Hirschwang Mayr-Melnhof Werksschließung Reportage
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WIRTSCHAFT

Sorge um Müllverbrennung im Luftkurort

Eine Bürgerinitiative befürchtet, dass durch den Verkauf einer thermischen Verwertungsanlage indirekt eine Müllverbrennung nach Reichenau an der Rax (Bezirk Neunkirchen) geholt wird. Derzeit ist die Anlage noch Teil des ehemaligen Werks von Mayr-Melnhof Karton.

Nach der Enttäuschung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über die Schließung der Kartonherstellung im Ortsteil Hirschwang vor etwa einem Jahr sieht ein Teil der Bürgerinnen und Bürger nun den Tourismusstandort Reichenau an der Rax bedroht.

Der Grund: Teile des ehemaligen Werks von Mayr-Melnhof Karton (MM Karton) stehen zum Verkauf – und damit auch ein thermisches Kleinkraftwerk, das bis jetzt durch die Verbrennung von Produktionsrückständen Energie erzeugte.

Laut der „Initiative zur Verhinderung einer Müllverbrennungsanlage in Reichenau an der Rax“ drohe, dass zukünftige Käufer aus wirtschaftlichen Überlegungen eine Müllverbrennungsanlage daraus machen könnten. Die MM Karton betont, dass alle aktuellen Auflagen bis jetzt eingehalten wurden, und bestätigt, dass man das thermische Kleinkraftwerk veräußern möchte.

„Luftkurort und Müllverbrennung passen nicht zusammen“

Hinter der Initiative steht unter anderen der Wirtschafts- und Tourismusverein Reichenau an der Rax. Der stellvertretende Obmann Johannes Ribeiro da Silva schildert die Sachlage aus dessen Sicht: „Auf dem Werksgelände wurden bis jetzt immer Holz, Paletten, Reste aus der Kartonerzeugung, aber auch Klärschlamm verbrannt. Das war eine Art Kompromiss für uns, denn mit der Kartonproduktion hingen rund 150 Arbeitsplätze und die Existenz deren Familien zusammen.“

Nun sind diese Arbeitsplätze weg, die Verwertungsanlage ist aber geblieben, und die Lage habe sich grundsätzlich geändert: „Ohne Produktion gibt es auch keine Rückstände mehr, die verbrannt werden könnten. Es bleibt also nur mehr die großangelegte Verwertung von Klärschlamm über, die ein potenzieller Käufer als wirtschaftliches Interesse haben könnte. Ansonsten würde sich ein Kauf der Anlage ja nicht rentieren – und das passt mit einem Luftkurort, wo auch Quellen der Ersten Wiener Hochquellwasserleitung sind, gar nicht zusammen.“

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Das Werk der MM Karton AG ist seit letztem Jahr geschlossen, nun stehen Teile zum Verkauf

Laut Ribeiro da Silva könnte auch der Wirtschaftsstandort Reichenau bedroht sein: „Die Industrie wandert ab, wir konzentrieren uns daher vermehrt auf den Tourismus. Wir verstehen, dass MM Karton hier Gründe verkaufen will, und das ist grundsätzlich auch gut so. Denn auf dem Gelände der ehemaligen Werkanlage in direkter Nachbarschaft zum Kleinkraftwerk entstehen ja auch bereits weitere touristische Attraktionen. Aber was würde das für ein Bild machen, wenn nebenan Klärschlamm getrocknet und verbrannt wird?“

Selbst wenn die derzeitigen Auflagen nur eine begrenzte Klärschlammverwertung vorsehen, sorgt sich die Initiative darum, dass für die nächsten Betreiber die Auflagen erweitert werden könnten und dadurch „Klärschlamm aus dem gesamten südlichen Raum Niederösterreichs nach Reichenau transportiert wird“, so Riberio da Silva.

„Hochmoderne Vorzeigeanlage“

Die Umwelterklärung der MM Karton zum Standort Hirschwang aus dem Jahr 2018, also als die Produktion noch in vollem Gange war, bestätigt auch, welche Stoffe dort verwertet wurden: „Den mengenmäßig größten Anteil der Abfälle bilden die Rückstände aus der Altpapieraufbereitung, das sogenannte Rejekt, das gemeinsam mit Rejekten aus dem MM-Karton-Werk Frohnleiten, Altholz und Schlamm aus der biologischen Abwasserreinigung werksintern einer thermischen Verwertung zugeführt wird.“

Auf Nachfrage von noe.ORF.at bewertet MM Karton ihre Anlage selbst so: „Die Reststoffverwertungsanlage in Hirschwang setzt auf ein Konzept nach dem Stand der Technik, welches fossile Brennstoffe verantwortungsvoll durch definierte Reststoffe (nicht Müll) ersetzt und zudem energetisch höchste Effizienz erzielt. Die extrem aufwendige Rauchgasreinigung und laufende Onlinekontrolle garantieren höchste Umweltstandards, wobei die von der Behörde vorgeschriebenen Abluftgrenzwerte strikt eingehalten bzw. unterschritten werden.“

Außerdem betont MM Karton, dass dieses Kleinkraftwerk vom zuständigen Ministerium als Musteranlage geführt werde. Man könne aus so einer Verwertungsanlage nicht einfach eine Müllverbrennung machen, denn die Anlage müsste unter den genehmigten Auflagen der zuständigen Behörde betrieben werden – will heißen: Es dürfen in der Anlage in Hirschwang maximal 3.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr verwertet werden. Potenziellen Käufern müsste hier erst einmal eine Ausweitung der Auflagen von den Behörden bewilligt werden.

Mögliche Klärung am Dienstag

Ob und wie sich der Verkauf des Kleinkraftwerks am ehemaligen Produktionsstandort Hirschwang auf die Gemeinde auswirkt, könnte sich bereits am Dienstag, 19. Oktober, zeigen. Denn der Wirtschafts- und Tourismusverein Reichenau an der Rax lud zu einem „öffentlichen Informationsgespräch“, bei dem auch ein Vertreter von MM Karton anwesend sein wird. Der Bürgermeister von Reichenau an der Rax, Johann Döller (ÖVP), wird sich zu dieser Causa auch erst dann eine konkretere Meinung bilden.

In einem Statement meinte Döller dazu: "Ich wünsche mir an diesem Schlüsseltag Aufklärung darüber, was nun wirklich Sache ist. Auch ich werde Fragen formulieren, um Klarheiten zu bekommen, was dort wirklich geplant ist. Dann werden wir uns ein Bild davon machen können, wie wir als Gemeinde weiter vorgehen. Dass das Werk vom ehemaligen Eigentümer verkauft werden will, ist natürlich völlig legitim. Wichtig ist, eine Lösung gemeinsam mit MM Karton zu finden, die nicht gegen den Tourismusstandort spricht.“

Unabhängig davon, wer das Kleinkraftwerk nun kauft und wie die Ideen zu dem Kleinkraftwerk genau aussehen, ist die Initiative nicht untätig geblieben und hat eine Petition veröffentlicht. Aktuell gibt es rund 900 Unterschriften gegen eine mögliche Müllverbrennungsanlage. MM Karton dementiert Gerüchte, nach denen es bereits Käufer gebe.