In den Kinderheimen, welche die Volkshilfe Wien im Auftrag der Stadt Wien in Altenberg (Bezirk Tulln), Ybbs (Bezirk Melk), Pitten und Willendorf (beide Bezirk Neunkirchen) betrieb, dürften zwischen 1945 und 2012 tausende Kinder und Jugendliche untergebracht worden sein. Verlässliche Zahlen zu den Unterbringungen gibt es nicht – und auch das Leid der Betroffenen ist unermesslich.
Heimopferrente
Betroffene können eine Heimopferrente von rund 340 Euro monatlich beantragen. Wie und wo das möglich ist, erfahren Sie hier.
Volksanwaltschaft
Die Rentenkommission der Volksanwaltschaft unterstützt Personen, deren Antrag abgelehnt wurde.
„Am schlimmsten war der Entzug der Freiheit. Aber die Erzieher und die Heimleitung waren auch nicht gerade zimperlich. Abgesehen von der alltäglichen Gewalt wurde einem das Essen bis zum Erbrechen reingestopft, und dann musste man das Erbrochene auch noch mitessen. Bettnässern wurde das nasse Leintuch über den Kopf gezogen und dann rote Mascherln in die Haare gesteckt, damit jeder wusste: Jetzt hat der wieder reingemacht“, erzählte Romana Schwab, die 1970 als Zwölfjährige nach Schloss Altenberg kam.
„Wir wollten uns der Vergangenheit stellen“
Auch in den Kinderheimen in Pitten, Willendorf und Ybbs kam es zu sexuellem Missbrauch, gezielten Demütigungen sowie physischer und psychischer Gewalt. Das Unrecht, das den Kindern und Jugendlichen an diesen Orten widerfahren war, arbeitete die Volkshilfe nun in einem 200 Seiten langem Bericht auf.
„Wir wurden von ehemaligen Heimkindern kontaktiert und um Aufklärung gebeten. 2016 war dann für uns als Organisation klar, dass wir uns unserer Vergangenheit stellen und Verantwortung übernehmen wollen“, erklärte die Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien, Tanja Wehsely.
Das Ergebnis wurde nun in einem Forschungsbericht präsentiert. Der die Untersuchung leitende Historiker Michael John attestierte allen Heimen „ein über Jahrzehnte wiederkehrendes Vorkommen von Missbrauch und Gewalt, vor allem in den 50er, 60er- und 70er-Jahren“.
Frage der Verantwortlichkeit noch nicht geklärt
Die Stadt Wien habe immer erst sehr spät eingegriffen, sagte Michael John gegenüber noe.ORF.at. Auch die niederösterreichischen Landesbehören seien zur Kontrolle verpflichtet gewesen. „Hinweise auf ein effizientes Vorgehen haben wir aber nicht gefunden.“
Die historische Aufarbeitung müsse aber jedenfalls über die von der Volkshilfe betriebenen Kinderheime hinausgehen: „Es liegt bis heute keine veröffentlichte Gesamtstudie für Niederösterreich vor, wie das etwa in Oberösterreich, Tirol und teilweise auch Wien vorhanden ist. Vieles ist noch unbekannt, und die Frage der Verantwortlichkeit ist noch nicht definitiv abgehandelt worden.“
Heimopferrente für Betroffene
Der Heimbericht der Volkshilfe Wien ist jedenfalls ein wichtiger Schritt. „Endlich wird den Betroffenen zugehört, nachdem sie über Jahrzehnte als Lügner abgestempelt wurden“, sagte Romana Schwab. Neben der symbolischen Anerkennung sei aber auch ein niederschwelliges Therapieangebot wichtig: „Denn gerade im Alter, wenn man viel Zeit zum Nachdenken hat, kommen die ganzen Traumata zum Vorschein.“