Helga Dier, Karl Eder und Susanne Egger mit einer Fotocollage
ORF
ORF
Coronavirus

Intensivpatient: „Mehr als medizinische Behandlung“

Das Personal in Krankenhäusern steht weiterhin unter Druck. Dabei wird dort weit mehr geleistet als nur medizinische Versorgung, so hat es jedenfalls Karl Eder erlebt. Drei Monate lang war er wegen Covid-19 Intensivpatient.

„Heute ist der 24. Dezember“ – das ist die erste Erinnerung Karl Eders nach etwa neun Wochen künstlichem Koma. Um diese Zeit vor einem Jahr liegt er im Tiefschlaf – erneut. Als er aus dem ersten Koma nach einer Woche aufgeweckt werden soll, bildet sich in seiner Lunge ein Blutgerinnsel. Die Lungenembolie fordert eine mehrstündige Operation im Spital in Scheibbs und hat wieder Tiefschlaf zur Folge. Nur diesmal dauert es bis Weihnachten.

Und jeden einzelnen Tag schrieb ihm seine Frau Susanne Egger zwei Briefe. Pflegerinnen und Pfleger lasen sie Karl Eder vor, danach wurden sie auf die Wände seines Zimmers geklebt. Seine Töchter und Schwestern sendeten Sprachnachrichten, die ihm vorgespielt wurden. „Es war nicht nur die medizinische Betreuung, sondern so viel Menschlichkeit. So viele Aspekte, wo ich mir denke, das geht so weit über das hinaus, was der Job ist“, sagt der St. Pöltner ein Jahr nach seiner Erkrankung.

Susanne Egger und Karl Eder auf einer Parkbank
ORF
„Von 13. November bis Weihnachten haben wir nicht gewusst, ob er überleben wird“, sagt Karl Eders Ehefrau Susanne Egger

„Das ist etwas, das wir nicht am Monitor sehen können“

Nach der Lungenembolie wird er per Helikopter ins Universitätsklinikum St. Pölten verlegt. Seine behandelnde Ärztin Helga Dier spricht von einer wichtigen Verbindung zwischen Angehörigen und Patienten im Tiefschlaf: „Ich bin davon überzeugt, dass Stimme und Vorlesen im Unterbewusstsein wahrgenommen werden. Dass das etwas ist, das wir nicht am Monitor sehen können. Wir machen das sehr gerne und immer wieder. Es ist für die Orientierung wichtig, wenn sie dann wach werden, dass es immer diese Verbindung zur Familie gab.“

Erinnern kann sich Eder an die Briefe und Sprachnachrichten nicht, aber er erzählt von sehr intensiven Träumen während des Komas. Dass er nun ein Jahr später wieder fest im Leben steht – seit zwei Monaten kann er auch wieder als Psychotherapeut arbeiten – ist für Helga Dier Motivation: „Es ist pure Freude, wenn wir dann wieder Kontakt mit Patienten haben. Sie sind zurück im Leben, zurück in der Familie, sind sozial integriert. Es ist einfach Hoffnung“, sagt Helga Dier gegenüber noe.ORF.at.

Oberärztin und Intensivmedizinerin Helga Dier
ORF
Von einem schwierigen Verlauf spricht Intensivmedizinerin Helga Dier: „Viele Komplikationen, wir mussten ihn auf Herz-Lungen-Maschine umstellen, viele Wochen lang, aber letztlich hat sich Herr Eder durchgesetzt.“

Zwei Fotocollagen in den Spitälern in St. Pölten und Scheibbs (siehe Bild ganz oben) erinnern an Karl Eders Aufenthalt. Die Bilder zeigen ihn in verschiedenen Phasen: Vom Koma über erste Gehversuche bis zur ersten Wanderung mit seiner Frau. „Mir war es ein großes Anliegen, mich mit der Collage für das persönliche, menschliche Engagement zu bedanken, weil ich das nicht für selbstverständlich halte.“ Der 59-Jährige hofft, dass die Bilder Angehörigen und Besuchern Hoffnung machen, dass Erkrankte sich auch wieder erholen können.

„Hätte es nicht besser erwischen können“

Der Blick auf die Statistik der belegten Betten in den Spitälern oder Bilder von Demonstrationen vor Krankenhäusern sind für Eder schwer zu ertragen: „Natürlich denke ich dann, wie ist es mir gegangen, wie ist das gemanagt worden, wie viel Belastung ist das jetzt für Ärzte und Pflegepersonal.“ Helga Dier sieht große Unterschiede zwischen der zweiten Welle im Herbst, als Eder Patient war, und zur jetzigen: „Noch jüngere Patienten, noch schwerer erkrankt. Wir sehen hier leider sehr viele junge Menschen ohne Vorerkrankungen.“

Karl Eder ist nach einigen Reha-Aufenthalten fast vollständig genesen. Sport und längere Belastung würden ihn nicht mehr außer Atem bringen. „Momentan bin ich noch in der ambulanten Reha, um das restliche Lungenvolumen aufzubauen. Ich bin guter Hoffnung, dass ich das aufholen kann.“ Seine positive Einstellung führt er auch auf das Engagement der Ärztinnen und Pfleger zurück: „Es war so transparent, es ist immer mit mir gesprochen worden, meine Fragen wurden lange beantwortet. Ich hab’ das Gefühl, ich hätte es nicht besser erwischen können.“