Gesammelte Möbel aus dem Parlament
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Möbel für parlamentarisches Sitzfleisch

Unter die Renovierung des Parlaments in Wien fällt auch die Erneuerung der Möbel. Das geschieht in einem Hainfelder Familienbetrieb (Bezirk Lilienfeld). Laut Denkmalamt muss etwa bei der Restaurierung der Sitzmöbel das gleiche Material verwendet werden wie vor 150 Jahren.

Als Baumeister und Architekt Theophil Hansen im 19. Jahrhundert das Parlament an der Wiener Ringstraße geplant und gebaut hat, entwarf er dafür auch passende Möbelstücke: Die Tisch- und Sesselbeine beispielsweise sind den Säulen im Parlament ähnlich. Im Zuge der 2017 begonnenen Generalsanierung des Parlaments wird auch das Inventar erneuert. Darunter fällt auch der Tausch und die Restaurierung etlicher Möbelstücke.

Unter jenen Möbelstücken, die derzeit restauriert werden, befinden sich der Tisch aus dem Ministerratssaal, die Sitzbänke der Säulenhalle und dutzende Sessel aus Sitzungszimmern. Bei der Erneuerung der Sitzpolsterung muss das gleiche Material wie vor 150 Jahren verwendet werden.

Tischlerei restauriert Parlamentsmöbel

Seit mehr als vier Jahren wird das Parlament in Wien mitsamt seinen rund 1.600 Innenräumen saniert und restauriert. Rund 300 historische Möbelstücke werden dafür von einem Familienbetrieb in Hainfeld aufgewertet.

Beim Erneuern soll möglichst viel Altes erhalten bleiben

Die wertvolleren Tische, Sessel und Sitzbänke werden von Restaurator Marc Neuhauser in Hainfeld (Bezirk Lilienfeld) entsprechend den Vorgaben des Bundesdenkmalamts erneuert: „Unsere Vorgabe ist, dass ich soviel wie notwendig, aber so wenig wie möglich Hand anlege. Das heißt, dass ich die Möbel konservieren und die Substanz erhalten möglichst erhalten muss“, so Neuhauser.

So wird etwa bei der Restaurierung eines Beistelltisches aus Holz keine Schleifmaschine, sondern eine 150 Jahre alte Ziehklinge verwendet: „Mit dieser Ziehklinge kann man den alten Lack, der schon komplett verhärtet ist, behutsam abziehen“, erklärt Neuhauser. „Auf der Tischplatte müssen etwa Brandflecken abgelegter Zigaretten entfernt werden, auf der Unterseite des Tisches haben wir auch Spuren von Kaugummis gefunden.“

Möbel von Figl, Raab und Kreisky

Das größte Möbelstück, das in Hainfeld restauriert wird, ist der fast zehn Meter lange Tisch aus dem Ministerratssaal. Dort haben bis 2017 sämtliche Regierungen der zweiten Republik ihre Sitzungen abgehalten, von Bundeskanzler Karl Renner (SPÖ) über Leopold Figl (ÖVP), Julius Raab (ÖVP), Bruno Kreisky (SPÖ) bis zu Christian Kern (SPÖ), danach starteten die umfangreichen Bauarbeiten.

Im August 2017 übersiedelte das Parlament vorübergehend in die Hofburg. Seitdem arbeiten laut Parlamentsdirektion im Durchschnitt täglich 400 Personen auf der Baustelle. Neben den Außenfassaden werden auch alle 1.600 Räume des Parlaments saniert, darunter auch alle Sitzungssäle und die fast 1.000 Quadratmeter große Säulenhalle. Die rot bezogenen Sitzbänke, die in der Säulenhalle gestanden sind, werden auch in Hainfeld restauriert. Sie bekommen einen neuen – nun schwarzen – Sitzbezug.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Beistelltisch wird restauriert
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Alte Möbelstücke erfordern altes Gerät. Dieser Beistelltisch aus dem Parlament wird mit einer 150 Jahre alten Ziehklinge abgezogen
Neue Polsterung für Parlamentsstühle
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Wenn die Sessel ins Parlament zurückkehren, dürfen sie nur unwesentlich anders aussehen als zuvor. Das betrifft nicht nur die Optik, sondern auch die eingesetzten Materialien
Sitzbänke alt und neu
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Diese Sitzbänke aus der Säulenhalle des Parlaments werden nach ihrer Restaurierung anders wirken als zuvor. Die abgewetzten roten Sitzflächen werden durch schwarze Überzüge ersetzt.
Gestapelte Sessel aus dem Parlament
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In der Hainfelder Werkstatt befinden sich derzeit 300 Möbelstücke aus dem Parlament. In spätestens einem Jahr müssen sie fertig restauriert sein
Bauarbeiten Parlament
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Bei den Sitzmöbeln, auf denen gewichtige Politikerinnen und Politiker viel Sitzfleisch bewiesen haben, muss die Polsterung erneuert werden. Dafür verwendet Tapezierer Christian Mayer dasselbe Material, das auch bei der Herstellung verwendet wurde: „Unter dem Leder sind die Sessel mit Afric gepolstert. Afric nennt man die Faser der afrikanischen Zwergpalme. Zum Teil ist auch Seegras verwendet worden, das aber qualitativ nicht so gut ist.“ Bei der Restaurierung werden die Sessel wieder mit Afric gepolstert, darüber kommt eine Schicht mit Rosshaaren.

Historischer „Sesselkleber“ für Parlamentssessel

Für alle Möbelstücke, die aus dem Leim gegangen sind, wird ein besonderer „Sesselkleber“ verwendet: „Wir nehmen historischen Glutinleim. Das ist ein Knochenleim, der in Wasser aufgekocht werden muss“, erklärt der Restaurator und schmunzelt: „Unser Sesselkleber ist damit deutlich älter als alle Sesselkleber, die man im Parlament finden kann.“

Am Nationalfeiertag des kommenden Jahres, am 26. Oktober 2022, soll das rundum erneuerte Parlament feierlich eröffnet und in Betrieb genommen werden. Die Möbel sollten bereits im kommenden Frühjahr fertig werden. In der Werkstatt in Hainfeld ist man zuversichtlich: „Es ist zwar extrem viel Arbeit, weil wir jedes einzelne Stück anders behandeln müssen. Aber wir werden über den Winter bis spätestens April fertig werden“, so Restaurator Marc Neuhauser gegenüber noe.ORF.at.