„Ganz persönlich“

Mit „Ehrgeiz“ an die Spitze des Staatsschutzes

Der Niederösterreicher Omar Haijawi-Pirchner übernimmt am 1. Dezember die Leitung der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Ein Job, der ihn derzeit völlig in Beschlag nimmt, erzählt der 41-Jährige. Sein Rückzugsort ist seine Familie.

Omar Haijawi-Pirchner, verheiratet und Vater von zwei Kindern, ist seit August 2017 Leiter des Landeskriminalamts Niederösterreich. Am 1. Dezember übernimmt der 41-Jährige die Leitung der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), die Nachfolgerin des von diversen Skandalen geschüttelten Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT), das sogar Gegenstand eines Untersuchungsausschusses war.

Haijawi-Pirchner ist im Bezirk Gmünd als Sohn eines Gemeindearztes geboren und maturierte 1998 am Bundesrealgymnasium in Gmünd. Haijawi-Pirchner trat am 1. November 1999 in die Bundesgendarmerie ein. Laut Medienberichten sei er im Innenministerium für die Erstellung eines neuen Konzepts für den Verfassungsschutz involviert gewesen und habe auch bei den Ermittlungen rund um den Terror-Anschlag in Wien 2020 im Hintergrund einige Fäden gezogen.

noe.ORF.at: Das BVT ist vielen wegen seiner Skandale ein Begriff. Spätestens seit der Hausdurchsuchung beim BVT ist die Einheit nicht mehr zur Ruhe gekommen. Letztlich hat man sich für eine Neuorganisation entschieden. Ihr neuer Job ist wahrscheinlich einer der heikelsten Polizeijobs in der Republik. Kann man diese Skandale einfach abschütteln? Muss man nicht ein großer Optimist sein, um dieses Amt zu übernehmen?

Omar Haijawi-Pirchner: Selbstverständlich braucht es ein riesiges Maß an Optimismus. Zwei Punkte sind wichtig: Es wird sowohl intern, aber auch nach außen, also etwa den Medien gegenüber, wichtig sein, zu zeigen, warum es uns gibt, warum ein Verfassungsschutz notwendig ist. Und es wird wichtig sein, zu zeigen, was wir machen. Meine Aufgabe wird sein, den Auftritt der DSN nach außen zu übernehmen und auch die Medien und die Öffentlichkeit anzusprechen und auch die Erfolge klar zu transportieren.

Ganz persönlich Omar Haijawi-Pirchner
ORF
Eva Steinkellner-Klein spricht mit Omar Haijawi-Pirchner über seinen neuen Job an der Spitze des Staatsschutzes

noe.ORF.at: Es heißt, die Mannschaft ist zerstritten, es ist alles etwas chaotisch. Wie wollen Sie denn da Ruhe reinbringen und auch etwas Struktur?

Haijawi-Pirchner: Das habe ich so in den letzten Wochen nicht wahrgenommen. Es liegt vielmehr eine hohe Motivation vor. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind höchst kompetent. Sie müssen nun ab 1. Dezember ihre Arbeit in Ruhe tun können und das wird eine meiner vorrangigsten Aufgaben sein.

noe.ORF.at: Wie darf man sich diese Arbeit eigentlich vorstellen?

Haijawi-Pirchner: Wir haben zwei wesentliche Aufgaben: der polizeiliche Staatsschutz, die Gefahrenabwehr in viele unterschiedlichen Bereichen und die kriminalpolizeilichen Ermittlungen gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft. Und die zweite Aufgabe ist betrifft den Nachrichtendienst. Es geht um Gefahrenerforschung im Sinne eines Frühwarnsystems. Es müssen Gefahren frühzeitig identifiziert werden, um präventiv ansetzen zu können.

noe.ORF.at: Da geht es in erster Linie um Terrorabwehr.

Haijawi-Pirchner: Es geht natürlich auch um Terrorgefahr. Wir hatten im Vorjahr einen Terroranschlag. Wir müssen hier sehr wachsam sein in Zukunft. Aber Terror ist nur eine der Aufgaben. Wir haben natürlich auch das Feld des Extremismus zu bearbeiten, Rechtsextremismus, aber auch Linksextremismus. Wir sehen jetzt gerade, dass es im Zusammenhang mit Corona natürlich aufkeimende Extremismen gibt und hier müssen wir zukünftig als Nachrichtendienst auch sehr sorgsam und wachsam sein.

noe.ORF.at: Wie muss man sich die Arbeit eigentlich vorstellen? Spielt sich da viel vor dem Computer ab?

Haijawi-Pirchner: Natürlich, die Digitalisierung macht auch bei uns nicht halt. Das betrifft aber auch die Arbeit der Polizei. Natürlich passiert sehr viel vor dem Computer. Aber es gibt auch Dinge, die von außen zu erledigen sind. Gerade der Nachrichtendienst lebt natürlich von Informationen und hier passiert die Arbeit nicht nur vor dem Computer. Hier müssen auch in anderen Bereichen Informationen eingeholt und entsprechend analysiert und ausgewertet werden.

noe.ORF.at: Wenn Sie sich jetzt im Kino den „James Bond“-Film anschauen, denken Sie sich dann, das ist ja ein völliger Blödsinn?

Haijawi-Pirchner: Natürlich gibt es oft Überschneidungen, wenn man diverse Filme und Serien im Fernsehen anschaut, aber wenn Sie auf den James Bond zurückkommen, hier sind viele Dinge, die nicht der Realität entsprechen und schon gar nicht in einem Land wie Österreich, aber gerade im technischen Bereich passiert auch sehr viel wie es im Fernsehen gezeigt wird in der Realität.

noe.ORF.at: Sie sind im Waldviertel aufgewachsen, ihr Vater ist aus Jordanien, war Gemeinderat im Waldviertel. Sie haben in Interviews erzählt, dass Sie schon in der Schule mit Rassismus und Ausländerfeindlichkeit konfrontiert waren. Wie ist das jetzt?

Haijawi-Pirchner: Natürlich bin ich immer wieder damit konfrontiert. Zuletzt war das auch aufgrund der medialen Berichterstattung im Zusammenhang mit meiner neuen Funktion klar wahrnehmbar. Ich habe das ja in vielen Interviews auch schon gesagt, dass mich das als Kind schon auch immer wieder getroffen hat und es war auch wahrnehmbar. Aber es war auch eine andere Zeit.

Da hat sich natürlich auch etwas verändert, gerade mit den neuen Medien und der Möglichkeit, dass jeder und jede zu jeder Zeit im Internet seine Meinung sagen kann. Damit sind wir aber generell als Polizei betroffen. Wir müssen alles tun, um solche Anfeindungen bestmöglich unterbinden zu können. Auch das ist eine wesentliche Aufgabe des DSN.

Ganz persönlich Omar Haijawi-Pirchner
ORF

noe.ORF.at: Sie sind der erste Polizist in ihrer Familie. Wieso sind Sie Polizist geworden?

Haijawi-Pirchner: Schwierig. Ich hatte schon als Kind einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, und nach der Matura im Jahr 1998 hat sich die Frage gestellt: Wie geht’s weiter? Ich habe mich für diesen Weg entschieden und bereue es seit damals keinen Tag, weil es ein abwechslungsreicher Job ist und weil es so viel Möglichkeiten gibt und das Arbeitsumfeld ist höchst spannend. Ich bin sehr froh, dass ich mich für diesen Weg entschieden habe.

noe.ORF.at: Sie haben eine steile Karriere hingelegt. Zuletzt waren Sie der Leiter des Landeskriminalamtes in Niederösterreich, und in dieser Funktion der jüngste Beamte Österreichs. Sie werden oft als „fleißig“ und „ehrgeizig“ beschrieben. Treibt Sie der Ehrgeiz an?

Haijawi-Pirchner: Selbstverständlich. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich bin nicht ehrgeizig. Ich bin natürlich höchst ehrgeizig. Ich bin auch der Meinung, dass Ehrgeiz eine Tugend ist, die man haben muss, wenn man weiterkommen will. Im Beruf, aber in allen Lebenslagen, wenn man Ziele nicht klar verfolgt, dann wird man auch nie den Weg erreichen, den man erreichen möchte.

noe.ORF.at: Haben Sie auch schon Enttäuschungen hinter sich? Wie gehen Sie mit Frust um?

Haijawi-Pirchner: Wer kennt das nicht. Natürlich gibt’s Lebenssituationen, wo man mal nicht so glücklich ist, wo mal etwas nicht so läuft, wie man sich das wünscht, aber ich denke auch hier ist dieser Leitsatz erstrebenswert: aufstehen, Krone richten und in die Zielrichtung weitergehen.

noe.ORF.at: Was gibt Ihnen Kraft? Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Haijawi-Pirchner: Natürlich ist die Freizeit sehr spärlich. Ich versuche meine freien Minuten so gut es geht mit meiner Familie zu verbringen, etwas Ausgleichsport zu treiben, aber Zeit für große Hobbies bleibt derzeit nicht.

noe.ORF.at: Sie sind verheiratet und haben zwei Kinder. Wie viel dürfen Sie eigentlich zuhause von ihrem Job erzählen?

Haijawi-Pirchner: Mein familiäres Umfeld weiß natürlich in welchem sensiblen Bereich ich arbeite, schon seit Jahren. Es ist daher vollkommen klar, dass zuhause über dienstliche Belange nicht gesprochen wird. Auch in meinem Freundeskreis ist das natürlich so. Mir ist das auch sehr wichtig, es gibt natürlich einerseits Vorschriften, aber ich möchte auch selbst Abstand davon nehmen, weil es mir in meiner wenigen Freizeit auch wichtig ist, nicht über dienstliches zu sprechen.