Chronik

9/11: St. Valentiner erlebte Anschlag hautnah

Am 11. September jähren sich die Anschläge auf das World Trade Center in New York zum 20. Mal. Christopher Mareska aus St. Valentin (Bezirk Amstetten) erlebte sie 2001 mit. Im Interview erzählt er vom „Zusammengehörigkeitsgefühl“ der New Yorker.

New York, 11. September 2001. Kurz nachdem das zweite Flugzeug in einen der beiden Türme des World Trade Centers gekracht war, verließ Christopher Mareska eine Station vor der Unglücksstelle die Metro. Als er die Stationsstiege hinaufging sei es sehr „tumultartig“ gewesen, schildert er seine Erinnerungen gegenüber der Austria Presse Agentur (APA). Die Leute seien hinaufgestürmt und hätten geschrien. „Ich habe mir gedacht, es ist ein Unfall gewesen“, so Mareska.

An einen Terroranschlag habe er zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht. „Ich habe komischerweise meine Kamera mitgehabt, und das erste was ich gemacht habe, dass ich die herausgefasst und Fotos geschossen habe“, sagte der 47-Jährige im Interview.

„Ganz normal“ zur Schule gegangen

Danach sei er „ganz normal“ zur Schule gegangen. Der Niederösterreicher befand sich gerade auf dem Weg zu einem Englischkurs etwa zwei Blocks entfernt. Vor dem Gebäude standen schon einige Mitschülerinnen und Mitschüler, darunter eine Schweizerin, die in einer Cafeteria im World Trade Center war, als die Flugzeuge in den Türmen detonierten. „Sie hat uns dann erzählt, dass sie mitgekriegt hat, wie Teile heruntergefallen sind, und dass sie Glück gehabt hat, dass sie nicht getroffen worden ist“, so Mareska.

Trotzdem sei alles relativ ruhig abgelaufen, die Kursteilnehmer hätten sogar gewartet, dass der Unterricht beginne. Schließlich kreuzte ein Wachmann auf, der sagte, dass evakuiert werden müsse, weil Gefahr bestehe, dass „das World Trade Center auf die Schule fliegt“, oder, dass es zumindest Erschütterungen geben könnte.

Christopher Mareska mit einem Fotoalbum
APA/PATRICK HOSA
Christopher Mareska beim Interview mit der APA. Die Fotos entstanden während eines Englischkurses in New York

Mareska machte sich also auf den Rückweg in seine Wohnung. Zu seiner Überraschung seien ihm etwa hundert Schaulustige entgegengekommen, die Richtung Unglücksstelle unterwegs waren. Die Zeit bis zum Einsturz der Türme sei ihm „relativ lange“ vorgekommen. Es dauerte seinen Angaben zufolge etwa eine Dreiviertelstunde, bis der erste Turm kollabierte. Der zweite sei dann nach rund einer Stunde eingestürzt, erzählte der St. Valentiner.

Geschehnisse im Fernsehen mitverfolgt

Es sei – „typisch amerikanisch“ – den ganzen Tag der Fernseher gelaufen. Als die ersten F-16-Kampfflugzeuge über dem New Yorker Luftraum geflogen seien und er im TV gehört habe, dass es sich um einen Terroranschlag handle, sei bei ihm „das erste Mal“ Panik aufgetreten, weil er geglaubt habe, dass vielleicht weitere Flugzeuge unterwegs sein könnten.

„Es war unmöglich raus zu telefonieren, das haben sie alles gleich gestoppt“. Relativ rasch gelang es dem 47-Jährigen aber, einen Freund in der Heimat per Skype zu erreichen. Diesen bat er, seine Mutter zu erreichen und ihr mitzuteilen, dass „eh alles in Ordnung“ sei. Zudem versuchte Mareska, eine Spanierin namens Maria, die er im „Big Apple“ kennengelernt hatte und mit der er den selben Englisch-Kurs besuchte, zu kontaktieren. Die beiden vereinbarten ein Treffen für den nächsten Tag.

Nachdem es am Folgetag einen Bombenalarm wegen eines verdächtigen Gepäckstücks gegeben hatte und erneut Panik ausgebrochen war, beschlossen die beiden, ihren Unterricht sausen zu lassen. Ihr Kurs hätte an jenem Tag in einem anderen Gebäude weiter entfernt von der Unglücksstelle stattgefunden. Anschließend waren die beiden den ganzen Tag in Bars unterwegs. Trotz der Anschläge am Vortag seien zahlreiche Lokale geöffnet gewesen.

„New York, New York“ und US-Flaggen überall

„Der Patriotismus und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl der New Yorker“ beeindruckte ihn besonders. „Ich kann mich erinnern, dass wir in einer Bar gesessen sind und es wurde von Sinatra ‚New York, New York‘ gespielt und die Leute sind auf dem Tisch oben gestanden.“ Außerdem seien noch mehr US-Flaggen als sonst aufgehängt gewesen. Auch „We have to strike back“ sei wiederholt zu hören gewesen.

Manhattan war jedoch abgeriegelt. Es war sowohl für den öffentlichen Verkehr als auch für den Individualverkehr unmöglich, den Stadtteil, der eine Insel ist, zu verlassen. Es fiel ihm auch auf, dass überall auf Zäunen Zettel aufgehängt waren, mit denen Angehörige nach möglichen Opfern suchten. Außerdem war „Krieg ist nicht die Antwort“ auf den Flyern zu lesen. 2002 reiste Mareska rund um den 11. September erneut für rund vier Wochen nach New York. Maria, die eigentlich auch hätte kommen sollen, erschien aber nicht.