegg. Das gemeinsame Ziel: eine höhere Impfrate als bisher.

Die drei Länder sind mit denselben Problemen konfrontiert und verwenden ähnliche Instrumente im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie. Im Zeichen der Krise sei Nachbarschaft umso wichtiger, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Freitagabend bie dem Treffen in Schloss Grafenegg (Bezirk Krems). Die Zahl der Impfungen geht in allen drei Ländern dramatisch zurück, eine Strategie dagegen hat noch keiner gefunden.

Sobotka: „Impfung ist die wesentlichste Maßnahme“

Eine generelle Impfpflicht wolle niemand, betonte Sobotka, aber: „Schlussendlich ziehen alle an einem Strang und allen ist klar, dass die Impfung die unausweichliche und wesentlichste Maßnahme ist, diese Pandemie zu bekämpfen. Dieses Bewusstsein zu vermitteln ist auch eine Aufgabe der Parlamente.“

Von linkjs Wolfgang Sobotka, Radek Vondràcek, Boris Kollar
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Eintragung ins Gästebuch (v.l.): Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der Präsident der tschechischen Abgeordnetenkammer, Radek Vondracek, und der Präsident des slowakischen Nationalrates, Boris Kollar

Tschechien kritisiert Krisenmanagement der EU

Radek Vondracek, der tschechische Parlamentspräsident, will aus einem Versuch in der Slowakei lernen: „Kollege Kollár aus der Slowakei berichtete von einer Lotterie, die veranstaltet wurde, um die Menschen zum Impfen zu bewegen. Das ist fehlgeschlagen. Unsere Lektion ist: Machen wir nicht dieselben Fehler wie die anderen“.

Vondracek bedankte sich auch ausdrücklich für die Hilfe, die aus Österreich gekommen war, als der Tornado im Grenzgebiet zu Niederösterreich gewütet hatte. Die EU dagegen tadelte er, diese habe in der Pandemie kein gutes Krisenmanagement gezeigt, es sei alles wieder an den Nationalstaaten gelegen. Die Zusammenarbeit mit Österreich und der Slowakei bezeichnet er in diesem Zusammenhang als sehr gut.

Slowakei sieht rechtliche Grenzen bei „1-G-Regel“

Das tat auch Boris Kollar, der Nationalratspräsident der Slowakei. Bei den flächendeckenden Tests habe Österreich wesentlich mitgeholfen. Die Impfsituation in der Slowakei sah er als die schlechteste der drei Staaten. Die Aktion mit den Lotterien habe gezeigt, dass ein solcher Weg falsch sei. Kollar tritt für eine „1-G-Regel“ ein, sah aber verfassungsrechtliche Grenzen.

Auch Kollar bezeichnete eine Zusammenarbeit von wenigen Staaten wie den drei „Austerlitz-Ländern“ – damit ist die Zusammenarbeit von Österreich, Tschechien und der Slowakei gemeint, die in der südmährischen Stadt Austerlitz gegründet worden ist – als die bessere Alternative im Krisenfall. Das habe auch das klaglose Management von Grenzübertritten slowakischer Arbeitskräfte nach Österreich gezeigt, so Kollar.

Radek Vondràcek (Präsident schechische Abgeordnetenkammer), Wolfgang Sobotka (Nationalratspräsident Österreich), Boris Kollar (Nationalratspräsident Slowakei), von links
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Weitere Themen für die drei Parlamentspräsidenten Vondracek, Sobotka und Kollar (v.l.) waren u.a. die europäische Wettbewerbsfähigkeit sowie die Erreichung der CO2-Ziele, insbesondere im Zusammenhang mit dem Transitverkehr

Afghanistan: „Entwicklung überraschend gekommen“

Zu Afghanistan erklärten die Parlamentspräsidenten von Tschechien und der Slowakei, die auch militärisch im Rahmen des NATO-Einsatzes an Ort und Stelle im Einsatz waren, dass die aktuellen Entwicklungen wie der rasche Machtgewinn durch die Taliban in dieser Form überraschend gekommen sei, der Westen offenbar aber generell ein falsches Bild der Lage gehabt habe. So seien die Taliban von großen Teilen der Bevölkerung wohl als Befreier empfunden worden. Viele Soldaten der von den USA ausgebildeten afghanischen Armee seien wohl auch nicht aus Überzeugung bei diesen Einheiten dabei gewesen.

Vondracek hielt fest, dass er unmittelbar mit keiner großen Flüchtlingswelle rechne, potenziellen Migranten sollten jedenfalls in Ländern wie Tschechien oder Österreich keine Anreize zum Kommen geboten werden, vielmehr sollten die Bedingungen möglichst unattraktiv sein. Ein Ansatz, der auch Sobotka gefiel.

Weiters wurden die politischen Herausforderungen der Digitalisierung, wie die Besteuerung multinationaler Technologiekonzerne, besprochen. Der Nationalratspräsident plädierte für eine europäische und in weiterer Folge globale Lösung, denn auch hier spiele die weltweite Coronavirus-Pandemie eine essenzielle Rolle. Diese habe dazu geführt, dass sich das Kaufverhalten der Menschen massiv in Richtung Onlinekonzerne wandle, so Sobotka. Dazu warf Boris Kollar den Aspekt der Steuergerechtigkeit im Verhältnis zu lokalen Unternehmen ein.