Helmut und Johanna Kandl
Archiv H&J Kandl
Archiv H&J Kandl
Kultur

Kritische Beobachter: Helmut und Johanna Kandl

Eine schier unüberschaubare Welt aus zahllosen Fotografien, Gemälden, Videos, Texten und gesammelten Gegenständen aus dem Archiv von Helmut und Johanna Kandl zeigt die Landesgalerie Niederösterreich in Krems in der aktuellen Schau „Viva Archiva!“.

Multimediale Settings, thematische Vielfalt und oft auch eine Portion spielerische Ironie machen den Ausstellungsrundgang zu einer unerschöpflichen Fundgrube, in der „Forschung und künstlerische Arbeit sich mit persönlichen Geschichten zur großen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte verbinden“, konstatiert Christian Bauer, künstlerischer Direktor der Landesgalerie Niederösterreich, über die neue Ausstellung mit Werken von Helmut und Johanna Kandl (im Bild oben). Und Kurator Günther Oberhollenzer, der bereits 2015 eine Personale zu Johanna Kandl im Essl Museum gestaltete, ergänzt das Faszinosum ungebrochenen Interesses, „Neues zu entdecken und sich fern von irgendwelchen Moden oder Trends der zeitgenössischen Kunstszene ganz auf ihr Gespür zu verlassen“.

Umfassende Werkschau aus einem riesigen Fundus

Die ausgestellten Objekte seien großteils „Relikte aus Projekten“, erklärte Helmut Kandl bei der Presseführung am Freitag. Hunderttausende Fotos, tausende Bücher, circa 2.000 Stunden an Videomaterial, Zeitungsausschnitte, Tonaufnahmen, Objekte, Dokumente von Reisen und eben „Relikte“ haben sich zu einem riesigen archivarischen Fundus angesammelt, aus dem heraus Arbeiten entstehen, manchmal auch erst nach Jahren.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Helmut & Johanna Kandl, Viva Archiva!, 2021
Helmut & Johanna Kandl
Helmut & Johanna Kandl, Viva Archiva!, 2021
Johanna Kandl, Farbenhandlung Brünner Straße 165, 2009
Johanna Kandl/Landessammlungen Niederösterreich
Johanna Kandl, Farbenhandlung Brünner Straße 165, 2009
Johanna Kandl, „Preußischblau und Oxidgelb (Koreaner auf der Baustelle in Wjasma)“, 1996
Johanna Kandl/ALBERTINA Wien/Familiensammlung Haselsteiner
Johanna Kandl, Preußischblau und Oxidgelb (Koreaner auf der Baustelle in Wjasma), 1996
Helmut & Johanna Kandl, L’Education de Rosette, 2012
Johanna Kandl/Landessammlungen Niederösterreich
Helmut & Johanna Kandl, L’Education de Rosette, 2012
Helmut Kandl (vormals Schäffer), Gefundenes Fressen, 1990
Helmut Kandl/Landessammlungen Niederösterreich
Helmut Kandl (vormals Schäffer), Gefundenes Fressen, 1990
Günther Oberhollenzer, Johanna und Helmut Kandl (von links)
Francois Pisapia
Helmut und Johanna Kandl sowie Günther Oberhollenzer (v.r.)

Johanna Kandl berichtet: „Ich sehe zum Beispiel auf der Straße einen armen Sessel stehen und frage ihn, ob er nicht mit mir kommen will. Ich könnte ihn ja in ein Museum bringen.“ Doch nicht nur alte Sessel erwecken das Interesse der Kandls, sondern überhaupt alles, was leicht zu übersehen wäre. Kleinhändler etwa kommen immer wieder vor. Johanna Kandl: „Weil sie keine Lobby haben.“ Und so wird immer auch Mitgefühl für Menschen und Dinge abseits der allgemeinen Wahrnehmung spürbar.

Der Humor kommt dabei nicht zu kurz, wie in einem Bild samt Legende zum Wallfahrtsort Maria Laach mit der Sechsfingermadonna, uminterpretiert zum „Wallfahrtsort der erfolglosen Künstler.“ Erfolglos sind die Kandls keinesfalls, richtet doch das Kunsthaus Graz dem Ehepaar eine weitere Ausstellung aus („Palette“, von 26. November 2021 bis 13. März 2022). In Kooperation mit Graz ist ein opulentes Kunstbuch erschienen, das über einen reinen Katalog weit hinausreicht.

Ausstellungshinweis

„Viva Archiva!“, von 6. November 2021 bis 20. Februar 2022, Landesgalerie Niederösterreich, Krems, geöffnet dienstags bis sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr.

Johanna Kandl: „Was ist schon wahr?“

Manchmal zeigt sich die tiefgründig irisierende Seite des scheinbar Schelmischen. Es ärgere sie, sagt Johanna Kandl, dass man Kinder durch die Pädagogik mit dem absoluten Wahrheitsanspruch konfrontiere. „Was ist schon wahr? Und wie viele Wahrheiten ändern sich im Lauf der Zeit!“

Eine Zeichnung zeigt ein Mädchen, daneben steht geschrieben: „Wenn ich groß bin, werde ich Terroristin.“ Johanna Kandl lächelt: „Ist aber leider nicht gelungen.“ Gelungen ist dem Paar hingegen ein beeindruckendes Gesamtwerk, das sich in Krems in exemplarischer und doch reichhaltiger Weise erschließt. „Das Künstlerpaar ist ein kritischer Beobachter unserer Zeit“, so Kurator Günther Oberhollenzer.