Franz Viehböck nach der Landung 1991
APA/Wolfgang Wagner
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Wissenschaft

Vor 30 Jahren: Erster Österreicher flog ins All

Vor 30 Jahren ist im Zuge des österreichisch-russischen Weltraumprojekts „Austromir“ der erste – und bisher einzige – Österreicher ins All geflogen. Der Niederösterreicher Franz Viehböck startete am 2. Oktober 1991 mit einer Sojus-Rakete.

Bei seinem einwöchigen Aufenthalt führte er 15 wissenschaftliche Experimente durch, ehe er am 10. Oktober wieder auf der Erde landete (im Bild oben). Die Kosten für das Projekt waren – verglichen mit den Beträgen, die heute für ein Weltraumticket bezahlt werden – günstig: Laut Technischem Museum Wien betrugen die Gesamtkosten rund 230 Mio. Schilling, was inflationsbereinigt knapp 29 Mio. Euro entspricht. Der Flug und das Training von Franz Viehböck und seinem „Backup“ Clemens Lothaler schlug dabei mit 85 Mio. Schilling (rund elf Mio. Euro) zu Buche. Zum Vergleich: Der US-Milliardär Jared Isaacman soll für die vier Plätze an Bord einer SpaceX-Rakete, die Mitte September die erste rein zivile Besatzung für drei Tage ins All brachte, 200 Mio. Dollar (170 Mio. Euro) bezahlt haben.

Die Chronologie

Es begann im Juli 1987: Bei einem Besuch in Österreich machte der damalige sowjetische Ministerpräsident Nikolai Ryschkow dem Land das Angebot, sich an einem bemannten sowjetischen Raumprojekt samt Flug eines Österreichers zur Raumstation Mir zu beteiligen. Am 5. April 1988 beschließt die österreichische Bundesregierung den Flug eines Österreichers zur Mir. 220 Personen bewarben sich, darunter 20 Frauen. Am 6. Oktober 1989 fiel in Moskau die Entscheidung: Der Arzt Clemens Lothaller (geboren 8. Mai 1963) und der Techniker Franz Viehböck (geboren am 24. August 1960) wurden dazu ausgewählt, die Kosmonautenausbildung im Sternenstädtchen zu machen.

Im August 1991 standen die Kosmonautenteams fest: Viehböck galt als Favorit, Lothaller als Ersatzmann. Mit Viehböck sollten als Kommandant der Russe Alexander Wolkow und als dritter in der Sojus-Mission der Kasache Tachtar Aubakirow ins All fliegen. Einen Monat später entscheidet die russische Raumfahrtkommission, dass Franz Viehböck ins All fliegen soll.

Franz Viehböck bei einer Pressekonferenz am 1. Oktober 1991
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1. Oktober 1991: „Ich habe keine Angst“, sagt Viehböck bei einer Pressekonferenz in Baikonur am Tag vor dem Start

2. Oktober 1991: Um 6.59 Uhr MEZ hebt die Rakete Sojus-TM 13 mit Franz Viehböck an Bord ab. Der Start geht problemlos vor sich. Achteinhalb Stunden danach bringt Viehböcks Frau Vesna im Krankenhaus Wiener Neustadt ein gesundes Mädchen – Carina Marie – zur Welt.

4. Oktober 1991: Sojus-TM 13 dockt an der Raumstation Mir an. Viehböck steigt mit seinem Team unter den Klängen des Donauwalzers als Begrüßungsmelodie in die Raumstation um. 15 wissenschaftliche Experimente aus Österreich werden bis zum Ende der Mission durchgeführt.

10. Oktober 1991: Die Sojus-Landekapsel landet um 5.12 Uhr bei Arkalyk in Kasachstan, etwa 900 Kilometer von Baikonur entfernt. Viehböcks erste Worte nach der Landung: „Mir geht es gut – alles in Ordnung. Es war aber eine harte Landung. Wenn ich dafür nicht so viel trainiert hätte, wäre mir das Herz in die Hose gerutscht.“

„Der Raumflug war ein einschneidendes Erlebnis“

Am frühen Morgen des 2. Oktober 1991 begann für Franz Viehböck mit der „Austromir“-Mission vom russischen Weltraumbahnhof in Baikonur in Kasachstan aus seine größte Reise. Im Gespräch mit Nikolaus Täuber von der Austria Presse Agentur zum 30-Jahr-Jubiläum erklärte der heutige CEO der Berndorf AG mit Sitz in Berndorf (Bezirk Baden), welche Folgewirkungen die Zeit im All hatte, welche „Top-Highlights“ es gab, warum derartige Projekte auch heute wichtig wären, was es zum Astronauten braucht und warum es Nachfolger aus Österreich schwer haben.

Was sind Ihre intensivsten Erinnerungen an die Zeit im All?

Franz Viehböck: Schwierige Frage! Der ganze Raumflug ist ein einschneidendes Erlebnis gewesen, das mir bis zum Lebensende bleibt – keine Frage. Es waren sehr viele Top-Highlights: Angefangen bei der Geburt meiner Tochter unmittelbar nach dem Start, beim Erleben der Schwerelosigkeit, die Beschleunigung am Start, die Startphasen, der Flug im All, das An- und Abdocken, der Eintritt in die Atmosphäre mit voriger Bremsung, die Fallschirmlandung und, und, und. Die Technik dahinter mitzuerleben und der Ausblick dann, wenn man oben ist – sowohl auf die Erde als auch ins Weltall hinaus. Das sind unvergessliche Momente.

Franz Viehböck 2012
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„Durch diese Erfahrung hat sich mein beruflicher Werdegang ganz stark gegenüber dem Plan davor verändert“

Wie hätte ihr Lebenslauf vielleicht ausgesehen, wenn sie vor 30 Jahren den Flug nicht gemacht hätten? Wie stark haben sie profitiert von dem Erlebnis des Projekts und der Zeit im All?

Viehböck: Ich kann nicht sagen, wie es anders verlaufen wäre, aber natürlich: Durch diese Erfahrung hat sich mein beruflicher Werdegang ganz stark gegenüber dem Plan davor verändert. Ich habe dann die Möglichkeit gehabt, in die USA zu gehen, habe dort Angebote bekommen, in der amerikanischen Weltraumindustrie Managementpositionen einzunehmen. So hat es mich dort acht Jahre lang hin verschlagen. Ich habe dort sehr viel gelernt in verschiedenen Bereichen.

Dann bin ich wieder zurück nach Österreich gekommen, und konnte dieses Wissen in meiner weiteren beruflichen Karriere anwenden. So gesehen hat mir das hier viel gebracht. Andererseits erhält man die Möglichkeit, viele, viele außergewöhnliche Menschen auf dieser Erde kennenzulernen. Das ist ein Privileg, das ich durchaus zu schätzen weiß, weil man von solchen Personen, die extrem faszinierend sind, auch sehr viel lernen kann.

Manche Menschen reagieren fast schockiert, wenn man ihnen erzählt, dass Sie Österreichs einziger Astronaut sind. „Schockiert“ Sie das auch noch?

Viehböck: Ja, das ist schon ein bisschen betrüblich, dass ich der einzige bin – dass sich da nicht mehr tut. Es wäre natürlich schön, wenn da mal eine weitere Österreicherin oder ein Österreicher dazu kommt. Das täte dem Land sehr gut, glaube ich.

Franz Viehböck nach der Landung 1991
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Viehböcks erste Worte nach der Landung am 10. Oktober 1991: „Mir geht es gut – alles in Ordnung. Es war aber eine harte Landung. Wenn ich dafür nicht so viel trainiert hätte, wäre mir das Herz in die Hose gerutscht.“

Bei der aktuellen ESA-Ausschreibung haben sich fast 500 Österreicher um einen Astronautenplatz beworben. Das Interesse ist also offensichtlich da. Was raten Sie jungen Leuten, die sich dafür interessieren?

Viehböck: Zunächst einmal muss ein wirkliches Interesse da sein. Man muss schon voll davon überzeugt sein. Ich empfehle, in sich selbst hineinzuhören, ob man das wirklich will und ob man das wirklich ist! Es ist natürlich schön, dann im All zu sein, aber ein Raumflug ist eine extreme körperliche Belastung. Auch das ganze Training ist das. Wenn man noch nicht klar über seine Flüge oder Missionen Bescheid weiß, wenn man nicht weiß, wann man fliegt, kann es sein, dass man jahrelang in Warteschleifen hängt und nicht zum Zug kommt. Das ist dann auch für die Familie eine Belastung, wenn man auch zusätzlich an verschiedenen Orten Zeit verbringen muss.

Brennt man aber dafür, sollte man sich auf alle Fälle bewerben und schauen, dass man genommen wird. Das Handicap ist natürlich, dass die ESA hier ein bisschen reserviert ist, weil Österreich die bemannte Raumfahrt innerhalb der ESA nicht unterstützt. Solange das der Fall ist, wird es schwierig für Österreicherinnen und Österreicher.

Wann war bei Ihnen der Punkt des „Brennens“ erreicht, an dem für Sie klar war, dass Sie das wirklich durchziehen werden?

Viehböck: Das war während der Auswahl in Österreich, wo dann die letzten 14 oder 15 Kandidaten beisammen waren. Wir haben im Heeresspital viel Zeit verbracht. Da habe ich mir gedacht: „Jetzt mache ich das.“

Franz Viehböck 2016
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Haben Sie schon ein Ticket ins All gelöst? „Naja, ich kann mir das leider nicht leisten. Das wäre aber schon eine schöne Sache. Klar, da wäre ich schon dabei!“

Das ganze „Austromir“-Projekt hat damals sehr viele Menschen mit Wissenschaft und Technik in Verbindung gebracht und begeistert. Heute sehen viele Leute die Wissenschaft auch sehr skeptisch, Stichwort Covid-Impfungen. Fehlt heutzutage so ein Vehikel wie das damalige Projekt ein Stück weit?

Viehböck: Ich glaube, solche Projekte haben in vielerlei Hinsicht eine gute, positive Wirkung. Das Thema Forschung und Entwicklung rückt dann wieder in den Mittelpunkt und fasziniert junge Leute, die sich hoffentlich dafür interessieren. Da muss man ja nicht unbedingt gleich ins Weltall fliegen! Man kann auch sonst in diese Themen involviert sein. Ich glaube, eine hoch industrialisierte Nation wie Österreich braucht so etwas, weil wir auch gute, höchstqualifizierte Leute brauchen. Durch solche Projekte und Events kann man die ganz gut motivieren und inspirieren. Sonst wird es Österreich schwierig haben, auf Dauer wirklich gute Leute hervorzubringen.

Sie haben immer wieder Sympathien für private Raumfahrtinitiativen durchklingen lassen. Jetzt manifestieren sich auch mehr quasi touristische Angebote. Haben Sie selbst schon ein Ticket ins All gelöst? Würden sie so eine Art Comeback anstreben?

Viehböck: Naja, ich kann mir das leider nicht leisten. Das wäre aber schon eine schöne Sache. Es wäre natürlich auch schön, wenn man etwas Sinnvolles dabei macht. Nur da hinaus zu fliegen, ist nett, aber da gehört schon noch ein bisschen Inhalt dazu. Aber klar, da wäre ich schon dabei!