Frauenhaus
ORF.at/Birgit Hajek
ORF.at/Birgit Hajek
Chronik

Gewaltberatung: 182 Fälle im ersten Monat

Wer von der Polizei ein Betretungsverbot ausgesprochen bekommt, muss seit September verpflichtend zur Gewaltberatung. In Niederösterreich waren das im ersten Monat 182 Personen. Laut dem dafür zuständigen Verein sind die meisten Gefährder einsichtig.

Fünf Tage haben Gefährder Zeit, sich nach einem Betretungsverbot für die vorgeschriebene sechsstündige Anti-Gewaltberatung zu melden. Der Großteil der 182 Gefährder im September sei dieser Meldepflicht auch nachgekommen, heißt es beim Verein Neustart, der in Niederösterreich für die Durchführung zuständig ist. Laut Leiter Alexander Grohs waren die meisten wegen häuslicher Gewalt in Paarbeziehungen in Beratung, aber auch Fälle sexueller Gewalt oder Gewalt gegenüber Eltern waren dabei.

Eine Aufwärmphase gab es Grohs zufolge nicht, „wir befinden uns bereits mittendrin bei den Gewaltberatungen“. Die teils jahrzehntelange Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Täterarbeit bei häuslicher Gewalt "kommt uns hier sicherlich zugute“, so Grohs.

Möglichst baldige Beratung wichtig für Erfolg

Die erste Bilanz nach einem Monat fällt durchaus positiv aus. Viele Gefährder würden bereits bei der Kontaktaufnahme eine Betroffenheit über die eigenen Handlungen zeigen. Den Gewaltschutzexperten von „Neustart“ zufolge sei es besonders wichtig, möglichst bald nach einem Gewaltvorfall mit den Tätern zu arbeiten zu beginnen, um sie an längerfristige Beratungs- und Betreuungseinrichtungen zu vermitteln, die „viele Gefährder von sich aus nicht nutzen“, heißt es. Derzeit muss die erste Beratung innerhalb von 14 Tagen nach Meldung erfolgen.

Aggressive Übergriffe durch die Gefährder in den Beratungen sind klar die Ausnahme, heißt es, kamen aber bereits im ersten Monat vor. „Hier ist es wichtig, zu deeskalieren. Sollte dennoch die Beratung aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden müssen, ist dies ein wichtiger Indikator für die Gefährdungseinschätzung und die Rückmeldung an die Sicherheitsbehörde, wo eine sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz angeregt werden kann“, so Grohs.

Opferschutz: Zusammenarbeit mit Gewaltschutzzentren

Parallel zur Gewaltberatung versuchen die Gewaltschutzzentren nach einem ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbot Kontakt zu den Opfern herzustellen. Im telefonischen Erstkontakt wird neben der psychosozialen Stärkung und Abklärung von Sicherheitsaspekten auch über die verpflichtende Beratung der Gefährder informiert, erklärt Michaela Egger vom Gewaltschutzzentrum Niederösterreich.

Ob ein Austausch zwischen Gewaltschutzzentrum und der Gewaltpräventionsstelle erfolgen darf, hängt von der Zustimmung der Opfer ab. „Vor allem der Aspekt, dass mit den Gefährdern das Gewaltthema bearbeitet wird, erachten viele Klientinnen und Klienten als wichtig", so Egger.

Ihr zufolge gab es vereinzelt Rückmeldungen, dass es nach Ablauf des Betretungs- und Annäherungsverbots neuerlich zu einer Eskalation kam, "weil der Gefährder nach Hause kam und erbost darüber war, dass er wegen der gefährdeten Person nun diese Beratungsstunden absolvieren müsse. Gerade in diesen Fällen zeigt sich, wie wichtig und unerlässlich ein Austausch zwischen den Einrichtungen ist.“

Expertinnen und Experten erachten die Gewaltpräventionsberatung als wichtiges Werkzeug, um mit den von einem Betretungs- und Annäherungsverbot betroffenen Personen binnen kurzer Zeit ein Beratungsgespräch führen zu können. Laut Landespolizeidirektor Franz Popp solle das dazu beitragen, Gewalttaten künftig zu vermeiden. "Daran arbeiten wir auf Hochtouren“, so Popp. Im Sinne eines ganzheitlichen Gewaltschutzes sei hier eine Vernetzung und Kooperation mit den relevanten Behörden und Einrichtungen ausschlaggebend.