Virologe Norbert Nowotny
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Coronavirus

Virologe: „Es braucht Impfungen an Schulen“

Durch den Schulbeginn dürften die Infektionszahlen laut Experten weiter steigen. Um die Impfrate in der Gruppe der 12- bis 15-Jährigen zu heben, fordert Virologe Norbert Nowotny einen „niederschwelligen Zugang zur Impfung“, etwa durch Impfungen bei Schulen.

Für 180.000 Kinder und Jugendliche in Niederösterreich hat am Montag wieder die Schule begonnen. Die ersten drei Wochen sind geprägt von einer „Sicherheitsphase“. Die Schülerinnen und Schüler werden drei Mal pro Woche auf das Coronavirus getestet, außerhalb der Klasse muss eine Maske getragen werden. Am ersten Schultag gab es in der Ostregion – Niederösterreich, Wien und dem Burgenland – rund 100 positive Tests, 35 davon in Niederösterreich.

Virologe Norbert Nowotny sprach in der Fernsehsendung „Niederösterreich heute“ am Montag von einem „sehr positiven Ergebnis“. Er geht aber so wie viele andere Experten davon aus, dass die Infektionszahlen im Herbst weiter steigen werden. Kinder unter zwölf Jahren können derzeit noch nicht geimpft werden. Sie könne man am besten schützen, „indem sich ihr Umfeld impft“, sagte Nowotny. Die niedrige Impfrate unter den 12- bis 15-Jährigen könne man nur durch niederschwelliges Angebot heben, so der Virologe. Im Interview spricht er sich für Impfaktionen in bzw. vor Schulen aus.

noe.ORF.at: Herr Nowotny, viele Eltern blicken mit Sorge auf die nächsten Wochen. Womit rechnen Sie vor allem im Umfeld der Schulen und Kindergärten?

Norbert Nowotny: Die Kinder und Jugendlichen wurden in den Ferien wahrscheinlich sehr wenig getestet, insofern bin ich sehr froh über die dreiwöchige Sicherheitsphase. Ich erwarte schon positive Testergebnisse. Interessanterweise waren es heute nur etwas über 100 Positive für Wien, Niederösterreich und das Burgenland. Das ist ein sehr positives Ergebnis.

noe.ORF.at: Könnte sich die Lage im Herbst zuspitzen? Man geht davon aus, dass die Infektionszahlen vor allem durch den Schulbeginn weiter steigen.

Nowotny: Richtig, davon gehen alle Experten aus, dass die Zahlen steigen werden. Wir wissen, dass Kinder und Jugendliche gerade mit der Delta-Variante sehr wohl infiziert werden können. Sie erkranken Gott sei Dank kaum, in ganz seltenen Fällen können auch schwere Verlaufsformen auftreten, aber generell wenn sie sich infizieren, können sie das Virus natürlich weitergeben und wenn es schlecht hergeht, sind es vulnerable Gruppen wie ältere Menschen – Großeltern, Urgroßeltern. Dann könnte es kritisch werden.

noe.ORF.at: Kinder unter zwölf Jahren können nicht geimpft werden. Wie kann man sie trotzdem am besten schützen?

Nowotny: Indem sich ihr Umfeld impft, die Eltern, Großeltern, Verwandte, Bekannte. Denn wir wissen, die Impfung bringt sehr wohl etwas. Wenn wir auf die Intensivstationen schauen: 85 bis 95 Prozent der Patienten auf den Intensivstationen sind ungeimpft, also bitte noch einmal ein Aufruf an alle, die sich impfen lassen können, tun Sie es.

Claudia Schubert im Gespräch mit Virologe Norbert Nowotny
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„Wenn sich die Durchimpfungsrate nicht deutlich erhöht, erwarte ich nichts Gutes“: Virologe Norbert Nowotny im Gespräch mit „NÖ heute“-Moderatorin Claudia Schubert

noe.ORF.at: Wenn Sie erwarten, dass sich mehr Kinder infizieren, erwarten Sie dann auch, dass mehr Kinder als bisher im Krankenhaus landen?

Nowotny: Ich hoffe nicht, aber wir wissen, dass auch Kinder im Krankenhaus landen und ganz wenige auch auf den Intensivstationen. Es gibt jetzt größere Spitäler, die sich genau darauf vorbereiten, indem sie Intensivbetten für Kinder vorsehen. Wir alle hoffen, dass das nur Ausnahmefälle sein werden.

noe.ORF.at: Das Dashboard des Gesundheitsministeriums zeigt, dass etwa vier Prozent der 12- bis 15-Jährigen geimpft sind. Das ist nur ein niedriger Prozentsatz. Wie könnte man den heben?

Nowotny: Das weiß ich auch nicht, wie man generell die Impfmoral heben könnte. Ich weiß, dass ältere Jugendliche durchaus nicht abgeneigt sind, weil sie dann alle Freiheiten haben, wenn sie etwa in die Disco gehen. Ich könnte mir vorstellen, dass niederschwelliger Zugang zu den Impfungen – dass wirklich vor den Schulen eine Impfmöglichkeit – gegeben sein sollte. Unter 14-Jährige brauchen aber eine Einverständniserklärung der Eltern.

noe.ORF.at: Das heißt, Impfen in und vor den Schulen sollte man aus Ihrer Sicht forcieren?

Nowotny: Absolut, plus natürlich entsprechende Informationen.

noe.ORF.at: Was erwarten Sie generell im Herbst und im Winter?

Nowotny: Wenn sich die Durchimpfungsrate nicht deutlich erhöht, erwarte ich nichts Gutes. Wir wissen, dass die Zahlen der Neuinfektionen steigen, auch jene der Menschen, die eine Spitalsbehandlung brauchen und auch jener auf den Intensivstationen. Das wird sich jetzt im Herbst und Winter weiter fortsetzen. Ich denke und hoffe, dass die Bundesregierung am Mittwoch Maßnahmen beschließen wird, denn wir müssen jetzt etwas tun.