Nach dem Zweiten Weltkrieg war der internationale Art Club Wien jener Ort, an dem sich Künstler und Künstlerinnen, die mit der Ästhetik der diktatorischen Regime – vor allem der nationalsozialistischen – nichts zu tun haben wollten, trafen. Mit Malereien, Zeichnungen, Tapisserien und Skulpturen beleuchtet die in der Landesgalerie Niederösterreich über zwei Stockwerke angelegte Schau „Aufbrüche. Künstlerinnen des Art Club“ den Kampfgeist starker österreichischer Künstlerinnen in einer weitgehend unentdeckten Epoche nach 1945.
Dieser Abschnitt brachte herausragende Künstlerinnen wie Maria Biljan-Bilger (im Bild oben), Susanne Wenger und Maria Lassnig hervor, die das Kunstschaffen der Nachkriegszeit gründlich aufmischten. Die Ausstellung rückt auch unbekannte Künstlerinnen in den Fokus. Als wohl größte Entdeckung zeigt sie Arbeiten von Hilda C. Polsterer und der US-Künstlerin Marcia Hopman.
Der Art Club: zwölf Frauen und 52 Männer
Im Jahr 1947 gründete der Maler und Grafiker Gustav K. Beck den internationalen Art Club Wien in Zeiten eines durchwegs männlichen Kunstbetriebs. Dennoch finden sich unter den 64 Namen zwölf Künstlerinnen, deren Wirken heute als feministische Avantgarde der frühen Nachkriegszeit greifbar wird.
Neben Maria Biljan-Bilger und Susanne Wenger waren dies etwa Greta Freist, die mit dem Maler Gottfried Goebel auch Mitglied in der Pariser Sektion des Art Club war, Gerhild Diesner, Marcia Hopman, Maria Lassnig, Agnes Muthspiel, Hilda C. Polsterer, Johanna Schidlo oder Ursula Schuh-Diederich. Viele der Künstlerinnen des Art Club waren Malerinnen. Biljan-Bilger arbeitete als Keramikerin und Bildhauerin, Johanna Schidlo war in den 1950er- und 1960er-Jahren als Tapisseriekünstlerin äußerst bekannt.
Als einer der prominenteren Schauplätze des Art Club kann der Strohkoffer im Keller der heutigen Loos-Bar im ersten Wiener Bezirk bezeichnet werden: ein Szenetreff mit Ausstellungen und Diskussionsabenden. Vergleichbar ist der Strohkoffer mit dem legendären Club Vanilla, in dem sich in den 1970er-Jahren die Kunstszene die Klinke in die Hand gab.
Freiheit und Internationalität
„Die Künstlerinnen des Art Club waren lebenserfahren und hatten im Gegensatz zu vielen männlichen Kollegen (Arnulf Rainer, Arik Brauer, Ernst Fuchs, Friedensreich Hundertwasser, Wolfgang Hutter u.a.) die Teenagerjahre längst hinter sich“, heißt es auf der Website der Landesgalerie Niederösterreich. Nachdem Freiheit und Internationalität die Leitgedanken des Art Club waren, war der internationale Austausch besonders wichtig.
Und so schafften die Künstlerinnen den Aufbruch über ihr Land hinaus, allen voran Maria Lassnig, Marcia Hopman und Susanne Wenger. Greta Freist, Hilda C. Polsterer und Agnes Muthspiel pflegten den internationalen Austausch in Wien, Paris bzw. Salzburg. In ihren Wohnungen und Ateliers gingen internationale Persönlichkeiten wie Ingeborg Bachmann oder der rumänische Schriftsteller Tristan Tzara ein und aus.
Susanne Wenger wanderte 1950 nach Nigeria aus, wurde Yoruba-Priesterin und schuf gegen Ende der 1950er-Jahre gewaltige Skulpturen des heiligen Hains der Göttin Osun an den Ufern des Flusses Osun in Oshogbo. Die US-Künstlerin Marcia Hopman ist durch diese Ausstellung erstmals seit ihrer Art-Club-Zeit in Österreich als Künstlerin fassbar. Ihre Werke geometrischer Abstraktion sind frühe Beispiele eines direkten Transfers zwischen den USA und Österreich, der sonst nur über den Umweg Paris möglich gewesen ist.
Maria Lassnigs Karriere wiederum war geprägt von ihrem Amerikaaufenthalt. Mit zahlreichen Beiträgen zu Documentas und Biennalen gewinnt sie auch nach ihrem Tod weiterhin in ganz Europa und den USA an Bekanntheit. Lassnig konnte sich nach ihrer Rückkehr aus den USA 1980 als Professorin an der Universität für angewandte Kunst etablieren und als einzige konsequent ihre Karriere durchziehen.
Das Schaffen der Künstlerinnen soll sichtbar werden
Die Statuten des Art Club beinhalteten eine Distanz zu der Kunst der Nazidiktatur und manche Künstlerin – wie Maria Biljan-Bilger, Susanne Wenger oder Gerhild Diesner – war im Widerstand aktiv. Sie waren aber auch Vorläuferinnen eines heutigen postkolonialen Denkens – besonders Wenger mit ihrer künstlerischen Tätigkeit in Afrika ab 1950.
In den Jahren nach 1945 kam nach großer Freiheit des Anfangs und wichtigen Ausstellungen im Ausland für die Künstlerinnen sehr bald wieder ein Rückfall durch aufkommenden Konsum, konservative Gesellschaftspolitik und patriarchalische Kulturpolitik in Österreich. Bilger und Wenger blieben jedoch zeitlebens Vorkämpferinnen für Gleichbehandlung der Geschlechter, auch wenn die feministischen Themenkreise ihrer Generation anders waren als die von Valie Export und den Aktionistinnen.
Für das Kuratorenteam Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Christian Bauer sei es überraschend gewesen, dass trotz aller Relevanz der feministischen Themen der letzten Jahre die ganz frühe Zeit nach 1945 in der Kunstbetrachtung oft ausgeklammert blieb. „Diese Ausstellung will deshalb das Schaffen der Künstlerinnen der unmittelbaren Nachkriegszeit aufarbeiten und sichtbar machen. Auch am Kunstmarkt ist der Trend zu beobachten, dass in den Archiven nach in Vergessenheit geratenen Künstlerinnen gesucht wird, um diese vor den Vorhang zu rücken“, so die Kuratoren.
Die beiden möchten den Scheinwerfer nun auf herausragende Künstlerinnen richten, die „oft aus dem politischen Widerstand kamen und das Kunstschaffen der Nachkriegszeit gründlich aufmischten“, so Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Christian Bauer.