Bauchnabel
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„Bewusst Gesund“

Warum gute Stimmung oft im Darm beginnt

Dass die Ernährung einen großen Einfluss auf die Gesundheit hat, ist allgemein bekannt. Noch relativ neu sind aber Studien, die den Einfluss der Ernährung auf das psychische Wohlbefinden belegen. Für die Stimmung spielt hierbei der Darm eine besondere Rolle.

Dass der Darm als Zentrum unserer Gesundheit gilt, ist lange bekannt. In der Traditionellen Chinesischen Medizin etwa wird die Bauchgesundheit bei zahlreichen Erkrankungen mitbeleuchtet. Die Forschung zum Zusammenhang von Darm und psychischem Wohlbefinden ist hingegen eine sehr junge Wissenschaft. Seit einigen Jahren belegen aber immer mehr Studien, dass der Darm eine wesentliche Bedeutung für unsere Stimmungslage hat und auch an der Entstehung von Depressionen beteiligt sein kann.

Dem Motto „Jetzt die Psyche stärken“ widmet der ORF von 25. September bis 2. Oktober einen Schwerpunkt. Dazu wird in TV, Radio und online über Belastungen durch die Pandemie sowie über mögliche Auswege berichtet.

Das bestätigt auch Claudia Thielmann, ärztliche Leiterin der Privatklinik Hollenburg (Bezirk Krems), die auf die Rehabilitation psychisch Erkrankter spezialisiert ist. Wer sich und seiner Stimmung etwas Gutes tun möchte, nimmt sich der Expertin zufolge Zeit fürs Essen.

Das beginnt schon bei der Auswahl der Lebensmittel und bei deren Zubereitung. Andernfalls riskiere man auf lange Sicht Entzündungen, die ihren Ursprung im Darm haben und unsere Emotionen negativ beeinflussen können. „Dass diese sogenannten stillen Entzündungen in vielen Fällen depressive Erkrankung begünstigen oder sogar eine antidepressive Behandlung behindern können, gilt mittlerweile als erwiesen.“

Lernen, sich glücklich und gesund zu essen

Weil die Forschungslage zu diesem Thema immer eindeutiger wird, kommt der Ernährungsberatung in der Behandlung von psychisch Erkrankten eine immer größere Bedeutung zu. Hier geht es Thielmann zufolge nicht nur um Beratung, welche Nahrungsmittel in den Alltag integriert und welche hingegen vermieden werden sollten, sondern auch darum, die eigene Gesundheit ernst zu nehmen und sich beim Essen bewusst etwas Gutes zu tun.

Diätologische Beratung
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In der Behandlung von Depressionen spielt die Ernährungsberatung eine immer größere Rolle

„Wir beobachten speziell bei depressiven Patientinnen und Patienten sehr oft, dass ihre Selbstfürsorge schlechter ist, sodass sie auch vermehrt anfangen, sich ungesund zu ernähren. Das kann bedeuten, dass sie zu viel essen, zu wenig essen, ausschließlich zu Lebensmitteln greifen, die schnell verfügbar sind und vermehrt Heißhunger auf Süßes haben. Wenn man sich nicht wohl fühlt, spielt speziell beim Essen ein gewisser Kompensationsfaktor eine große Rolle“, so Thielmann.

Darm ist Fabrik von Glückshormonen

Der Darm gilt als Fabrik von Glückshormonen und ist der Hauptproduzent von Serotonin. Thielmann zufolge spielt der Darm hier gegenüber dem Gehirn eine bei weitem wichtigere Rolle, „er sorgt über die Verwertung von Nahrung für 95 Prozent unseres Serotoninspiegels, lediglich die restlichen fünf Prozent übernimmt das Gehirn selbst“. Wie viele Glückshormone ein Mensch zur Verfügung hat, wird also zu einem großen Teil im Bauch entschieden.

Das altbekannte Stück Schokolade macht allerdings weniger glücklich als man subjektiv vermuten könnte. „Damit unser Körper genügend Glückshormone produzieren kann, braucht er bestimmte Vorstufen davon, die man übers Essen in Form von Eiweißbausteinen zuführt“, so Thielmann. Schokolade, tierische Fette oder Alkohol bewirken langfristig das Gegenteil.

Darmbakterien bevorzugen Ballaststoffe

Wie sieht jetzt aber die Ernährung aus, die unser Darm braucht, um uns glücklich zu machen? Laut Diätologin Magdalena Ludl gelte es hier, die im Darm ansässigen Darmbakterien in erster Linie mit ausreichend Ballaststoffen zu füttern. Diese befinden sich beispielsweise in Vollkornmehl, Reis, Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchten.

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Trauriger Smiley aus Wurst, Butter und Zucker
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Zucker, tierische Fette und Weizenmehl sollten möglichst reduziert werden, um den Darm gesund zu halten
Lachsmiley aus Obst
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Damit uns der Darm mit Glückshormonen versorgt, gehören ballaststoffreiche Lebensmittel wie Obst und Gemüse auf den Speiseplan

Fühlen sich die Darmbakterien, die in Summe als Mikrobiom bezeichnet werden, wohl, versorgen sie uns im Gegenzug mit einer guten Basis für eine positive Grundstimmung. „Statt einer Semmel könnte ich beispielsweise auf ein Vollkornweckerl umsteigen“, so Ludl.

Der Diätologin zufolge geht es aber nicht darum, Semmeln, Zucker und Co. komplett vom Speiseplan zu verbannen. Jede Mahlzeit, bei der es gelingt, „echte Wohlfühllebensmittel“ zu integrieren, zahle sich aus, um die Darmbakterien zu erhalten und „keine mikrobielle Verarmung zu provozieren“. Depressiven Patientinnen und Patienten erklärt Ludl zur Motivation gerne, dass einzelne Änderungen häufig schon sehr schnell Effekte hervorrufen. „Erste Änderungen sind oft schon binnen 24 Stunden erkennbar.“ Damit zählt jedes Stück Vollkorngebäck, jede zusätzliche Gemüsebeilage und jeder gesunde Snack zwischendurch.