Roland Weißmann
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„Ganz persönlich“

„Es war Liebe auf den zweiten Blick“

Roland Weißmann wird ab Jänner als neuer ORF-Generaldirektor die Geschicke des größten Medienunternehmens des Landes lenken. Seine Karriere begann im Landesstudio Niederösterreich, das für ihn auch privat prägend war, wie er im Interview erzählt.

Roland Weißmann begann 1995 als Journalist im ORF-Landesstudio Niederösterreich. Er war im Lauf seiner Karriere unter anderem Chef vom Dienst bei Ö3 und stellvertretender Chronik-Ressortchef im Radio. Weißmann kehrte 2003 als stellvertretender Chefredakteur ins Landesstudio Niederösterreich zurück. 2012 wechselte der heute 53-Jährige ins ORF Zentrum. Er wurde unter anderem Chefproducer und Vize-Finanzdirektor. Der 53-jährige Oberösterreicher ist liiert und wohnt in Wien.

In einem persönlichen Interview mit Eva Steinkellner-Klein spricht er über seine Anfänge im Landesstudio, Themen sind aber auch die GIS-Gebühren, die Digitalisierung und der New York-Marathon.

noe.ORF.at: Sie sind eher im Hintergrund tätig, unter anderem als Vize-Finanzdirektor und Chefproducer. Anfang August hat Sie der Stiftungsrat zum ORF-Generaldirektor gewählt. Wie ist das Leben im Rampenlicht? Ihr Terminkalender ist wohl noch voller als zuletzt.

Roland Weißmann: (lacht) Ja, es ist tatsächlich ein wenig anders als bisher, das muss ich schon sagen, auch wenn man sich das alles im Vorfeld ein bisschen vorzustellen versucht. Es ist neu, es ist spannend, es gibt humorige Momente, es gibt Momente, wo es anstrengend wird, aber ich freue mich auf die neue Aufgabe.

noe.ORF.at: Ich nehme an, nach der Wahl ist Ihr Posteingang übergegangen wegen der vielen Nachrichten.

Weißmann: Das ist richtig! Ich bin insofern auch ein bisschen ein Nerd, weil ich das sehr, sehr ernst nehme und alles persönlich beantworten möchte. Das schaffe ich auch, allerdings braucht das viel Disziplin und Zeit. Aber das gehört eben dazu und es macht ja auch Spaß.

noe.ORF.at: Das Konzept, das Sie für Ihre Zeit als Generaldirektor eingereicht haben, heißt „Lust auf Zukunft“. Worauf können sich die Zuschauer und Zuschauerinnen freuen?

Weißmann: Im Grund darauf, wofür der ORF bekannt ist und beim Publikum beliebt ist, nämlich auf das beste Programm im Bereich Information, in der Kultur, in der Unterhaltung und im Sport. Zwei Punkte sind mir ganz wichtig. Ich bin damit angetreten, den ORF digitaler zu machen. Wir stehen heute an der Schwelle zur Digitalisierung. Hier möchte ich einen Beitrag leisten, damit der ORF den Sprung in die digitale Welt schafft. Das ist das Eine und das Zweite ist: Der ORF ist für die Österreicher und Österreicherinnen sehr wichtig, dankenswerterweise. Er hat eine hohe Relevanz und Glaubwürdigkeit und das würde ich gerne fortsetzen. Wenn der ORF in fünf Jahren so relevant ist wie heute, dann haben ich und mein Team einen guten Job gemacht.

noe.ORF.at: Zuletzt wurde viel über das Schließen der Streaming-Lücke gesprochen. Derzeit ist es so, dass das ORF-Publikum die Produkte und letztlich die Qualität des ORF mit der GIS-Gebühr mitfinanziert, wenn es Radio hört oder fernsieht. Jetzt kann man aber auch am Computer fernsehen oder am Handy Radio hören. Das ist der springende Punkt aus Sicht des ORF. Was wollen Sie?

Weißmann: Das liegt vor allem am Gesetzgeber. Es müsste eine Gesetzesänderung geben. Gebühren bezahlt niemand gern und wir gehen sehr, sehr sorgsam mit den Gebühren um, aber natürlich wollen wir mit den Gebühren die Lieblingsprogramme der Österreicher und Österreicherinnen finanzieren. Vor allem junge Menschen, aber im Grund alle, streamen immer mehr und immer öfter. Wenn es jetzt darum geht, dass für das Streaming keine Gebühr bezahlt wird, dann wird man verstehen, dass man als ORF hier eine andere Sicht der Dinge hat. Auch das Streaming sollte gebührenpflichtig sein. So können wir weiterhin die Lieblingsprogramme der Österreicher und Österreicherinnen finanzieren.

noe.ORF.at: Bleiben wir gleich beim Streaming. Die Mediennutzung hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Wie wollen Sie es schaffen, junge Menschen für die Programme des ORF zu interessieren?

Weißmann: Mit dem, wofür unsere Produkte stehen: mit Information, mit Unterhaltung, mit Events, mit Sport. Das wird sicher ganz wichtig, denn das betrifft nicht nur die Jungen. Sehr viele konsumieren Medien dann, wann sie wollen und Zeit haben. Wir müssen die Transformation schaffen und Leute, die sich um 19.00 Uhr „Bundesland heute“ anschauen wollen oder um 19.30 Uhr die „Zeit im Bild“, die werden wir genauso gut informieren wie bisher, aber wir müssen auch in die digitale Welt gehen und die Menschen dort erreichen, wann und wo sie zeit- und ortsunabhängig Medien konsumieren wollen. Wir wollen noch schneller informieren, über ein Update zum Beispiel. Auch ich merke das selbst, ich schaue am Tag 20- bis 30-mal aufs Handy, auf die „blaue Seite“ (orf.at; Anm.) oder auf eine Bundesland-Seite. Hier wollen wir unser Angebot verbessern.

noe.ORF.at: Wie konkret?

Weißmann: Wichtig ist eine rasche Information aus der Region. Hier wird es wichtig sein, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen zu erhalten. Es geht aber auch um eine Gegenposition zum Datenüberfluss. Das heißt, verstärkt einzuordnen, sagen, wie sich eine Situation wirklich darstellt, in aller Komplexität. Es wird vermehrt unsere Aufgabe sein, den Menschen Orientierung zu geben.

Roland Weißmann im Interview
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Der künftige Generaldirektor will das digitale Angebot des ORF massiv ausbauen, sagt er im Gespräch mit Eva Steinkellner-Klein

noe.ORF.at: Sie haben in einem Interview einmal gesagt, die Mehrheit der jungen Menschen wohnt nicht in der Stadt, sondern im ländlichen Raum. Das heißt, den Landesstudios kommt eine besondere Bedeutung zu?

Weißmann: Es sind ungefähr drei Millionen Menschen in Österreich unter 30, davon wohnt rund eine Million in Wien oder in größeren Städten. Zwei Millionen wohnen tatsächlich nicht in den Städten und die wollen wir verstärkt mit unseren Inhalten ansprechen, da sehe ich eine große Chance. Die Landesstudios werden, wie auch in der Vergangenheit, auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Warum ist das so? Weil der regionale Content sehr gut ankommt. Wir leben in einer Zeit der Internationalisierung und der Globalisierung. Da sind unsere regionalen Landesstudios die perfekten Botschafter, um darüber zu berichten, was vor Ort, was in der Region los ist. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal und das möchte ich auf jeden Fall weiter ausbauen.

noe.ORF.at: Sie haben viele Jahre bei uns im Landesstudio Niederösterreich gearbeitet. Was ist denn ihr prägendster Moment gewesen?

Weißmann: Insgesamt waren es zehn Jahre. Was in Niederösterreich immer ganz besonders war, war das sehr gute Klima in der Redaktion. Ich bin noch immer mit einigen Kollegen und Kolleginnen privat befreundet, das freut mich sehr. Aber es waren auch ganz andere Momente, teilweise auch dramatische. Ich war ja Reporter bei verschiedenen Katastrophen, ich war auch Gerichtsreporter und habe von spektakulären Prozessen berichtet. Das hat mich natürlich schon sehr geprägt.

noe.ORF.at: Können Sie sich noch an die erste Geschichte im Landesstudio erinnern?

Weißmann: (lacht) Ich kann mich tatsächlich noch erinnern. Für „Niederösterreich heute“ durfte ich einen Meldungsblock über die FSME-Impfung schneiden. Das sind so ganz kurze, 15 Sekunden lange Fernsehbeiträge. Das war tatsächlich meine erste Geschichte und ich war ganz, ganz stolz, als ich die dann am Abend auf Sendung gesehen habe.

noe.ORF.at: Warum eigentlich Journalist? Warum der ORF?

Weißmann: Das war tatsächlich eine Liebe auf den zweiten Blick. Ich habe Kommunikationswissenschaft und Geschichte studiert. Eigentlich wollte ich Zeitungsjournalist werden, aber ich habe immer wieder versucht, bei verschiedensten Medien Praktika zu bekommen. Und diese Möglichkeit habe ich dann beim ORF Niederösterreich bekommen. Ich weiß noch ganz genau, das war im Februar 1995. Denn dieses Praktikum war der Beginn meiner Tätigkeit beim ORF und ich habe den ORF nie mehr verlassen.

noe.ORF.at: Sie haben eher ungewöhnliche Hobbys: Sie haben den schwarzen Gürtel in Karate und Sie boxen. Sie sind auch Marathonläufer, das ist jetzt nicht so ungewöhnlich. Wie kam es zu diesen Hobbys?

Weißmann: (lacht) Sie haben da jetzt aufgezählt, was in dreißig Jahren zusammengekommen ist. Karate war zu meiner Studentenzeit, bis ich etwa 35 Jahre war. Danach habe ich zu boxen begonnen. Das Laufen ist mir auch sehr wichtig. Ich laufe vier- bis fünfmal in der Woche. Ich bin auch schon einige Male den Wachaumarathon gelaufen und plane – sozusagen als Abschluss meiner Marathonkarriere – den New York- Marathon zu laufen. Ich habe das zum 50. Geburtstag von Freunden bekommen und freue mich darauf, so man Corona-bedingt einreisen darf.

noe.ORF.at: Bleibt Zeit für Hobbys? Wann gehen Sie laufen derzeit? Ganz in der Früh?

Weißmann: Der Tag beginnt wirklich sehr früh. Ich gehe in der Früh laufen, also sehr früh.

noe.ORF.at: Und geht der Hund dann mit? Ich habe gelesen, Sie haben einen Teilzeithund.

Weißmann: (lacht) Ja, ich habe einen Teilzeithund, eine elfjährige Labradorhündin, mit der ich spazieren gehe. Zum Laufen ist sie mittlerweile zu bequem.

noe.ORF.at: Wegbegleiter beschreiben Sie als ehrgeizig, zielstrebig, umsichtig und kollegial, als Mensch und auch als Chef. Finden Sie sich da wieder?

Weißmann: Ja, das trifft es ganz gut. Teamplayer würde ich noch ergänzen. Die Aufgaben sind so vielfältig, dass man das allein nicht schaffen kann und insofern ist ein gutes Team wichtig und ich glaube, dass ich ein gutes Team gefunden habe und freue mich schon auf meine Aufgabe.