Claudia Schubert interviewt Markus Klamminger im NÖ-heute-Studio
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Coronavirus

Klamminger: Sollten „schneller reagieren“

Markus Klamminger, Direktor für Medizin und Pflege der Landesgesundheitsagentur, wünscht sich in Hinblick auf das CoV-Stufensystem, dass „schneller reagiert“ wird. Schon jetzt sind mehr Spitalsbetten belegt als zu Beginn der letzten Welle.

Die steigenden Infektionszahlen machen sich auch bereits in den Spitälern bemerkbar. Am Donnerstag stieg die Zahl der Intensivpatientinnen und -patienten in Niederösterreich auf 34. Die meisten von ihnen sind nicht geimpft – mehr dazu in Fünf von sechs Intensivpatienten ungeimpft (noe.ORF.at; 9.9.2021).

Warum auch immer wieder Geimpfte im Spital landen, was von dem neuen Stufenplan der Regierung zu halten ist und wie man in den niederösterreichischen Kliniken in die Zukunft blickt, darüber sprach Claudia Schubert im „NÖ heute“-Interview mit Markus Klamminger, dem Direktor für Medizin und Pflege der Landesgesundheitsagentur.

noe.ORF.at: Die Regierung will sich künftig an der Belegung der Intensivstationen orientieren, um daraus etwaige Maßnahmen abzuleiten. Manche Experten sehen das kritisch, weil die Intensivstationen immer erst zwei, drei Wochen später abbilden, wie es um das Infektionsgeschehen bestellt ist. Wie sehen Sie diese neue Regel?

Markus Klamminger: Prinzipiell finde ich diese Orientierung an den Intensivbetten schon sehr günstig. Wir liegen derzeit bei etwa zehn Prozent der Intensivbetten, die durch Covid-Patienten belegt sind. Womit ich ein bisschen ein Problem habe, sind die sieben Tage bis die nächste Stufe beziehungsweise die nächsten Maßnahmen in Kraft treten, denn das verzögert die Auswirkungen um gut eine Woche. Ich würde mir wünschen, dass schneller reagiert wird, wenn eine neue Stufe erreicht wird – innerhalb weniger Tage.

Talk mit Markus Klamminger

Direktor für Medizin und Pflege der Landesgesundheitsagentur

noe.ORF.at: In Niederösterreich ist die Auslastung der Intensivbetten derzeit so hoch wie zuletzt Anfang Juni. Rechnen Sie damit, dass demnächst auch wieder Operationen verschoben werden müssen?

Klamminger: Prinzipiell müssen derzeit noch keine elektiven Operationen abgesagt werden. Wenn der Trend so weiter geht, werden wir aber schon wieder in die Situation kommen, elektive Operationen zu verschieben. Ob das überall der Fall ist oder nur punktuell, wird die Entwicklung zeigen.

noe.ORF.at: Österreichweit ist die Auslastung der Spitäler sehr unterschiedlich. In Oberösterreich beispielsweise muss man schon anfangen, Operationen zu verschieben. Inwieweit gibt es die Möglichkeit eines Austauschs zwischen den Bundesländern?

Klamminger: Im Normalbettenbereich haben wir bei uns überhaupt kein Problem. Wenn es im Intensivbettenbereich Probleme gäbe oder in der Vergangenheit gegeben hat, hat man sich gegenseitig unterstützt und geholfen und das wird man natürlich – so weit es geht – auch in Zukunft tun.

noe.ORF.at: Die allermeisten, die auf Intensivstationen liegen, sind nicht geimpft. Trotzdem gibt es ein paar wenige, die geimpft sind und trotzdem auf der Intensivstation landen. Impfkritiker führen das immer wieder ins Treffen. Wie ist das zu erklären?

Klamminger: Ganz klar ist und das zeigen uns alle Tatsachen: Die vierte Welle ist eine Welle der Ungeimpften. Natürlich gibt es immer wieder einen geringen Prozentsatz an Patientinnen und Patienten – der bewegt sich zwischen zehn und 15 Prozent – die trotz Impfung in die Spitäler eingeliefert werden, sowohl auf die Normalstation und auch auf die Intensivstation. Hier zeigt sich vor allem bei den Intensivpatienten, dass diese durchwegs Begleiterkrankungen haben bzw. schwere Grunderkrankungen. Also wenn wir nicht immer nur über die zehn Prozent der Geimpften sprechen, sondern eher über die 90 Prozent der Nichtgeimpften, die stationär sind, dann hätten wir das Problem nicht, wenn wir das Problem lösen.

noe.ORF.at: Wie blickt man denn in den Spitälern den nächsten Wochen und Monaten entgegen, wo die Belastung seit eineinhalb Jahren enorm ist?

Klamminger: Die Belastung ist enorm. Ich muss mich wieder bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, dass sie das schon so lange durchhalten. Wir haben natürlich im Sommer versucht, dass sich die Leute auch Urlaub nehmen und Kraft tanken können. Man ist natürlich angespannt, weil wir von einem höheren Niveau ausgehen als vor der letzten Welle. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch ermüdeter als vor ein paar Monaten.<<

noe.ORF.at: Wenn Sie von einem höheren Niveau sprechen, was meinen Sie damit konkret?

Klamminger: Wir hatten einen niedrigeren Intensivbelag und stationären Belag zu Beginn der letzten Welle als wir ihn jetzt haben.