Täglich um 8.00 Uhr beginnt für Lisa Marie und Julian der Unterricht – seit September nicht mehr in ihrer Klasse in der Mittelschule, sondern zu Hause. Grundsätzlich seien die Kinder „sehr selbstständig“, erzählt deren Mutter Miriam Miedl aus Strengberg (Bezirk Amstetten), eine ausgebildete Pädagogin, die bei Fragen weiterhilft. Den Lernstoff des ersten Semesters haben sie in mehreren Blöcken bis Weihnachten aufgeteilt. Die Pausen vertreiben sich die Kinder mit ihren Musikinstrumenten oder dem Füttern der Kühe.
Probleme hätte es in den ersten drei Wochen nicht gegeben – im Gegenteil, erzählt Miedl: „In Mathematik waren sie in der ersten Woche schnell drinnen und hatten echt eine Freude, weiterzukommen. Jetzt haben wir uns Geografie vorgenommen. Wir haben uns die Route, wo wir am Wochenende unterwegs waren, nochmals angeschaut und mit dem Unterricht verbunden.“
Skepsis gegenüber Verschärfungen
Mit den aktuellen Maßnahmen in den Schulen – regelmäßige Tests für ungeimpfte Schüler und teilweise Maskenpflicht – hat Miedl kein Problem, „aber ich vermute, dass in den nächsten Monaten epidemiologisch noch ganz andere Sachen auf uns zukommen“. Und Abmelden könne man die Kinder nur vor dem Schulstart. Deshalb: „Je weniger die Kinder in der Schule sind, desto weniger Ansteckungsgefahr besteht.“ Zudem sei sie manchen Vorgaben gegenüber, was das Testen und Tragen von Masken betrifft, sehr skeptisch eingestellt.
Niederösterreichweit ist die Zahl der Schulabmeldungen von 820 im Vorjahr auf mittlerweile 2.049 gestiegen. Angesichts dieser Entwicklung warnt Schulpsychologin Andrea Richter, häuslichen Unterricht nicht mit Homeschooling, also der Betreuung durch die Schule, zu verwechseln: „Es ist nicht immer ganz sicher, ob die Eltern wissen, worauf sie sich einlassen.“
Eltern übernehmen Rolle der Lehrer
Denn im Gegensatz zum Homeschooling, bei dem die Pädagogen Aufgaben zur Verfügung gestellt und dann kontrolliert haben, müssen beim häuslichen Unterricht allein die Eltern „den Takt vorgeben, alles erklären und sind auch wirklich für den Lernfortschritt ihrer Kinder verantwortlich“, erklärt Richter. Überprüft wird der Lernstoff erst am Ende des Schuljahres, wenn die Kinder in allen Gegenständen eine Prüfung über den gesamten Jahresstoff ablegen müssen.
„In der Schule wird das normalerweise stufenweise mit Schularbeiten, Tests oder Mitarbeit geprüft, hier muss man alles innerhalb kurzer Zeit parat haben“, erklärt die Schulpsychologin. Deshalb müsse man neben neuem Lernstoff gleichzeitig auch immer wieder den alten wiederholen. Denn fällt das Kind durch, muss das Schuljahr wiederholt werden.
Freundschaften auf der Kippe
Darüber hinaus spiele die Schule auch für die soziale Entwicklung eine große Rolle, sagt die Expertin: „So eine Klasse ist ein bunter Haufen, da gibt es Kinder, mit denen man besser und weniger gut kann, aber auch das Arbeiten mit jenen, die ganz andere Ansichten haben und auf anderen Entwicklungsstufen stehen – auch das ist soziales Lernen“. Und durch weniger Kontakte können über die Zeit auch Freundschaften verloren gehen.
Deshalb könnten – sofern die Maßnahmen nicht weiter verschärft werden – auch Lisa Marie und Julian bald wieder in die Klasse gehen, sagt Mutter Miriam Miedl: „Wenn die Maßnahmen so bleiben oder gelockert werden, dann ist das ok.“ Denn im Gegensatz zum fixen Stichtag für die Abmeldung können Kinder im häuslichen Unterricht jederzeit wieder zum Schulunterricht angemeldet werden.