Mit dem Österreichischen Naturschutzpreis gliedert sich Erhard Kraus in eine Reihe bekannter Persönlichkeiten ein: Der Preis des Naturschutzbundes, der seit 1975 vergeben wird, ging etwa schon an den Verhaltensforscher Kurt Kotrschal, den Künstler Friedensreich Hundertwasser oder die erste Grünen-Chefin Freda Meissner-Blau.
Ein Leben für den Naturschutz härtet ab. Viele Projekte scheitern oder sind von Rückschlägen geprägt, vor allem, wenn man sich so wie Erhard Kraus seit fast 50 Jahren für den Schutz von Tieren, Pflanzen und Biotopen einsetzt. „In den Anfangsjahren hatte ich Probleme, damit umzugehen, dass es an der eigenen Performance liegt, ob man etwas rettet oder nicht. Das kann stark belasten, wenn da etwas schiefgeht“, erzählt der promovierte Biologe.
Zwischen eigenen Ansprüchen und Behördenjob
Er kenne genügend Kollegen, die das nicht ausgehalten hätten. Er selbst ist keine Ausnahme: In den 1970er-Jahren begann er in der Naturschutzabteilung des Landes. 1984 verlässt er die Abteilung, aus Frust über den geplanten und schließlich abgeblasenen Bau des Kraftwerks Hainburg. Er ist auf der Seite der Aktivisten und nicht auf jener seiner eigenen Behörde. „Es war für mich schwierig, als Mitarbeiter damit umzugehen. Ich ging dann zum WWF“, sagt der 69-Jährige. Dort entwickelte er das Naturschutzgebiet Lange Lacke, das später zum Nationalpark Neusiedler See wird.
Mann der vielen Schutzgebiete
Zahlreiche weitere Schutzgebiete ziehen sich durch Kraus’ Biographie: Seine Arbeit im Landesdienst ebnete etwa den Weg für die Natura2000-Gebiete, auch Europaschutzgebiete genannt. 36 gibt es davon im Bundesland, etwa die March-Thaya-Auen, die Wachau oder die Wienerwald Thermenregion. Auch die Anfänge des Wildnisgebiets Dürrenstein, das einzige Wildnisgebiet Österreichs, gehen auf Erhard Kraus’ Arbeit zurück.
Dieser verfolgt natürlich die Eingriffe in diese Schutzgebiete. In jenen im Weinviertel, „Steinfeld“ und „Sandboden und Praterterrasse“, ist der Vogel Triel zu Hause. Durch die Region führt der Verlauf der geplanten Schnellstraße S8. „Natürlich gibt es Infrastruktur-Projekte, die unvermeidlich sind, die Frage ist, ob Straßen das richtige Rezept sind in Zeiten des Klimwandels. Mein persönlicher Eindruck ist, dass diese Naturschutzfestlegungen leider nur Papier sind“, befindet Kraus.

Innerer Konflikt
Weitere Schutzgebiete in Niederösterreich zu etablieren sei ihm wegen des Drucks nicht möglich gewesen. Er spricht von einem seiner größten Rückschläge: „Man hatte die Meinung, Natura2000 sei für Jagd, Forst- und Landwirtschaft gefährlich. Das finde ich nicht, mit richtigen Tools, Managementplänen und Datenlage kann man Eingriffe in Naturschutzgebiete planen und einbetten – dann kann man vernünftige Lösungen finden. Das passiert in meinen Augen in Niederösterreich nicht ausreichend.“ Mit Kritik an der Naturschutzabteilung spart Kraus nicht.
Darauf angesprochen heißt es aus der Abteilung, dass Naturschutz nur erfolgreich sein könne, wenn Menschen vor Ort eingebunden und von der Notwendigkeit von Naturschutzmaßnahmen überzeugt werden: „Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei sind die größten Landnutzer und Landbewirtschafter. Ohne Einbeziehung dieser Interessensbereiche ist eine großräumige und erfolgreiche Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen nicht möglich. Dafür gibt es auch unzählige positive Beispiele, wie die Renaturierung von Flüssen, der Schutz von Mooren und geschützten Arten sowie von Wildtieren.“
Rückkehr in den Landesdienst
Beim WWF, eine der größten internationalen Natur- und Umweltschutzorganisationen, erlebte Kraus den Naturschutz aus einer anderen Perspektive. Hier habe vor allem das nötige Geld gefehlt. Kraus leitete damals u.a. die Wiederansiedlung der Braunbären im Bereich des Ötschers – nicht erfolgreich: „Nach zehn, fünfzehn Jahren war die Population rückläufig. Vermutlich durch illegale Entnahmen“
1997 kehrte er in den Landesdienst zurück, zuerst wieder in die Naturschutz- dann in die Wasserbauabteilung. Wieso die Rückkehr? „Ich war immer sehr motiviert, meine Kräfte dem Land und der heimatlichen Natur zur Verfügung zu stellen. Das wusste ich seit meiner Kindheit.“
Leben für Naturschutz beginnt wegen Flussregulierung
Kraus wächst in Ruprechtshofen (Bezirk Melk) an der Melk auf. Damals noch ein unregulierter Fluss. „Mit circa 13 Jahren wurde der Fluss reguliert. Von paradiesischer Flusslandschaft blieb nichts übrig. Es war traumatisierend. Dieses Kindheitserlebnis hat mich sehr geprägt“, erklärt er sein späteres Biologiestudium sowie seine Faszination und sein Durchhaltevermögen für den Naturschutz.
Und mit Wasserrefugien beschäftigt er sich auch noch in der Pension. So kümmert er sich drei Mal pro Woche um stillgelegte Schotterteiche einer Firma in Klein-Pöchlarn (Bezirk Melk), die nun als Rückzugsort für Vögel dienen. „Mit dem Naturschutzverein LANIUS kontrollieren und besichtigen wir die Fauna und Flora. Es ist erstaunlich, wie hoch der Vogelanteil ist. Möwen, Kormorane, Graureiher, einmal ein Seeadler. 184 verschiedene Arten haben wir nachgewiesen.“
Ein Beispiel, dass Wirtschaft nicht zwingend Natur zerstöre, sagt Kraus. Im Naturschutz wünscht er sich mehr Miteinander. „Es gibt keine Kooperation zwischen Landes- und Vereinsnaturschutz, das ist ganz schlimm in meinen Augen. Es müsste kooperativ sein und nicht ein Konflikt.“ Ziel hätten alle immerhin dasselbe: Naturschutz.