Frauen Corona Herausforderung
ORF
ORF
Coronavirus

Pandemie traf Frauen besonders stark

Während der Pandemie haben Frauen überdurchschnittlich oft ihren Job verloren. Dazu kam die Mehrfachbelastung zuhause, etwa durch Homeschooling. Auch häusliche Gewalt nahm mit Beginn der Pandemie zu. AMS und Gewaltschutzzentren wollen gegensteuern.

Es ist eine ungleiche Bilanz, die das Arbeitsmarktservice Niederösterreich (AMS) zieht. Zwar sind in Niederösterreich deutlich mehr Frauen erwerbstätig als im österreichweiten Schnitt. Trotzdem arbeitet jede Zweite in Teilzeit und ist tendenziell in schlechter entlohnten Wirtschaftszweigen tätig als Männer.

Von der Kurzarbeit am Beginn der Krise konnten Männer außerdem deutlich öfter profitieren, bilanziert das AMS, während bei Frauen mehr Jobs verloren gingen. Auch der Aufschwung am Arbeitsmarkt läuft für die Männer aktuell besser als für Frauen: Die Arbeitslosenquote der Niederösterreicher liegt derzeit bei 5,9 Prozent, jene der Niederösterreicherinnen bei 7,3 Prozent.

Zunahme von häuslicher Gewalt

Auch die häusliche Gewalt nahm während der Coronavirus-Krise zu. Die Gewaltschutzzentren Niederösterreichs verzeichneten im Vorjahr um zehn Prozent mehr Hilfesuchende als im Jahr 2019. Die Expertinnen gehen davon aus, dass sich Existenzängste auf vielen Ebenen in steigender Gewaltbereitschaft geäußert hätten.

Jobverlust, finanzielle Sorgen und Verunsicherungen würden aber auch Abhängigkeiten schaffen, so Michaela Egger, die Leiterin der Gewaltschutzzentren Niederösterreichs. Dass sich Frauen in diesen Situationen aus Gewaltbeziehungen lösen, sei daher umso schwieriger.

NÖ Frauentelefon:

Das NÖ Frauentelefon bietet unter 0800/800 810 kostenlose und anonyme Beratung: jeweils montags, mittwochs und freitags von 10.00 bis 14.00 Uhr, Rechtsberatung freitags von 14.00 bis 16.00 Uhr.

Frauenhelpline:

Frauen, die Schutz oder Beratung suchen, können sich rund um die Uhr auch an die Frauenhelpline wenden: 0800/222555 – ebenfalls kostenlos und anonym aus ganz Österreich.

Betroffene: „Finanzielle Katastrophe“

Frau X. – sie möchte zu ihrem Schutz unerkannt bleiben – wagte es dennoch. Sie trennte sich von ihrem Lebensgefährten, kurz danach verlor sie durch den Lockdown ihren Job. „Es war eine finanzielle Katastrophe“, erzählt sie noe.ORF.at im Rückblick. Auch die Trennung verlief nicht reibungslos: „Er hat wüsteste Drohungen ausgesprochen“, berichtet sie. Ein Polizeieinsatz war nötig, eine Gerichtsverhandlung und ein Schuldspruch für den Täter waren die Folge.

Bis heute versucht sie, das Erlebte aufzuarbeiten. Rechtliche und psychologische Hilfe bekam sie im Gewaltschutzzentrum. Aber auch beim AMS sei man um sie bemüht gewesen, habe Rücksicht genommen auf ihre Situation, so Frau X. Wenn man Hilfe zulasse, werde man „sehr gut aufgenommen. Aber es ist ein Gefühl von Machtlosigkeit und Hilflosigkeit, wenn man immer fest im Leben steht und alles regelt, und dann geht auf einmal nichts mehr“.

„Strukturelle Benachteiligung am Arbeitsmarkt“

Wichtig sei vor allem in solchen Situationen, dass Frauen rasch wieder einen Job bekommen und finanzielle Unabhängigkeit erlangen, betont Michaela Egger vom Gewaltschutzzentrum. Das AMS setzte daher knapp mehr als 50 Prozent der Fördermittel für Frauen ein, obwohl in absoluten Zahlen durchschnittlich immer noch mehr Männer als Frauen arbeitslos waren.

Das sei die Reaktion auf eine „strukturelle Benachteiligung am Arbeitsmarkt“, so Sven Hergovich, der Geschäftsführer des AMS Niederösterreich, mit Hinweis auf die höhere Arbeitslosenquote. Frauen sollen daher besonders intensiv unterstützt werden – etwa mit dem Förderprogramm FiT, das Frauen für technische und handwerkliche Berufe ausbilden soll, sowie mit Frauenberufszentren, in denen Frauen gezielt beraten und weitergebildet werden.

Frauen Corona Herausforderung
ORF
Das AMS NÖ will Frauen wegen einer „strukturellen Benachteiligung am Arbeitsmarkt“ intensiver unterstützen

Außerdem habe man die Zahl der AMS-Beraterinnen und -Berater zuletzt aufgestockt, um ihnen mehr Zeit für die Beratungsgespräche zu verschaffen. Zudem seien sie sensibilisiert, Anzeichen, die auf häusliche Gewalt hindeuten können, zu erkennen, „weil es oft so ist, dass gerade in unseren Beratungsgesprächen auch andere Themen, die belastend sind, zutage treten“, so Hergovich.

Betroffene rät Frauen, Hilfe anzunehmen

Den Betroffenen werden in diesem Fall Kontakte zu Hilfseinrichtungen wie dem Gewaltschutzzentrum vermittelt. Dann sei es – wenn gewünscht – auch möglich, dass sich die Beraterinnen und Berater beider Einrichtungen absprechen, wie der Betroffenen am besten geholfen werden könne. Frau X. etwa half genau das: die psychologische Betreuung sowie die rechtliche Unterstützung des Gewaltschutzzentrums und die rücksichtsvolle Beratung beim AMS.

Aktuell kann sie aus gesundheitlichen Gründen nur geringfügig und sehr flexibel arbeiten. Wenn es ihr wieder besser geht, habe sie aber einen Vollzeitjob in Aussicht. Sie rät jeder Frau, die Hilfe braucht, diese anzunehmen und auch beim AMS offen zu sprechen, „einfach zu sagen, was Sache ist, auch wenn es vielleicht schwer ist in diesem Moment. Aber nur dann weiß die Beraterin, welcher Job derzeit überhaupt möglich ist und warum es im Moment vielleicht auch einfach nicht anders geht“.