Prozessauftakt im Großen Schwurgerichtssaal am Landesgericht für Strafsachen in Wien
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Chronik

Multiversum-Prozess: Angeklagte bestreiten Vorwürfe

Am Dienstag hat der Prozess um mutmaßlichen Förderbetrug rund um das Multiversum in Schwechat (Bezirk Bruck an der Leitha) begonnen. Unter den elf Angeklagten sind Ex-Tischtennisweltmeister Werner Schlager und Ex-Bürgermeister Hannes Fazekas (SPÖ).

140 Seiten umfasst die Anklageschrift. Den Beschuldigten wird schwerer Betrug und Untreue vorgeworfen. Ursprünglich waren zwölf Angeklagte zum Prozess geladen, einer wurde vorerst ausgeschieden, weil er gesundheitliche Gründe ins Treffen führte. Laut einer Sprecherin des Gerichts drohen den Beschuldigten ein bis zehn Jahre Haft.

Am Dienstag standen der Anklagevortrag der Staatsanwältin und die Plädoyers der Verteidiger auf dem Programm. Am Mittwoch sollen die Befragungen der Beschuldigten starten. Die Richterin kündigte an, „in chronologischer Reihenfolge“ vorgehen zu wollen.

Gleich zu Beginn wird Werner Schlager als Beschuldigter vernommen. Der Schwechater Ex-Bürgermeister Fazekas kommt noch diese Woche zu Wort, die Einvernahmen der Beamten und Vertragsbediensteten finden erst in der kommenden Woche statt. Zehn weitere Verhandlungstermine bis zum 2. Februar 2022 sind bereits auf Schiene. Schlager und Fazekas wollten am Dienstag auf Nachfrage von noe.ORF.at keine Stellungnahme abgeben.

Die Anfänge: Ein internationales Trainingszentrum entsteht

Nachdem Schlager im Jahr 2003 in Paris Weltmeister im Tischtennis-Einzel geworden war, sollte in Schwechat die Werner Schlager Academy als internationales Tischtennis- und Trainingszentrum aufgebaut werden. Angedacht war die Academy als Teil der Veranstaltungs- und Sporthalle Multiversum, wobei die Akademie mit zehn Prozent zur Auslastung beitragen sollte. 50 Prozent sollten allgemeine Sportveranstaltungen, 40 Prozent kulturelle Events beisteuern.

Im Februar 2008 erfolgte der Spatenstich für das Großprojekt, doch wie nun die Anlagevertreterin der WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) im Großen Schwurgerichtssaal ausführte, habe bereits wenige Monate nach der Eröffnung eine „große Finanzierungslücke“ bestanden: „Es haben viele Millionen gefehlt.“ Man habe daher um Mittel aus der Bundessportförderung für die Tischtennis- und Mehrzweckhalle angesucht. Dabei habe in Wahrheit gar keine „Förderfähigkeit“ bestanden.

APA14972888 – 04102013 – SCHWECHAT – OESTERREICH: Besucher bei der Tischtennis Europameisterschaft 2013 am Freitag, 04. Oktober 2013 im Multiversum in Schwechat. APA-FOTO: HANS PUNZ
APA/Hans Punz
Bereits kurz nach der Eröffnung befand sich das Multiversum in einer „finanziellen Schieflage“

Der damalige Schwechater Bürgermeister Hannes Fazekas (SPÖ), sein stellvertretender Stadtamtsdirektor und ein weiterer Proponent der Gemeinde sollen im Zusammenhang mit dem Förderansuchen Werner Schlager und dessen früheren Geschäftspartner dazu gebracht haben, tatsachenwidrig die 70-prozentige Nutzung der Halle vorzugeben, wofür von der Sportsektion im Bundesministerium, später vom Ministerium für Sport Millionen begehrt und – so der Tenor der Anklage – erschlichen wurden.

Auch fünf Beamte aus dem Sportministerium vor Gericht

Als Tatzeitraum sind die Jahre 2007 bis 2013 inkriminiert, neben den drei Gemeindevertretern, Schlager und seinem Ex-Partner müssen sich fünf Mitarbeiter des Sportministeriums vor einem Schöffensenat verantworten, die unter dem damaligen Minister Norbert Darabos (SPÖ) für die Vergabe beziehungsweise die Kontrolle der Bundessportförderung zuständig waren.

Sie sollen laut Anklage in „vorauseilendem Gehorsam“ die „politische Befürwortung des Bundesministers“ umgesetzt haben, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Die Ermittlungen gegen Darabos wurden 2020 eingestellt. Mitangeklagt wurden allerdings auch die beiden ehemaligen Multiversum-Geschäftsführer. Sämtliche Angeklagte bekennen sich nicht schuldig.

Das Land Niederösterreich hatte für die Halle zunächst eine Subvention in Höhe von 2,8 Mio. Euro gewährt. Das reichte nicht aus, also wurde versucht, den Bund „anzuzapfen“. Es wurden mehrere Subventionsanträge gestellt, die laut WKStA aber unrichtige Darstellungen enthielten. So wurde etwa behauptet, die Stadt Schwechat habe sich an der Errichtung beteiligt, es gebe eine weit höhere Landesförderung und es existierten überdies beträchtliche Eigenmittel.

2,9 Millionen Euro wurden ausbezahlt

Die Anklagevertreterin bemängelte in ihrem Eröffnungsvortrag weiters ein fehlendes wirtschaftliches Gesamtkonzept der Mehrzweckhalle, fehlende Gemeinderatsbeschlüsse und fehlende Haftungs- und Verpflichtungserklärungen. Die Förderansuchen bezogen sich insgesamt auf 7,8 Mio. Euro. 2,9 Mio. Euro wurden tatsächlich ausbezahlt – „ohne Vorliegen der Fördervoraussetzungen“, wie die Staatsanwältin insistierte. Den Angeklagten wird Untreue und schwerer Betrug angekreidet.

In einem weiteren Fakten-Komplex geht es um die Finanzgebarung der Multiversum BetriebsgmbH. Unter anderem sollen der Werner Schlager Academy Betriebskosten in Höhe von rund 400.000 Euro nicht verrechnet und externe Kosten auf Basis von Scheinrechnungen ohne Gegenleistung abgegolten worden sein. Ein Sportverein soll rechtswidrigerweise üppige Darlegen erhalten haben. Dass einer der beiden Geschäftsführer zugleich stellvertretender Schwechater Stadtamtsdirektor war, erleichterte ihm laut Staatsanwältin entsprechende Malversationen. Er soll wiederholt die Unterschrift von Bürgermeister Fazekas eingescannt und damit gefälschte Urkunden produziert haben.

Der Verteidiger von Ex-Bürgermeister Fazekas, Martin Riedl, betonte in seinem Plädoyer zunächst, es sei unrichtig, dass das Multiversum von Anfang an wirtschaftlich nicht tragbar gewesen sei. Dies sei „eine unerträgliche Ex-Post-Betrachtung“. Es habe vielmehr umfassende Businesspläne und Studien gegeben: „Das kann man nicht unter den Tisch fallen lassen.“ Dass Fazekas Malversationen begangen habe, sei falsch. Der mitangeklagte stellvertretende Stadtamtsdirektor habe ohne dessen Wissen Manipulationen vorgenommen und das Vertrauen des Bürgermeisters missbraucht. „Er hat den Boden unter den Füßen verloren und ist in einen Strudel hineingekommen“, vermutete Riedl.

Schwechats Ex-Bürgermeister Hannes Fazekas
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Der frühere Bürgermeister von Schwechat, Hannes Fazekas, beim Prozessauftakt am Dienstag

Der Rechtsvertreter des Ex-Gemeindefunktionärs und Ex-Multiversum-Geschäftsführers, Roland Kier, verwies auf seine im Vorfeld schriftlich bei Gericht eingebrachte Stellungnahme und verzichtete auf verfahrenseinleitende Ausführungen. Sein Mandant bekenne sich „grundsätzlich nicht schuldig“, sagte Kier.

Schlager-Anwalt: „Ihn hat nur der Sport interessiert“

Die Anwälte der fünf vor Gericht gestellten Ministeriumsmitarbeiter versicherten jeweils, diese hätten kein Verbrechen begangen. Einer sei als stellvertretender Sektionschef in das Ganze „hineingeschubst“ worden und habe „keine Möglichkeit gehabt, die Vorgänge zu überblicken“, hieß es etwa. Ein ehemaliger Sektionschef ließ seinen Verteidiger erklären, er habe Kunstgeschichte und Germanistik studiert und habe früher als Kriegsberichterstatter für eine Tageszeitung gearbeitet. Er habe nach dem Jobwechsel in die Sportsektion keinesfalls wissentlich seine Befugnisse missbraucht.

Der Verteidiger von Werner Schlager, Robert Auer, wies die Darstellung der WKStA, der Tischtennis-Weltmeister sei „in einen gemeinsamen Tatplan mit der Stadt Schwechat“ eingebunden gewesen, auf das Entschiedenste zurück. Schlager sei im Tatzeitraum noch aktiver Sportler, „die Nummer zwölf oder 13 der Weltrangliste“ gewesen: „Ihn hat nichts anderes als Sport interessiert. Er war 180 Tage im Jahr unterwegs, in Japan, in Südkorea, in Qatar. Im Tischtennis ist es nicht wie bei den Skifahrern, die zwei Stunden mit dem Auto irgendwohin fahren.“

Werner Schlager
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Werner Schlager wollte in Schwechat ein internationales Tischtennistrainingszentrum etablieren, er soll laut Anklage am mutmaßlichen Förderbetrug beteiligt gewesen sein

Was die prozessgegenständlichen Förderungen betrifft, sei Schlager an diesbezüglichen Gesprächen nicht beteiligt gewesen, versicherte sein Anwalt. Er habe seinen Namen und die Werner Schlager Academy im Ausland propagiert und Kontakte geknüpft. Insofern sei die ursprünglich geplante 70-prozentige Auslastung des Multiversum durch die Academy „keinesfalls tatsachenwidrig“ gewesen, bekräftigte Auer.

Schlager habe immerhin die Zusage des ITTF (International Tennis Table Federation) gehabt, eine Tischtennis-WM und eine -EM in Schwechat veranstalten zu können, diverse Nationalmannschaften hätten außerdem die Durchführung ihrer Trainingslager im Multiversum zugesichert gehabt. „Er hat für politische Überlegungen keine Zeit gehabt, Details zu Förderungen haben ihn nicht interessiert“, hielt Auer fest. Schlager sei es vor allem darum gegangen, „den Tischtennis-Sport in Österreich zu fördern“.